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27. April 2017 / by kanzleiKerner

Darf der Arbeitgeber den Browserverlauf auswerten?

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.01.2016 / Vergleich vor dem Bundesarbeitsgericht vom 12.04.2017

Der 47-jährige Arbeitnehmer war als Gruppenleiter tätig. Als solcher verfügte er über ein Einzelbüro sowie über einen betrieblichen PC mit Internetanschluss. Seine Arbeitszeit dokumentierte er elektronisch. Im Rahmen einer Überprüfung stellte sich heraus, dass über den Rechner ein erhebliches Datenvolumen genutzt wurde. Der Mitarbeiter gab sodann zu, den Rechner auch privat zu nutzen, z.B. für ebay und amazon. Er sei davon ausgegangen, dass dies zulässig sei. Der Arbeitgeber argumentierte hingegen, über das Intranet sei eine IT-Richtlinie veröffentlicht gewesen, die den privaten Internetgebrauch untersage.

Was war passiert?

Dem späteren Kläger wurde fristlos gekündigt, er erhob Kündigungsschutzklage. Im Prozess trug der Arbeitgeber sodann vor, man habe den Browserverlauf des Mitarbeiters ausgewertet, hierbei seien über den Zeitraum von 30 Arbeitstagen 16.369 private Seitenaufrufe festgestellt worden. Selbst unter Zugrundelegung einer Surfdauer von nur 10 Sekunden pro Klick habe der Kläger im betrachteten Zeitraum insgesamt 45,47 Stunden mit privatem Surfen verbracht, davon beinahe 6.000 Mal auf die Partnerbörse finya.de und beinahe 2.000 Mal auf pornografische Seiten, vorwiegend mit fetischistischen Darstellungen, zugegriffen. Ferner hatte der Mitarbeiter scheinbar pornografisches Bildmaterial sowie illegal Musik gedownloadet. Schließlich habe er wohl auch den Film The Wolf of Wall Street gedownloadet. Eine Zeugin hatte ausgesagt, dass der Kläger immer stets die aktuelle Internetseite schloss, wenn jemand sein Büro betrat.

Der Kläger wehrte sich gegen die außerordentliche Kündigung insbesondere mit dem Argument, ein kategorisches Verbot der privaten Internetnutzung habe nicht bestanden und sein Persönlichkeitsrecht lasse eine Auswertung des Browserverlaufes nicht zu. Daher dürfte diese Auswertung auch nicht als Beweis verwendet werden. Aus diesem Grunde forderte er außerdem ein Schmerzensgeld wegen der erfolgten Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Entscheidung erster Instanz

Das Landesarbeitsgericht urteilte, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt war. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger das Internet exzessiv zu privaten Zwecken genutzt hatte und damit seine Arbeitspflicht verletzte. Eine Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in umso schwerer Form vor, je mehr ein Arbeitnehmer seine Pflicht zur Arbeit wegen der Internetnutzung zeitlich und inhaltlich vernachlässigt. Selbst wenn man eine tägliche Pause von 30 Minuten berücksichtigt, verbleibe ein Zeitraum von insgesamt etwa 3 Arbeitstagen im streitigen Zeitraum, in denen der Kläger seine Zeit mit privatem Surfen verbrachte. Dass die Aufrufe nicht mit dienstlichem Hintergrund erfolgten, war hinsichtlich der Seiten ebay.de und amazon.de sowie einiger anderer unstreitig, hinsichtlich der pornografischen Seiten für das Gericht aufgrund ihrer Natur offensichtlich.

Das Gericht stellte sich sodann auf den Standpunkt, dass die Ergebnisse dieser Auswertung auch verwertbar sind. Es bestehe kein aus dem Persönlichkeitsschutz resultierendes Beweisverwertungsverbot. Zwar handelt es sich bei den Protokollierungen eines Internetbrowsers um personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 BDSG). Diese werden auch im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes erhoben, verarbeitet und gespeichert. Nach Auffassung des Gerichtes gestattete jedoch § 32 BDSG („Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“) die Erhebung und Speicherung der Verlaufsdaten des Browsers und auch dessen Auswertung. Das sei deshalb der Fall, weil die Daten zur Missbrauchskontrolle gespeichert werden. Der Arbeitgeber habe ein legitimes Interesse daran, zu überprüfen, ob gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen werde.

Aus diesen Gründen war der Arbeitgeber aus Sicht des Landesarbeitsgerichts zur (fristlosen) Kündigung berechtigt. Die Umstände wogen so schwer, dass der Arbeitgeber auch nicht angesichts einer 16-jährigen unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit des Klägers das Arbeitsverhältnis zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortsetzen musste.

Revision vor dem Bundesarbeitsgericht

Der Arbeitnehmer ging sodann in Revision. Vor dem Bundesarbeitsgericht wurde aktuell ein Vergleich zwischen den Parteien geschlossen, so dass es zu einem Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts nicht mehr kommt.

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts für die Fälle „Zulässigkeit der Browserverlaufsauswertung nach privatem Internetsurfen“ wäre natürlich wünschenswert gewesen, diese Konstellation ist höchstrichterlich noch ungeklärt. Allerdings muss man wohl auch sehen, dass die rapide Verbreitung mobilen Datenvolumens absehbar dazu führen wird, dass Surfen im Internet vorwiegend auf den eigenen Geräten der Arbeitnehmer stattfinden wird. Oder anderes gefragt: Wer schaut denn heute noch auf einem Firmencomputer nach seinen E-Mails? Hier stellt sich dann ein anderes Problem der Beweisbarkeit.

Unabhängig davon ist Arbeitgebern zu raten, klare Regeln für die private Internetnutzung zu schaffen, denn dies steigert die Chancen, dass auch eine etwaige Auswertung des Browserverlaufs als berechtigt bewertet wird. Die Fragen, die sich ein Arbeitgeber hier stellen sollte: Möchte ich private Internetnutzung überhaupt zulassen? Und falls ja, in welchem Rahmen, also in einem bestimmten Umfang oder für bestimmte Seiten / einen Komplex bestimmter Seiten? Und wie soll die Überwachung ausgestattet sein? Die Form der Überwachung ist übrigens ein Thema für sich und hochsensibel, hier darf ein Arbeitgeber nicht übers Ziel hinausschießen und bedarf auch der Mitbestimmung eines eventuell vorhandenen Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Arbeitnehmern ist hingegen schlicht zu raten: Halten Sie sich an die entsprechenden Vorgaben, alles andere kann zu Abmahnungen oder schlimmstenfalls zu einer Kündigung führen. Wie Sie sich zu verhalten haben, falls es keine Regelung gibt lesen Sie hier.

Haben Sie Fragen zu dem Thema verhaltensbedingte Kündigung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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