Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.02.2017
Frontal 21 ist ein investigatives Magazin des ZDF. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn ein Thema der Sendung gelautet hätte: „Werden wir für gleiche Arbeit gleich bezahlt?“ Diese Frage stellte eine Reporterin, die für Frontal 21 arbeitet, allerdings nicht in einem Interview, sondern mit einer Klageschrift vor dem Arbeitsgericht Berlin.
Die Arbeitnehmerin arbeitet als Redakteurin für das ZDF. Sie war der Ansicht, sie erhalte wegen ihres Geschlechts eine geringere Vergütung als ihre männlichen Kollegen. Nach Angaben ihrer Anwälte versuchte sie jahrelang, Einvernehmen über ein höheres Honorar mit ihrer Arbeitgeberin zu erzielen. Diese Bemühungen blieben erfolglos. Sie wollte daher gerichtlich in einem ersten Schritt Auskunft über das Gehalt der Kollegen und in einem zweiten Schritt Schadensersatz für die Ungleichbehandlung in Höhe von 70.000,00 €.
Das Arbeitsgericht Berlin entschied, dass der Klägerin weder Auskunft noch Entschädigung zusteht. Für einen Auskunftsanspruch fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Sie habe außerdem keine vergleichbaren männlichen Kollegen benannt, die eine höhere Vergütung erhalten sollen und könne darüber hinaus keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine Diskriminierung vortragen (Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.02.2017, Az. 56 Ca 5356/15, Zur Pressemitteilung (externer Link)).
Die Anwälte der Klägerin bekunden allerdings bereits jetzt, dass der Richter nach ihrer Wahrnehmung voreingenommen gewesen sei. Er soll Anhaltspunkte für eine Diskriminierung nicht ausreichend gewürdigt haben. Er soll etwa auf die Frage der Klägerin, warum Männer mit weniger Berufserfahrung mehr verdienten geantwortet haben: „Weil sie besser verhandelt haben?“.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Arbeitgebern eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Hierzu gehört natürlich auch eine unterschiedliche Bezahlung aufgrund des Geschlechts. Um dies festzustellen, muss allerdings die Klägerin Indizien darlegen, wonach sie gerade als Frau diskriminiert wird. Es herrscht grundsätzlich Verhandlungsfreiheit beim Gehalt, das Bundesarbeitsgericht verlangt daher eine strukturelle Ungleichbehandlung als Indiz. Dafür müssen sich die männlichen Vergleichsarbeitnehmer (je mehr, desto besser) in grundsätzlich derselben Position befinden wie die Frau. Das funktioniert natürlich auch umgekehrt als Entgeltdiskriminierung eines Mannes, ist aber deutlich seltener.
Hier hatte die Klägerin im Prozess ein Problem. Sie verglich sich mit verschiedenen Kollegen, aber keiner davon war aus Sicht des Gerichts in derselben Situation wie die Klägerin. Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht, nach der bisherigen Berichterstattung handelte es sich aber bei der Klägerin um eine freie oder fest-freie Mitarbeiterin, die die Gehälter ihrer festangestellten Kollegen heranzog. Hier mag es Ungleichheiten geben, die auch unfair sein mögen – zur Beurteilung einer Geschlechterdiskriminierung ist das nicht tauglich. Außerdem soll sich die Klägerin mit deutlich älteren Arbeitnehmern verglichen haben, wobei diese aufgrund ihrer Berufserfahrung, und eben nicht gerade wegen ihres Alters oder ihres Geschlechts, mehr verdienten. Auch auf diese Weise lässt sich eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung nicht begründen.
Schließlich kam die Klägerin mit ihrem Auskunftsanspruch nicht weiter. Eine Rechtsgrundlage hierfür gibt es noch nicht. Das soll sich bald ändern, jedenfalls für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern (Stichwort Entgeltgleichheitsgesetz). Dann können Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitgeber zur Auskunft zwingen. Schon jetzt dürfen übrigens die Kollegen untereinander ihre Gehälter vergleichen, auch wenn der Arbeitsvertrag das vermeintlich untersagt (Landesarbeitsgericht Rostock, Az. 2 Sa 237/09).
Die Klägerin wird nach eigener Angabe Berufung bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Je nach der dortigen Entscheidung kann der Fall hiernach auch vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt werden. Dieses hat im Fall Emmely (zum Thema hier) schon einmal ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin aufsehenerregend aufgehoben. Sollten sich die Parteien nicht noch außergerichtlich einigen, dürfte der Fall also spannend bleiben.
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