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Richterhammer und Justitia im Hintergrund
13. Oktober 2015 / by Katja Kläfker

Kein Lohn für nicht durchführbare Arbeitsverhältnisse

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.08.2015

Im absoluten Regelfall entsteht ein Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Arbeitsvertrages, bevor der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufnimmt. Das kann auch durch mündliche Vereinbarung geschehen, ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist für die Begründung eines wirksamen Arbeitsverhältnisses nicht notwendig.

Es kann aber auch vorkommen, dass Arbeitsverhältnisse rückwirkend begründet werden, der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme also nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegt.

Der entschiedene Fall

So lag der Fall bei einer Frau, die seit den 80er Jahren bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt war. Mit Wirkung vom 01.01.1987 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf eine neu gegründete Gesellschaft über. An diese neu gegründete Gesellschaft wurde die Frau übergeben, wobei ihr ein Rückkehrrecht eingeräumt wurde.

Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet, der späteren Klägerin wurde wegen Betriebsschließung zum 31.01.2010 gekündigt. Sie machte daraufhin ihr Rückkehrrecht bei ihrer ehemaligen Arbeitgeberin geltend. Mit Erfolg: Vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wurde die ehemalige Arbeitgeberin im Jahr 2013 verurteilt, das Angebot der Frau auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zum 01.02.2010 anzunehmen. Das Gericht hatte also die Gesellschaft dazu verurteilt, mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag zu schließen, wobei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (fiktiv) in der Vergangenheit lag. Auf diese Weise entstand zwischen den Parteien ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis seit der Zeit des Rückkehranspruchs.

Die Klägerin verlangte nun rückständigen Lohn für die Zeit von dem – im Nachhinein geschaffenen – Vertragsschluss bis zum tatsächlichen Arbeitsantritt mehrere Jahre später. Sie machte geltend, in dieser Zeit zwar nicht für die Beklagte gearbeitet zu haben, ihr stünde aber Annahmeverzugslohn zu. Diese Argumentation folgt der allgemeinen Regel, dass Lohn auch dann zu zahlen ist, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt.

Das Urteil

Mit dieser Klage hatte sie in letzter Instanz keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied mit Urteil vom 19.08.2015 anders als die Vorinstanzen, dass Annahmeverzugslohn nur bei einem tatsächlich durchführbaren Arbeitsverhältnis geschuldet sein kann. Das sei aber nicht der Fall bei einem Arbeitsverhältnis, das erst rückwirkend geschaffen worden ist.

Auch ein Anspruch auf Schadenersatz steht der Klägerin nach dem Urteil nicht zu. Voraussetzung eines solchen Anspruchs wäre gewesen, dass der Arbeitgeberin ein Verschulden vorzuwerfen war, als sie der Arbeitnehmerin die Rückkehr verweigerte. In dem entschiedenen Fall konnte sich die Arbeitgeberin aber auf ein älteres höchstrichterliches Urteil berufen, wonach in einem ähnlichen Fall kein Wiedereinstellungsanspruch gegeben war. Die Beklagte befand sich daher in einem entschuldbaren Rechtsirrtum und hatte die Wiedereinstellung nicht schuldhaft veweigert.

Fazit

Der Annahmeverzugslohn ist eine Ausnahme des Grundsatzes “Ohne Arbeit kein Lohn”. Der Arbeitnehmer erhält seinen Lohn dennoch, da der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Die genauen Voraussetzungen, nach denen Verzugslohn zu zahlen ist, sind gesetzlich nicht geregelt, so dass die Rechtsprechung hier die Grenzen festlegt. Das Bundesarbeitsgericht hat nun die Grenze dort gezogen, wo ein Arbeitsverhältnis erst rückwirkend begründet wird. Für derartige Konstellationen bietet das Schadenersatzrecht den gerechteren Ausgleich.

Trotz der eher seltenen Ausgangslage kommt dem aktuellen Urteil grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Urteilsbegründung kann für vergleichbare Konstellationen herangezogen werden – etwa bei Übernahmeansprüchen Auszubildender.

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