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Handshake zwischen dem Arbeitgeber und leitenden Führungskräften
21. März 2022 / by Kanzlei Kerner

Drohung „Aufhebungsvertrag oder Kündigung“ – Gebot fairen Verhandelns

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022 (Az. 6 AZR 333/21)

Weshalb werden Aufhebungsverträge geschlossen?

Eine Kündigung soll das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist beenden. Gegen jede Kündigung kann der Arbeitnehmer allerdings Kündigungsschutzklage erheben. Ob die Kündigung am Ende eines Rechtsstreits für wirksam oder unwirksam erklärt wird, jedenfalls verursacht dieser auf Arbeitgeberseite Aufwand an Zeit, Geld und Nerven. Bei einem Aufhebungsvertrag erspart sich der Arbeitgeber das Risiko von Rechtsstreitigkeiten, im Gegenzug erhält der Arbeitnehmer oftmals die sichere Zusage einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Überhaupt ist der Aufhebungsvertrag die einzige Möglichkeit, die Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehung zu gestalten – sei es, dass die Kündigungsfrist abgekürzt wird, der Inhalt des Arbeitszeugnisses bestimmt wird, etwaige Boni oder Tantieme abgehandelt werden oder die besagte Abfindung beziffert wird.

Im Gegensatz zum Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer ohne Anschlussbeschäftigung allerdings im Blick haben, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Verhängung einer so genannten Sperrzeit bei dem Bezug von ALG I führen kann. Dies kann man durch die Gestaltung des Aufhebungsvertrags häufig vermeiden. Jedoch: Oft ist es der Arbeitgeber, der alleine den Aufhebungsvertrag wünscht und bei der Durchsetzung dieses Wunsches mitunter wenig Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers nimmt. Dies führt nicht nur zu fehlendem Mitspracherecht bei der Vertragsgestaltung, nicht selten werden Arbeitnehmer auch zur Vertragsunterzeichnung an sich gedrängt. Sei es, dass bei der überraschenden Vorlage eines Aufhebungsvertrages auch auf Nachfrage hin keine Bedenkzeit eingeräumt oder sogar gedroht wird, sollte die Unterschrift nicht unverzüglich geleistet werden; manch ein Arbeitnehmer fragt sich anschließend, ob er unter diesen Umständen an den Vertrag gebunden ist.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich aktuell mit einer solchen „Drucksituation“ zu befassen.

Wann kann man von einem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag zurücktreten?

Das Gesetz gestattet unter bestimmten Voraussetzungen die Anfechtung des Aufhebungsvertrags oder den Rücktritt hiervon.

Der Rücktritt ist der seltenere Fall. Grundsätzlich sind beide Parteien an einen geschlossenen Vertrag gebunden, es sei denn, es besteht ein Anfechtungsgrund (dazu unten) oder eine Partei kommt ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht nach. Dies kann der Fall sein, wenn für die üblicherweise vorgesehene Abfindung ein Fälligkeitstermin vereinbart wurde, der nicht eingehalten wird, obwohl der Arbeitgeber zahlungsfähig ist. Ein solcher Fälligkeitstermin kann auch im Nachhinein geschaffen werden, indem der Arbeitnehmer für die Zahlung der Abfindung eine (angemessene) Frist setzt.

Wann kann ein abgeschlossener Aufhebungsvertrag angefochten werden?

Wird ein Aufhebungsvertrag erfolgreich angefochten, ist er nichtig. Gesetzlich anerkannte Anfechtungsgründe sind Irrtum bzw. Täuschung und widerrechtliche Drohung.

Im Fall des Irrtums sind nicht Irrtümer über die Folgen des Vertrags gemeint, etwa eine Sperrzeit beim Bezug von ALG I. Ausschließlich relevant ist, wenn sich darüber geirrt wurde, dass überhaupt ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird, beispielsweise weil die Aufhebungsregelungen in einem Dokument „versteckt“ wurden. In Betracht kommen auch Situationen, in denen der Arbeitgeber bewusst falsche Tatsachen z.B. über die Zukunft des Unternehmens oder des betreffenden Arbeitsplatzes vorträgt.

Wie der Begriff „widerrechtliche“ Drohung verrät, berechtigt nicht jede unangenehme Äußerung des Arbeitgebers zur Anfechtung. Es muss vielmehr ein unangemessenes Verhältnis zwischen dem vom Arbeitgeber eingesetzten Mittel und dem erstrebten Zweck, dem Abschluss des Aufhebungsvertrages, bestehen. Das ist natürlich immer der Fall, wenn der Arbeitgeber mit körperlicher Gewalt droht, was aber höchst selten geschieht. Auch Drohungen mit der Vorenthaltung von Gehaltszahlungen oder mit (Straf-)versetzungen sind widerrechtlich, wenn hierfür neben dem Wunsch nach dem Aufhebungsvertrag nicht noch andere Gründe vorliegen. Der „Klassiker“ ist die Drohung mit dem Ausspruch einer Kündigung bei Nichtunterzeichnung. Hier kommt es darauf an: Eine solche Drohung ist dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält (BAG, Urteil v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05; LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 10.03.2020 – 8 Sa 40/19), wenn also der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist. Ob ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung ernsthaft erwogen hätte, richtet sich dabei nicht nach dem tatsächlichen subjektiven Wissensstand, sondern nach dem objektiv möglichen hypothetischen Wissensstand des einzelnen Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 16.11.1979 – 2 AZR 1041/77). Das bedeutet, ein Arbeitgeber darf sich nicht auf sein Rechtsgefühl verlassen, es gilt die tatsächliche Rechtslage. Und: Zu berücksichtigen sind hierbei auch die – ggf. erst im Prozess gewonnenen – Ergebnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber zuvor zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte.

Aktueller Fall: Arbeitgeber zieht Anwalt hinzu und droht mit fristloser Kündigung und Strafanzeige

Die spätere Klägerin war seit dem Jahr 2015 als Teamkoordinatorin für den Arbeitgeber tätig. Ende des Jahre 2019 wurde sie zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten in dessen Büro gebeten. Hier war auch ein Anwalt des Arbeitgebers zugegen, er stellte sich der der Klägerin als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vor. Der Arbeitnehmerin wurde vorgeworfen, in der Vergangenheit unberechtigt Einkaufspreise für Waren in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert zu haben. Ihr war zuvor nicht mitgeteilt worden, dass dieser Vorwurf Gegenstand des Gesprächs sein sollte. Sodann wurde ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelegt, der keine Abfindung vorsah. Nach ihrer Schilderung im späteren Rechtsstreit sei ihr mitgeteilt worden, sie habe zwei Optionen, zwischen denen sie wählen könne: Zum einen sei dies eine fristlose Kündigung, zum anderen die Unterzeichnung des bereits vorbereiteten Aufhebungsvertrages. Nach einer ca. zehnminütigen Bedenkzeit unterzeichnete die Arbeitnehmerin den Vertrag. Mit anwaltlichem Schreiben ließ die Klägerin wenige Tage später die Anfechtung des Aufhebungsvertrages erklären; in diesem Schreiben heißt es, sie sei durch die widerrechtliche Drohung mit einer fristlosen Kündigung, einer Strafanzeige und “sonstigen negativen Weiterungen” zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gebracht worden. Sie sei überrascht über die Vorhaltung gewesen, die sie zunächst gar nicht verstanden habe. Ihrer Bitte, eine Bedenkzeit zu erhalten und den Rat eines Rechtsbeistandes einzuholen, sei nicht entsprochen worden. Vielmehr habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, dass dann, wenn die Klägerin durch die Tür gehe, auch wenn sie nur die Toilette aussuchen wolle, der Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht mehr in Betracht komme; es werde dann eine fristlose Kündigung und eine Strafanzeige erfolgen. Aufgrund des massiv aufgebauten Drucks und ihrer Angst um die berufliche Existenz habe sie sich dazu verleiten lassen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe seien jedoch unzutreffend. Der Arbeitgeber war der Ansicht, der Aufhebungsvertrag sei bindenden geschlossen worden, da kein Fall widerrechtlicher Drohung vorgelegen habe.

Das Urteil: Gebot fairen Verhandelns (noch) nicht verletzt

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil unterstellt, dass sich das Gespräch wie von der Arbeitnehmerin behauptet zugetragen hat. Gleichwohl hat es geurteilt, dass das Verhalten des Arbeitgebers und seines Rechtsanwaltes keine widerrechtliche Drohung darstellte. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Der Arbeitgeber habe auch nicht unfair verhandelt, was eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 BGB) dargestellt hätte. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin sei nicht dadurch verletzt worden, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme sofort entscheiden musste (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022 (Az. 6 AZR 333/21; zur Pressemitteilung).

Fazit

Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande kommen und dann anfechtbar sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Jedoch: Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stelle für sich genommen keine Pflichtverletzung dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann. Treten jedoch noch andere Umstände hinzu, mit denen psychischer Druck aufgebaut wird, kann hieraus eine Anfechtbarkeit resultieren. Das war vorliegend nicht der Fall, weil die gegen die Arbeitnehmerin erhobenen Vorwürfe eine fristlose Kündigung und ggf. auch eine Strafanzeige hätten rechtfertigen können.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Aufhebungsverträge? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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