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10. Mai 2016 / by kanzleiKerner

Darf man einen Stundenlohn von 450 € verlangen und mit der Zeitung darüber sprechen?

Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 15.04.2016

„Versuchen kann man es ja mal.“ wird sich der Hausmeister von Cora Schuhmacher gesagt haben. Er verklagte die ehemalige Ehefrau des Formel-1-Fahrers Ralf Schumacher auf 43.200,00 € abzüglich bereits gezahlter 1.050,00 €.

Diese Summe will er als angestellter Hausmeister innerhalb von 12 Arbeitstagen als Gehalt verdient haben. Seine Forderung errechnet er aus dem Arbeitsvertrag. Unter der Punkt Vergütung hatten die Parteien geregelt:

„Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Vergütung / einen Stundenlohn von 450,00 Euro.“

Es handelt sich um einen Musterarbeitsvertrag, gestrichen wurde keine der Alternativen.

Grundsätzlich gilt bei der Beurteilung von Arbeitsverträgen die für den Arbeitnehmer günstigere Auslegung, Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers (§ 305 c Abs. 2 BGB). Daher stellte sich der Arbeitnehmer auf den Standpunkt, es sei ein Stundenlohn von 450,00 Euro vereinbart worden.

Die Parteien hatten unterschiedliche Vorstellungen von der vereinbarten Vergütung, die verklagte Arbeitgeberin wollte von einem Stundenlohn in Höhe von 450,00 € nichts wissen.

Der Kläger blieb mit seiner Klage sowohl vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach als auch vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf erfolglos (Pressemitteilung Arbeitsgericht Mönchengladbach vom 14.04.2016; externer Link). Die Urteile liegen noch nicht im Volltext vor, die Klage dürfte aber im Wesentlichen an folgender Hürde gescheitert sein:

Die Regelung, wonach bei vorformulierten Arbeitsverträgen Zweifel zu Lasten des Arbeitgebers gehen, ist nur anwendbar, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt. Maßstab für diese Beurteilung ist der rechtskundige, verständige und redliche Vertragspartner.

Unter Auslegung versteht man die Ermittlung des Sinnes einer Erklärung. Man versucht also herauszufinden, was die Vertragsparteien sich bei der Regelung gedacht haben. Zu diesem Zweck werden der Wortlaut der Erklärung, ihr Standort der Erklärung im Vertrag und die Umstände des Vertragsschlusses untersucht, soweit sie sich im Vertrag niedergeschlagen haben.

Die Parteien hatten laut Vertragsüberschrift ausdrücklich einen Arbeitsvertrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte („450-Euro-Job“) geschlossen. Außerdem handelte es sich um eine einfache Hausmeistertätigkeit. Vor diesem Hintergrund erscheint ein beidseitig gewollter Stundenlohn von 450,00 € so abwegig, dass kein echter Zweifel mehr verbleibt, dass lediglich vergessen wurde, den Textteil „einen Stundenlohn von“ zu streichen und dass die Regelung eigentlich heißen sollte „erhält eine monatliche Vergütung von 450,00 €“.

Der Fall: Streit um den Stundenlohn Teil II

Damit war der Streit nicht beendet. Der ehemalige Arbeitnehmer hatte im Verlaufe des Rechtsstreits der Bild-Zeitung ein Interview gegeben und seine Sicht der Dinge geschildert. Die Bild-Zeitung veröffentlichte daraufhin einen Bericht mit den Aussagen des Hausmeisters und Fotos des Arbeitsvertrags.

Das wollte Frau Schumacher nicht hinnehmen. Dieses Mal war sie es, die sich an das Arbeitsgericht Mönchengladbach wandte. Sie beantragte, per einstweiliger Verfügung ihren früheren Hausmeister zu verpflichten, Äußerungen zu unterlassen. Insbesondere sollte er nicht mehr behaupten dürfen, sie verweigere die Zahlung seiner Arbeitsvergütung.

Der Beschluss: Abwegig, aber zulässig

Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück und entschied, dass der Arbeitnehmer sich zu dem Sachverhalt äußern durfte und zwar auch öffentlich (Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 15.04.2016, Aktenzeichen 5 Ga 7/16).

Die einstweilige Verfügung ist eine Form des Schnellrechtsschutzes, ein solcher Antrag wird gestellt, wenn der übliche prozessuale Weg so zeitaufwändig wäre, dass ein nicht mehr zu behebender Schaden eintritt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist ein solches Vorgehen selten erforderlich, da die Gerichte ohnehin gehalten sind, die Angelegenheiten zügig zu bearbeiten. In diesem Fall befürchtete Frau Schumacher aber offensichtlich unmittelbar weitere Äußerungen ihres ehemaligen Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht hält ausweislich der Pressemitteilung (Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 15.04.2016; externer Link) die Interpretation des Arbeitsvertrags durch den Hausmeister, es sei ein Stundenlohn von 450,00 € vereinbart worden, zwar ausdrücklich für abwegig. Er darf diese Interpretation aber gleichwohl vertreten und äußern. Denn er hatte – und darauf kam es dem Gericht an – gegenüber der Presse lediglich erklärt, man streite sich über die Interpretation des Arbeitsvertrages. Er hatte hingegen nicht behauptet, die Beklagte enthalte ihm seinen unstreitig geschuldeten Lohn vor. Eine solche Äußerung, die sich auf die gezahlten 450,00 € im Monat bezogen hätte, wäre unzulässig gewesen.

Fazit: Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

Grundsätzlich sind Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt, die nicht erweislich unwahr oder beleidigend sind.

Das gilt auch im Arbeitsverhältnis und erst Recht bei einem beendeten Arbeitsverhältnis und auch dann, wenn eine der Arbeitsvertragsparteien – mehr oder weniger – prominent ist.

Ein Arbeitnehmer ist auch nicht aufgrund seiner Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, zu seinem Arbeitsvertrag oder seinem Gehalt zu schweigen. Verbietet eine arbeitsvertragliche Klausel solche Äußerungen pauschal, ist sie unwirksam und muss nicht beachtet werden (Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21.10.2009, Aktenzeichen 2 Sa 237/09). Spätestens nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht eine solche Pflicht ohnehin nicht mehr, da eine Einordnung der vertraglichen Bedingungen oder des Gehalts als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Schon im laufenden Arbeitsverhältnis darf sich also ein Arbeitnehmer kritisch über seinen Arbeitgeber äußern, wenn er sachlich bleibt und im Verhältnis zu seiner Stellung im Unternehmen ein vernünftiges Maß wahrt. Diesen Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Arbeitgeberinteresse lösen die Grundsätze zur arbeitsnehmerseitigen Loyalitätspflicht (siehe dazu genauer hier).

Es gelten also nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel nur noch die jedermann verpflichtenden Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Da die Äußerungen des ehemaligen Arbeitnehmers weder unwahr noch beleidigend waren, bestand kein Grund, ihm Äußerungen zu untersagen.

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