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Befristeter Arbeitsvertrag liegt auf Schreibtisch
27. Januar 2016 / by Katja Kläfker

Der Missbrauch des Befristungsrechts

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.2015

Zur Erleichterung des Missbrauchsnachweises bei Kettenbefristungen // Die Befristung von Arbeitsverträgen ist (Berufs)-Alltag

Ein Arbeitsvertrag ist befristet geschlossen, wenn entweder schon zu Beginn die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt ist, z.B. “bis zum 31.12.2016”, oder ein Befristungszweck vereinbart wurde, z.B. “für die Dauer der Erkrankung der Frau Müller”. Möglich ist auch eine Kombination, die sog. Zeitbefristung mit Sachgrund: “Bis zum 31.12.2016 aufgrund der Dauer der Zuweisung von Drittmitteln”.

Wie viele Arbeitsverträge in Deutschland derzeit mit einer Befristung laufen, ist unklar. Das Statistische Bundesamt erfasst nur Befristungen in Verträgen abhängig Beschäftigter ab 25 Jahren, gerade Arbeitnehmer unter 25 Jahren sind aber überproportional häufig von Befristung betroffen. Nach dieser Statistik des Statistischen Bundesamtes waren bei Arbeitnehmern ab 25 im Jahr 2014 etwas mehr als 8 % der Arbeitsverträge befristet, allerdings in der Gruppe der 25 bis 34-jährigen über 17 % der Verträge. Noch höher ist die Anzahl der befristeten Verträge bei Menschen unter 25 Jahren, hier soll nach einer OECD-Studie zu den Jobchancen junger Menschen die Hälfte der unter 24-jährigen von Befristungen betroffen sein.

Warum sind Befristungen inzwischen so häufig? Befristungen dienen dem Arbeitgeber dazu, wirtschaftlichen Unwägbarkeiten zu begegnen und flexibler zu bleiben, insbesondere durch Umgehung des Kündigungsschutzes. Dafür trägt der Arbeitgeber ein Risko: Ist die Befristung aus formellen oder tatsächlichen Gründen unwirksam, besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (§ 16 TzBfG). Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer die Fristen zur gerichtlichen Überprüfung beachtet (3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses, § 17 TzBfG).

Sind mehrere Befristungen hintereinander zulässig (Kettenbefristungen)?

Grundsätzlich ist es zulässig, Arbeitsverhältnisse mehrfach hintereinander neu zu befristen. Bei Befristungen ohne sachlichen Grund darf die Anzahl von drei Verlängerungen bei einer Maximaldauer von zwei Jahren nicht überschritten werden. Die Befristung ist auch dann nicht erlaubt, wenn mit demselben Arbeitnehmer bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Außerdem müssen nach dem Bundesarbeitsgericht die gesetzlich an sich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten dann zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen. Das ist der Fall, wenn ein Vertragspartner rechtsmissbräuchlich versucht, die Beschränkungen des Befristungsrechts zu umgehen, um über die vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. Auf eine solche Befristung kann sich der (aktuelle) Vertragspartner nicht berufen. Hierbei geht es insbesondere darum, dass Arbeitgeber versuchen, durch das „Auswechseln“ des Arbeitgebers bei gleichbleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers das Vorbeschäftigungsverbot zu umgehen.

Wer muss beweisen, dass die Befristung rechtsmissbräuchlich ist?

Problematisch ist in der Praxis der Nachweis, dass der Arbeitgeber ausschließlich zu dem Zweck handelte, die zulässigen Befristungsgrenzen zu umgehen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich bei dem Arbeitnehmer, der jedoch ohne vollständige Kenntnis von den Beweggründen seines Arbeitgebers in der Regel wenig sagen kann. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich zu diesem Problem bislang nicht geäußert (zuletzt Urteil vom 19.03.2014, Az. 7 AZR 527/12). In einem neueren Urteil hat das Bundesarbeitsgericht nun zu der Frage Stellung genommen und dem Arbeitnehmer die Beweisführung erleichtert (Urteil vom 19.03.2014, Az. 7 AZR 527/12).

Der Fall: Gleicher Job – neuer Arbeitgeber – Befristung wirksam?

Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Wirksamkeit einer Befristung zu entscheiden. Der spätere Kläger war befristet vom 01.10.2008 bis insgesamt 31.12.2010 bei der Bundesagentur für Arbeit mit dem Befristungsgrund „Haushaltsmittel“ nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG beschäftigt.

Im Anschluss hieran wurde der Kläger für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 bei einer kommunalen Einrichtung eingestellt, die gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein JobCenter betrieb. Er wurde unverändert auf seiner alten Position eingesetzt.

Gegen diese letzte Befristung wandte sich der Kläger mit einer Entfristungsklage. Er machte geltend, ein Sachgrund für die Befristung läge nicht vor und eine sachgrundlose Befristung scheitere daran, dass seine jeweiligen Arbeitsverhältnisse als einheitlich anzusehen seien. Die Befristung sei daher rechtsmissbräuchlich. Er stützte seine Ansicht auf Indizien dafür, dass hinsichtlich des letzten befristeten Arbeitsvertrags ein Zusammenwirken der vertraglichen Arbeitgeber stattgefunden hatte, um das Vorbeschäftigungsverbot zu umgehen.

Das Urteil: Abgestufte Darlegungslast zugunsten des Arbeitnehmers

Der Kläger verlor vor dem Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht wies seine Berufung zurück. Hierzu führte das Landesarbeitsgericht aus, dass zwar mehrere miteinander verbundene Arbeitgeber vorliegen würden, aber die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nicht ausreichend darauf schließen ließe, dass die ausschließliche Absicht vorlag, die Befristungsgrenzen zu umgehen. Die Revision hatte insofern Erfolg, als das Bundesarbeitsgericht entschied, das Landesarbeitsgericht hätte die Klage nicht mit dieser Begründung abweisen dürfen. Der Rechtsstreit wurde zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen.

Das Bundesarbeitsgericht führt zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für die rechtsmissbräuchliche Umgehung des Befristungsrechts aus, um dann zu dem Beweisproblem Stellung zu nehmen. Diesem Beweisproblem des Arbeitnehmers ist nach dem Urteil durch Anwendung der Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen.

Es genügt demnach, dass der Arbeitnehmer, der die Überlegungen des Arbeitgebers zu der Befristung nicht kennt, Indizien für die Missbräuchlichkeit der Befristungsabrede vorträgt.

Entsprechende Indizien sind laut der Urteilsbegründung zum Beispiel der nahtlose Anschluss des mit dem neuen Vertragsarbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrags, eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich zu auch im Übrigen -im Wesentlichen – unveränderten Arbeitsbedingungen die weitere Ausübung des Weisungsrechts durch den bisherigen Vertragsarbeitgeber oder eine ohnehin gemeinsame Ausübung des Weisungsrechts. Führt der Arbeitnehmer solche Indizien ins Feld, muss der Arbeitgeber im Einzelnen erwidern, warum es ihm gerade nicht ausschließlich auf eine Umgehung der Befristungsgrenzen ankam.

Dadurch, dass das Landesarbeitsgericht diese Grundsätze noch nicht berücksichtigt hatte, hatte es einzelne Indizien nicht hinreichend gewürdigt und die insofern veränderte Darlegungslast nicht richtig erkannt. Das Landesarbeitsgericht wird also erneut zu entscheiden haben.

Fazit

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt, dass es dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf eine sachgrundlose Befristung zu berufen, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene „Vertragsarbeitgeber“ bewusst und gewollt zusammen handeln, um über die gesetzlich vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können.

Darüber hinaus hat sich das Bundesarbeitsgericht zu der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Missbrauchskontrolle geäußert. Für den Arbeitnehmer wird klargestellt, dass Beweiserleichterungen in Form einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast greifen. Das Urteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Annahme eines Rechtsmissbrauchs im Befristungsrecht nach wie vor eine Ausnahme bleibt. Es handelt sich jeweils um Einzelfallentscheidung, da das Gesetz entsprechende Begrenzungen nicht kennt. Gleichwohl wird das Urteil dem Arbeitnehmer künftig die Begründung einer Entfristungsklage in diesen Fällen erleichtern.

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