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30. August 2021 / by Kanzlei Kerner

Rückgewährung von Urlaubstagen

Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021 (Az. 2 Ca 504/21)

Zu dem Zusammentreffen von Urlaub und Quarantäneanordnung

Unter dem Begriff Urlaub verstehen wir Zeit, in der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt sind, die sie also selbstbestimmt verbringen können. Das ist einerseits richtig, andererseits ist es nicht so, dass es den Arbeitgeber überhaupt nichts anginge, wie der Urlaub verbracht wird. Nicht umsonst heißt es in § 1 Bundesurlaubsgesetz, jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf „Erholungsurlaub“. Die Freistellung ist also zweckgebunden, sie dient der Erholung und der Regeneration der Arbeitskraft. Falls Sie ihren Urlaub damit verbringen (müssen), ihr Haus zu renovieren oder einen Umzug zu organisieren, ist zwar durchaus zweifelhaft, ob dies erholsam ist. Allerdings ist es bereits ausreichend, wenn Ihnen durch die Freistellung die Möglichkeit der Erholung gegeben wird, denn anderenfalls würde es von ihrem persönlichen Empfinden bei der Rückkehr aus dem Urlaub abhängen, ob der Freistellungszweck erfüllt wäre. Würde der Urlaubsanspruch erst dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer sich tatsächlich erholt hat, hätte dies unübersehbare Folgen. Daher hat der Gesetzgeber lediglich zwei konkrete Ausnahmen vorgesehen, in denen der Erholungszweck verfehlt wird.

  • § 8 BUrlG: Dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit
    Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Mit diesem Verbot soll gewährleistet werden, dass der Arbeitnehmer Gelegenheit hat, seine Arbeitskraft während des Urlaubs zu regenerieren. Daher sind von dem Verbot nicht nur abhängige, sondern auch selbständige Tätigkeiten erfasst. Zwar ist nicht schlichtweg jede Tätigkeit untersagt, sondern lediglich eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit; dies dürfte allerdings in der Regel aufgrund der Zielrichtung des Urlaubs deckungsgleich sein.
  • § 9 BUrlG: Erkrankung während des Urlaubs
    Auch wer krank ist, kann seine Arbeitskraft nicht regenerieren, so dass der Urlaubszweck verfehlt wird. Während die Erwerbstätigkeit im Urlaub nach § 8 BUrlG widerrechtlich erfolgt und damit arbeitsrechtlich geahndet werden kann, liegt natürlich im Fall einer Erkrankung kein Verschulden vor. Daher sind die Rechtsfolgen auch völlig unterschiedlich: Treffen ein bewilligter Erholungsurlaub und eine Erkrankung zusammen, so ist nach § 9 BurlG die Anzahl der durch ein ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub anzurechnen. Der Urlaub muss also nachgewährt werden, Sie erhalten mithin Urlaubstage gutgeschrieben. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung während einer betriebsweiten Schließung eingetreten ist (Betriebsferien). Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die nachzugewährenden Urlaubstage unmittelbar im Anschluss an den verfehlten Urlaub zu gewähren, insofern steht Ihnen auch kein Recht zur Selbstbeurlaubung zu.

    Der Nachweis durch ärztliches Attest soll dem Missbrauch vorbeugen, es handelt sich um eine echte Anspruchsvoraussetzung. Wird also kein ärztliches Attest vorgelegt, sind die Urlaubstage trotz Erkrankung – selbst wenn diese z.B. durch andere Zeugen nachweislich vorlag – nicht nachzugewähren. Das ärztliche Attest muss spätestens unverzüglich nach Urlaubsende vorgelegt werden.

Steht eine behördliche Quarantäne dem ärztlichen Attest gleich?

Seit Beginn der Corona-Pandemie gehört so manches zu unserem (Arbeits-) Alltag, was zuvor entweder nicht denkbar oder jedenfalls höchst selten war. Hierzu gehört die behördliche Anordnung einer Quarantäne für eine Vielzahl von Menschen. Die Anzahl der seit dem Jahr 2019 verordneten Quarantänezeiten wird statistisch nicht erfasst, bei fast vier Millionen nachgewiesenen Corona-Infektionen in Deutschland kann man sich jedoch eine ungefähre Vorstellung machen. Naturgemäß waren und sind von einer Quarantäneanordnung – sei es als Infizierter, Kontaktperson oder Reiserückkehrer – auch etliche Arbeitnehmer betroffen. Das Infektionsschutzgesetz sieht Entschädigungen für den Verdienstausfall der mit Quarantäne belegten Personen vor. Aber wie verhält sich ein solcher Fall arbeitsrechtlich, wenn eine Quarantäne mit einem bereits bewilligten Urlaub zusammenfällt?

Urteil des Arbeitsgerichts Bonn: Behördliche Verfügung steht nicht einem ärztlichen Attest gleich

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die während ihres Erholungsurlaubs eine Quarantäneanordnung erhielt, da der Verdacht bestand, sie sei am Corona-Virus erkrankt. Dieser Verdacht bestätigte sich, ohne dass jedoch Krankheitssymptome auftraten. Im Anschluss an ihren auf diese Weise in Isolation verbrachten Urlaub forderte sie von dem Arbeitgeber die Gutschrift der Urlaubstage für den betroffenen Zeitraum. Zur Begründung führte sie an, dass für die Anwendung des § 9 BUrlG nicht erforderlich sei, dass körperliche Leistungseinschränkungen vorlägen. Auch dann, wenn die eigene Infektiosität zwingend eine Isolierung erfordere, da die Arbeitsleistung nur in einer Betriebsstätte und mit Kontakt zu anderen Arbeitnehmern erbracht werden könne, sei eine Arbeitsleistung nicht möglich. Die Voraussetzung der Beibringung eines ärztlichen Attestes diene der Missbrauchskontrolle, diese Funktion nehme vorliegend die behördliche Anordnung ein. Zudem sei es ihr rechtlich unmöglich gewesen, einen Arzt aufzusuchen und ein ärztliches Zeugnis über ihre Erkrankung beizubringen. Die Gutschrift der Urlaubstage lehnte der Arbeitgeber gleichwohl ab, woraufhin die Mitarbeiterin Klage vor dem Arbeitsgericht erhob.

Das Gericht wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass nur dann ein Anspruch auf erneute Gewährung von Urlaubstagen bestehe, wenn der Arbeitnehmer durch ärztliches Zeugnis seine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen habe (Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021, Az. 2 Ca 504/21). Hintergrund der Regelung sei nicht nur die Vorbeugung gegen Missbrauch zulasten des Arbeitgebers, sondern auch die Beurteilung, ob eine Erkrankung im Einzelfall zu einer Arbeitsunfähigkeit führt. Die behördliche Ordnungsverfügung erfülle diese Voraussetzungen nicht, da sie keine Aussagen hinsichtlich der (Nicht-) Arbeitsfähigkeit der Klägerin treffe. Zwar sei es möglich, dass ein Arzt die Klägerin als arbeitsunfähig beurteilt hätte, dies entziehe sich allerdings der gerichtlichen Beurteilung. Gemäß des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Änderung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie: Covid-19-Pandemie vom 15.10.2020 ab dem 19.10.2020 bis jedenfalls zum 31.12.2020 wäre die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach telefonischer Anamnese bis zu einer Höchstdauer von 14 Tagen möglich gewesen. Damit wäre es der Klägerin möglich gewesen, auf telefonischem Weg eine Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit durch ärztliches Zeugnis zu erlangen. Daher hatte die Klägerin keinen Anspruch auf erneute Gewährung der in Isolation verbrachten Urlaubstage.

Fazit: Ärztliches Attest kann nicht ersetzt werden

Nach der gerichtlichen Entscheidung dient die Voraussetzung des ärztlichen Attestes insbesondere der Beurteilung durch den Arzt, ob die jeweilige Erkrankung tatsächlich zur Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf den individuellen Arbeitsplatz führt. Denn eigentlich muss der Arzt im Fall einer Erkrankung prüfen, ob aufgrund dessen tatsächlich individuelle Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Beispiel: Im Fall eines bereits geschienten gebrochenen Beins, welches „nur noch“ endgültig heilen muss, wäre dies bei einem Handwerker sicherlich der Fall, bei einem Büroangestellten nicht unbedingt.

Diese ärztliche Beurteilung kann nicht ersetzt werden, wie das aktuelle Urteil zeigt. Ohne ärztliches Attest ist eine Rückgewährung von Urlaubstagen aufgrund Erkrankung daher nicht möglich. Dies auch dann nicht, wenn eine behördliche Quarantäneanordnung vorliegt und selbst dann nicht, wenn dieser nachweislich eine Corona-Erkrankung zugrunde lag, ohne dass jedoch ein ärztliches Attest eingeholt wurde.

 

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