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Handshake zwischen dem Arbeitgeber und leitenden Führungskräften
19. April 2016 / by kanzleiKerner

In guten wie in schlechten Tagen

Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis

Es gehört ja schon zum guten Ton, über das Management des sich im Bau befindlichen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) entsetzt zu sein. Der geplante Betriebsbeginn ist fast neun Jahre überschritten, die geplanten Baukosten sind um fünf Milliarden Euro überschritten – Steuergeld. Man regt sich also auf oder macht sich lustig, je nach persönlicher Vorliebe.

“Es gab unterschiedliche Vorstellungen in der Pressearbeit.”

Daniel Abbou war seit Januar PR-Chef des BER und wollte sich in einem Interview auch einmal freimütig geben: Es sei “zu viel verbockt” und “zu viele Milliarden in den Sand gesetzt” worden, sagte Abbou. Seinen Chef bezeichnete er als “selbstherrlich” und “weinerlich”. Seine Bilanz: “Kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen”.

Das Interview war nicht mit der Geschäftsleitung abgestimmt, Abbou wurde sofort freigestellt, inzwischen hat man sich wegen unterschiedlicher Vorstellungen in der Pressarbeit “einvernehmlich getrennt”.

Das wird man doch wohl noch sagen dürfen

Darf ein Angestellter also nicht öffentlich sagen, was jeder andere sagen darf, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen? Immerhin ist die Meinungsfreiheit der Wert in unserer Verfassung schlechthin. Sie schützt auch scharfe Kritik und Polemik, wie sie Abbou geäußert hat.

Die Frage ist trotzdem klar zu beantworten: Nein, ein Arbeitnehmer darf sich nicht genauso wie ein Nichtarbeitnehmer über seinen Arbeitgeber äußern. Damit ist nicht gemeint, dass es intern wohl zu Spannungen kommt, wenn Sie öffentlich Ihren Chef kritisieren, sondern ein solches Verhalten kann eine echte arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen, deren Bandbreite an Konsequenzen von Abmahnung bis fristlose Kündigung reicht.

Warum ist das so, wenn die meisten Arbeitnehmer im Gegensatz zu Herrn Abbou nicht dafür eingestellt wurden, Ihren Arbeitgeber in ein gutes Licht zu rücken? Weil “Arbeit gegen Geld” der Komplexität des Arbeitsverhältnisses nicht gerecht wird. Schließen Sie einen Arbeitsvertrag, wird das gesamte allgemeine Zivilrecht “mitgekauft”, unter anderem die so genannten vertraglichen Nebenpflichten. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet beide Vertragsparteien zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen. Mit Abschluss des Arbeitsvertrags entstehen per Gesetz Loyalitätspflichten. Das Grundrecht des Arbeitnehmers auf Meinungsfreiheit besteht natürlich gleichwohl im Arbeitsverhältnis fort, es wird allerdings durch die selbstgewählte Vertragsbeziehung begrenzt.

Nun widerspricht es in der Regel dem Interesse des Arbeitgebers, öffentlich kritisiert zu werden; und zwar nicht nur von dem Chef seiner PR-Abteilung, sondern von sämtlichen Arbeitnehmern. In der Regel widersprechen kritische Äußerungen gegenüber Kunden, Kollegen und im halböffentlichen Kreis einschließlich öffentlich einsehbarer facebook- und Xing-Profile den Interessen des Arbeitgebers.

Loyalität ist aber nicht zu verwechseln mit verordneter Begeisterung. PR für die Firma kann der Arbeitgeber nicht verlangen, wenn sie nicht zum Inhalt des Arbeitsvertrags gehört. Zurückhaltung kann er aber verlangen. Insbesondere kann er verlangen, dass Probleme zunächst intern angesprochen werden.

Was Arbeitnehmer nicht dürfen

Was ein Arbeitnehmer sagen darf, hängt davon ab, in welchem Umfang die Pflicht zur Loyalität und das Recht auf Meinungsfreiheit miteinander kollidieren.

Die Meinungsfreiheit deckt von vorneherein keine unwahren Behauptungen und auch keine ehrverletzenden Äußerungen, die über scharfe Polemik hinausgehen. Bei solchen Äußerungen besteht daher auch keine Kollision zwischen Loyalitätspflicht und Meinungsfreiheit, sie widersprechen grundsätzlich der Loyalitätspflicht und rechtfertigen arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Absolut tabu in diesem Sinne sind daher Vergleiche des Arbeitgebers mit den Zuständen im Dritten Reich und strafrechtlich relevante Beleidigungen (“Menschenschinder und Ausbeuter”).

Auch öffentlich geäußerte unternehmensschädigende Äußerungen verletzen regelmäßig die vertragliche Loyalitätspflicht („Bananenprodukt – reift beim Kunden“).

Werden dann noch vertrauliche Interna oder gar Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse öffentlich gemacht, dürfte stets eine Pflichtverletzung vorliegen.

Geschuldet ist ein “gewisses situatives Loyalitätsverhalten”

Im Übrigen schuldet der Arbeitnehmer ein “gewisses situatives Loyalitätsverhalten”. Diese umständliche Formulierung des Landesarbeitsgerichts Brandenburg bedeutet, dass wenn sich die Äußerung grundsätzlich im Rahmen der Meinungsfreiheit hält, es darauf ankommt, wie sachlich die Äußerung ist und in welcher Position sich der Arbeitnehmer befindet.

Wie viel Zurückhaltung gefordert werden kann, hängt also unter anderem davon ab, ob der Arbeitnehmer eine Vertrauensposition im Unternehmen bekleidet.

Beschwert sich beispielsweise ein Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung in einem Sozialen Netzwerk, dass ältere Kollegen in seinem Unternehmen nicht ausreichend wertgeschätzt werden und bleibt diese Kritik sachlich, dürfte die Meinungsfreiheit überwiegen.

Äußert allerdings der PR-Chef des Berliner Flughafens, man müsse schon medikamentenabhängig sein, um noch Garantien für den Flughafen zu geben, dürfte das angesichts seiner Vertrauensstellung und der Situation in einem Zeitungsinterview eine Verletzung der Loyalitätspflicht darstellen.

Mögliche Konsequenz: Kündigung

Wenn die Äußerung entweder schon gar nicht von der Meinungsfreiheit umfasst ist oder aber die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers hinter seiner Loyalitätspflicht zurücktritt, liegt eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflichtverletzung vor.

Möchte sich der Arbeitgeber aus diesem Anlass von seinem Arbeitnehmer trennen, ist zu prüfen, ob zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden muss. In der Regel wird das Vertrauen im Arbeitsverhältnis durch eine solche Äußerung schwer beschädigt sein. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 die bis dahin geltende Rechtsprechung aufgegeben, wonach Arbeitgeber bei Störungen im Vertrauensbereich automatisch auf eine Abmahnung verzichten und sofort kündigen können. Es ist aber nach wie vor so, dass bei schweren Vertrauensbrüchen eine Abmahnung entbehrlich ist.

Je nach Schwere des Verstoßes, insbesondere bei Beleidigungen, ist daher eine außerordentliche Kündigung die mögliche Konsequenz.

Noch nicht gerichtlich geklärt ist, welche Konsequenzen aus Zustimmungen von Arbeitnehmern zu entsprechenden Äußerungen Dritter gezogen werden können, insbesondere bei „Zustimmungsklicks“ in Sozialen Netzwerken (Gefällt-mir-Button).

Hinweise für Arbeitnehmer

Feste Richtlinien, welche Äußerungen sanktionslos bleiben, gibt es nicht. Es kommt auf verschiedene Faktoren, vor allem auf Ihre Stellung im Unternehmen und die Sachlichkeit der Äußerung an. Wenn Sie auf der sicheren Seite sein wollen, ist etwas Zurückhaltung anzuraten.

Das „ganz normale Aufregen“ über den Arbeitgeber, wie es überall gelegentlich einmal und häufig auch verständlicherweise vorkommt, ist übrigens, solange Sie Betriebsinterna für sich behalten, im privaten Kreis unproblematisch – und auch, wenn Sie Ihre Privatsphäreeinstellungen in den Sozialen Netzwerken entsprechend vornehmen.

Hinweise für Arbeitgeber

In der Regel gibt es mit Mitarbeitern, die öffentlich bzw. in öffentlich einsehbaren Sozialen Netzwerken das Unternehmen diskreditieren noch weitere Probleme. Stellt die Äußerung des Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung dar, tritt also die Meinungsfreiheit wegen der Schwere der Äußerung zurück, ist das Vertrauensverhältnis spätestens jetzt zerstört. Für gewöhnlich gilt es in dieser Situation, eine Trennungsperspektive zu erarbeiten.

Fazit

Das Thema Loyalitätspflicht ist komplex, es kollidieren Grundrechte auf beiden Seiten, jeweils konkretisiert durch die automatisch mit vereinbarten vertraglichen Pflichten.

Da sich das Thema nicht schematisch bearbeiten lässt, hängt das Ergebnis vor Gericht häufig schlicht von der Einschätzung des Richters ab, ob „das noch in Ordnung sein kann“. In einem Prozess muss es daher für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen darauf ankommen, den eigenen Standpunkt exakt und nachvollziehbar zu verdeutlichen.

Noch Fragen?

Haben Sie Fragen zu dem Thema arbeitsvertragliche Nebenpflichten? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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