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10. Juni 2021 / by Kanzlei Kerner

Stellenabbau bei der TUI – wie verhalte ich mich richtig?

Aktuell: Interessenausgleich und Sozialplan NEXT (Update vom 10.06.2021)

Sowohl die TUI AG wie auch die TUI Deutschland GmbH und die TUIfly GmbH haben einen Sitz in Hannover bzw. Langenhagen. Die TUI ist ein Touristikunternehmen bzw. Reiseveranstalter und hierbei ein echter „global player“. Die Reisebranche ist allerdings einem stetigen Wandel unterworfen und insbesondere, wie die Corona-Krise eindrucksvoll zeigt, auf die Reisefreiheit angewiesen. Am 27.06.2019 hatte die TUI bereits mitgeteilt, dass in den nächsten zwei bis zweieinhalb Jahren insgesamt 450 Stellen beim Veranstalter wegfallen, da die Entwicklung des Veranstaltergeschäfts eine schnelle Standardisierung und Automatisierung von Prozessen erforderlich mache. Dieser Stellenabbau soll sozialverträglich in Form von Angeboten zum freiwilligen Ausstieg sowie Altersteilzeitvereinbarungen erfolgen. Betriebsbedingte Kündigungen wurden zum damaligen Zeitpunkt durch eine Zukunftsvereinbarung zwischen Vorstand und Konzernbetriebsrat bis Ende 2020 ausgeschlossen. Um die Zahl der Kündigungen auch danach so gering wie möglich zu halten, hatte man angekündigt, die Zahl der Leiharbeitnehmer zu verringern und verstärkt Angebote für Altersteilzeit und Abfindungen machen.

Im Rahmen der Corona-Krise hat die TUI Deutschland GmbH am 16.03.2020 ein neues Freiwilligenprogramm aufgelegt und mit dem Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung geschlossen. Das sogenannte “Corona-Freiwilligenprogramm” sah neben einer Grundabfindung eine Zusatzprämie für unterhaltsberechtigte Kinder sowie eine Sprinterprämie vor. Besondere Konditionen galten für die Arbeitnehmer, für die besonderer Kündigungsschutz gemäß § 15, Ziff. 4 Manteltarifvertrag Anwendung findet.

Am 13.05.2020 teilte der Konzern in Folge der Corona-Pandemie mit, massiv weiter Stellen abbauen zu wollen. Konkret sollen die Verwaltungskosten um 30 % gemindert werden, insgesamt sollen weltweit rund 8.000 Stellen abgebaut werden. Wie diese Maßnahme praktisch umgesetzt werden soll, ist noch nicht bekannt. Viele der Beschäftigten befinden sich bereits in Kurzarbeit. Ein Überbrückungskredit durch die staatliche Förderbank KfW in Höhe von 1,8 Milliarden Euro wurde bereits vor dem Entschluss zum weiteren Stellenabbau bewilligt.

Zuletzt hatte die TUI Deutschland GmbH mit dem Betriebsrat unter dem Begriff “OptimO” einen Interessenausgleich abgeschlossen, der den Abbau von über 300 Stellen bei der TUI Deutschland GmbH durch Verlagerung in andere Gesellschaften oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen zum Inhalt hatte. In dem dazu korrespondierenden Sozialplan wurden neben den Regelungen zum finanziellen Ausgleich bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen insbesondere auch Vereinbarungen zu Ansprüchen der Arbeitnehmer bei einem vorgesehenen Betriebsübergang in die TUI Customer Operations (TCO) GmbH getroffen. Auch für diese Personalabbauphase war neben den Sozialplanregelungen wieder ein Freiwilligenprogramm vereinbart.

Aktuell liegt der Interessenausgleich NEXT vor, der die Schließung bzw. Zusammenlegung von Betriebsstellen im Rahmen des stationären Vertriebs (Reisebüros) zum Inhalt hat. Korrespondierend dazu ist der Sozialplan NEXT abgeschlossen, der den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, insbesondere Abfindungszahlungen an die Arbeitnehmer regelt.

Auch bei der TUIfly GmbH ist ein Interessenausgleich und Sozialplan zur Neustrukturierung im April 2021 abgeschlossen worden. Auch hier sind Abfindungszahlungen für die Arbeitnehmer vereinbart sowie weitergehend das Angebot, in eine Transfergesellschaft mit einer maximalen Laufzeit von 12 Monaten unterbreitet.

Schon zuvor hat die TUI wiederholt Personalanpassungs- und Restrukturierungsmaßnahmen durchgeführt und diese in der Regel in ein so genanntes Freiwilligenprogramm eingebettet. Wir möchten Sie an unseren Erfahrungen mit solchen Maßnahmen teilhaben lassen, welche für Sie – sollten Sie von den bzw. anstehenden aktuellen Maßnahmen betroffen sein – zur Orientierung dienen können:

Manteltarifvertrag zwischen der TUI Deutschland GmbH und ver.di

Die TUI Deutschland GmbH hat einen so genannten Haustarifvertrag mit der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di – vereinbart, der auf die überwiegende Anzahl der Arbeitsverhältnisse bei der TUI Anwendung findet. Im Manteltarifvertrag sind die wesentlichen Vertragsbedingungen, wie beispielsweise Arbeitszeit, Urlaub, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Kündigungsfristen, geregelt. Große Bedeutung hat dabei § 15 Abs. 4 des Manteltarifvertrages. Danach kann ein Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigen Gründen, d.h. fristlos gekündigt werden, wenn Arbeitnehmer 25 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen oder aber mit 20 Jahren Betriebszugehörigkeit das 45. Lebensjahr vollendet haben.

Was ist ein Sozialplan?

Einen Sozialplan vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat, um Nachteile für die Belegschaft bei einer Betriebsänderung abzumildern. Eine Betriebsänderung ist beispielsweise eine Umstrukturierung und die entsprechenden Nachteile in der Regel Entlassungen. Die am Sozialplan beteiligten Parteien können grundsätzlich frei entscheiden, in welcher Form für diese Nachteile ein Ausgleich gewährt werden soll. Im Fall von Entlassungen sind Abfindungszahlungen ein gebräuchlicher Ausgleich. Für die Höhe der Sozialplanabfindungen haben sich in der Praxis Berechnungsformeln entwickelt, die sich am Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit orientieren. So kommt es meistens zu individuell verschieden hohen Abfindungszahlungen.

Was ist ein Rationalisierungsschutzabkommen?

Ein Rationalisierungsschutzabkommen kann zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat abgeschlossen werden. Es handelt sich – wie auch der Sozialplan – um eine Vereinbarung zum Schutz der Arbeitnehmer bei Rationalisierungsmaßnahmen. Auch hier werden beispielsweise Ausgleichszahlungen oder Umschulungsförderungen geregelt, aber auch Entgeltsicherungsklauseln geregelt. Bei der TUI Deutschland GmbH wurde beispielsweise am 17.12.2010 ein Rationalisierungsschutzabkommen geschlossen.

Was ist ein Freiwilligenprogramm?

Das Ziel eines Freiwilligenprogramms ist, Mitarbeiter durch finanzielle Anreize zum freiwilligen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu bewegen. Diese Maßnahme kann bei einem geplanten Stellenabbau neben anderen, z.B. einem Sozialplan, ergriffen werden. Ebenso wie bei dem Sozialplan ist auch hier der Betriebsrat zu beteiligen, wenn der Personalabbau eine nennenswerte Größenordnung erreicht. Umgesetzt wird das Freiwilligenprogramm im Einzelfall mit einem Aufhebungsvertrag. Der Vorteil für das Unternehmen liegt darin, dass die sozialen Kriterien wie Betriebszugehörigkeit und Alter nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – zu berücksichtigen sind. Diese Faktoren werden sich jedoch regelmäßig in der Höhe des gemachten Angebots niederschlagen. Ein weiterer Vorteil für den Arbeitgeber ist die Rechtssicherheit; ein einmal geschlossener Aufhebungsvertrag ist in der Regel nicht mehr angreifbar. Der Arbeitgeber kann also mit einem Freiwilligenprogramm viel zielgerichteter als mit betriebsbedingten Kündigungen Einfluss darauf nehmen, dass nur noch die „Wunschmannschaft“ im Unternehmen verbleibt, da die Sozialauswahl entfällt. Angebote im Rahmen eines Freiwilligenprogramms werden in der Regel mit Annahmefristen verknüpft, die häufig im Falle einer schnellen Entscheidung zusätzliche Zahlungen, so genannte “Sprinter-Prämien” zum Inhalt haben.

Wie geht es für mich weiter?

Sofern Sie von einer oder mehrerer der obigen Maßnahmen betroffen sein werden oder es schon sind, erwägen Sie wahrscheinlich noch Ihre Optionen. Wenn Sie Kandidat/in eines Freiwilligenprogramms sind, sollten Sie nichts überstürzen. Bedenken Sie auch, dass Sie bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Sperrzeit bei der Agentur für Arbeit erhalten können; dieser Umstand sollte neben anderen in die Abwägung einfließen. Vielleicht befürchten Sie seitens der TUI  eine Kündigung und fragen sich, ob Sie hiergegen vorgehen möchten. Oder Sie möchten wissen, was genau der Sozialplan für Sie nun bedeutet.

So oder so ist es für Sie vielleicht hilfreich, zu wissen, dass wir schon häufig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Stellenabbaumaßnahmen gegenüber größeren Unternehmen – und insbesondere gegenüber der TUI – vertreten haben. Vorab: Eine Kündigung muss nicht rechtmäßig sein, nur weil sie Teil einer unternehmerischen Maßnahme ist. Mitarbeiter, die länger als sechs Monate beschäftigt sind, genießen Kündigungsschutz. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur unter ganz besonderen Voraussetzungen möglich und für ein Unternehmen verhältnismäßig schwierig und aufwändig darzustellen. Und ein Aufhebungsvertrag, den ihr Arbeitgeber formuliert hat, muss nicht per se ein schlechtes Angebot sein, sollte aber angesichts der Wichtigkeit Ihrer Entscheidung und der Komplexität der Situation sorgfältig geprüft werden. Für Sie ist in einem ersten Schritt bereits jetzt wichtig zu wissen, dass Sie eine Kündigung innerhalb von drei Wochen (gerichtlich) angreifen müssen, anderenfalls wird sie wirksam.

Sofern ein Freiwilligenprogramm existiert, gilt es Annahmefristen zu beachten und sofern ein Ausscheiden aus dem Unternehmen als Möglichkeit in Betracht kommt, sich mögliche Sprinter-Prämien zu Nutze zu machen.

In welcher konkreten Situation Sie sich derzeit auch befinden: Wir sind für Sie da und beraten Sie über Ihre Handlungsoptionen und Ihre realistischen Chancen schnell und verständlich. Sie profitieren von unserer Erfahrung und unserem Fachwissen. Denn unser Anliegen ist, Ihre Interessen konsequent zu vertreten.

Kostentransparenz ist uns wichtig. Erste Informationen zu dem Thema Kosten finden Sie hier.

 

Haben Sie Fragen zu dem Thema Überwachung von Arbeitnehmern oder fristlose Kündigung?

Wir helfen Ihnen gerne weiter.

 

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