Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.10.2016
Manchmal läuft ein Arbeitsverhältnis nicht so gut. Und manchmal läuft es richtig schlecht, so schlecht, dass (meistens) der Arbeitgeber einen Schlussstrich ziehen will und zwar nicht irgendwann, sondern sofort. Wann funktioniert das?
Es gibt im Wesentlichen drei Arten, ein Arbeitsverhältnis zu kündigen: Mit Einhaltung der Kündigungsfrist („ordentlich“), fristlos („außerordentlich“) oder als „außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist“, dieser Fall ist eher selten und soll uns hier nicht weiter interessieren (bei Interesse hier).
Fristlos: Nur schnell und nur mit wichtigem Grund
Um eine fristlose Kündigung wirksam auszusprechen braucht es mehr als einen Grund zur Kündigung. Es muss einen „wichtigen Grund“ geben (§ 626 BGB). Das ist der Fall, wenn man folgende Frage mit Ja beantworten kann: Ist es unter Berücksichtigung auch der Interessen des Arbeitnehmers unzumutbar, dass die Kündigungsfrist eingehalten wird?
Hinzu kommt ein zeitliches Element: Wird die Kündigung nicht binnen zwei Wochen nach Bekanntwerden des wichtigen Grundes ausgesprochen, ist sie in der Regel unwirksam (Argument: „Dann kann es ja so schlimm nicht gewesen sein.“).
Was ist denn ein „wichtiger“ Grund?
Das kommt darauf an, wen Sie fragen. „Wichtiger Grund“ und „unzumutbar“ sind Gummibegriffe, juristisch gesagt unbestimmte Rechtsbegriffe. Der Rechtsunsicherheit wird ein Stück weit begegnet, indem Urteile – insbesondere der oberen und obersten Instanzen – daraufhin untersucht werden, ob die fristlose Kündigung mit den dortigen Gründen gehalten hat. Geschieht dies öfter in ähnlichen Fällen, kann man davon ausgehen, dass es auch dabei bleibt.
So stellt man fest, dass Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers beinahe immer eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dazu zählt im Ergebnis auch vorgetäuschte Krankheit, welche, wenn sie nachgewiesen werden kann, immer zur fristlosen Kündigung berechtigt. Auch unentschuldigtes Fehlen oder Selbstbeurlaubung in erheblichem Ausmaß (auf jeden Fall mehr als ein Tag) ist als wichtiger Grund anerkannt. Das gleiche gilt für Körperverletzungsdelikte zu Lasten des Arbeitgebers und häufig auch solche zu Lasten anderer Mitarbeiter. Ferner ist eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit ein typischer Grund, der eine fristlose Kündigung begründen kann.
Reichen Äußerungen?
Ja, im Extremfall reichen Äußerungen, wenn ein Mitarbeiter gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder in „redenden Berufen“ gegenüber Kunden grob gegen die Regeln des Anstands verstößt. Entsprechende Entgleisungen können (nicht müssen) das Arbeitsverhältnis so nachhaltig stören, dass eine Fortsetzung dem Arbeitgeber unzumutbar ist. Das gilt insbesondere für Vergleiche oder Gleichsetzungen mit den Verhältnissen im Dritten Reich.
Beispiele:
„Besser eine Frau mit Charakter als drei Schlampen.“ gegenüber der Vorgesetzten und zwei Mitarbeiterinnen rechtfertigte die fristlose Kündigung (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.06.2011, Az. 5 Sa 509/10)
„Nun werden Sie mal nicht so pissig.” gegenüber einem Kunden rechtfertigte die fristlose Kündigung (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.10.1998, Az. 5 Sa 309/98)
Behauptung, der Arbeitgeber lüge wie gedruckt und wie er mit Menschen umgehe, da komme er (der Arbeitnehmer) sich vor wie im Dritten Reich rechtfertigte die fristlose Kündigung (LAG Hessen, Urteil vom 14.09.2010, Az. 3 Sa 243/10)
Aktuell: „Du bist ein heil, du Nazi!”
Aktuell hatte das Arbeitsgericht Hamburg den Fall zu beurteilen, ob ein türkischstämmiger Arbeitnehmer wegen des Zeigens des Hitlergrußes in Verbindung mit einer Beleidigung fristlos gekündigt werden konnte.
Was war passiert? Der Arbeitnehmer war bei einem Patiententransportunternehmen als Fahrer angestellt. Dieser hatte im Streit im Jahr 2015 mit dem Betriebsratsvorsitzenden seinen Arm zum Hitlergruß gehoben und gesagt: „Du bist ein heil, du Nazi!”. Der Arbeitgeber kündigte fristlos. Hiergegen wehrte sich der Arbeitnehmer unter anderem mit dem Argument, er sei türkischer Abstammung, weshalb er kein deutsch-nationalsozialistisches Gedankengut aufweisen könnte. Das überzeugte das Arbeitsgericht nicht, die Kündigung wurde für wirksam erklärt (Urteil Arbeitsgericht Hamburg vom 20.10.2016, Az. 12 Ca 348/15). Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, dass die Geste des Hitlergrußes nun einmal ein nationalsozialistisches Kennzeichen darstelle, in diesem Fall noch verstärkt durch die Beleidigung, das in einem Arbeitsverhältnis nicht hingenommen werden brauche. Die Abstammung des Klägers beinhaltet nach Ansicht des Gerichts keine Antwort auf die Frage nach seiner inneren Haltung.
Aktuell: Die Verkehrskontrolle und das Chrystal Meth
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich aktuell mit einem anderen Grund für eine fristlose Kündigung zu beschäftigen: Drogenkonsum. Kompliziert ist eine (fristlose) Kündigung immer, wenn der Vorfall, der die Kündigung begründen soll, nicht im Betrieb geschehen ist und / oder nicht mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang steht (näher dazu hier). Ein Beispiel hierfür sind Süchte: Konsumiert ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit Suchtmittel, kann dies für sich genommen eine fristlose Kündigung nicht begründen; das geht nur über den Umweg eines hierdurch ausgelösten Fehlverhaltens. So war es in dem entschiedenen Fall:
Der Arbeitnehmer war Berufskraftfahrer. Am Samstag, den 11.10.2014, konsumierte er Chrystal Meth (Methamphetamin), eine aufputschende Droge. Am Dienstag, den 14.10.2014, geriet er im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit in eine Verkehrskontrolle, wo der vorangegangene Konsum, aber keine akute Fahruntüchtigkeit festgestellt wurde. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Fahrer fristlos mit der Begründung, es sei unverantwortlich, ihn als Fahrer weiterzubeschäftigen. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitnehmer Recht, da eine Fahruntüchtigkeit nicht festgestellt wurde. Das Bundesarbeitsgericht sah dies in letzter Instanz anders, wies die Kündigungsschutzklage ab und erklärte die fristlose Kündigung für wirksam (Urteil Bundesarbeitsgericht vom 20.10.2016, Az. 6 AZR 471/15). Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die typischerweise aus der Einnahme von Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers resultierenden Gefahren dies rechtfertigen.
Fazit
Dem Gesetzgeber ist es wichtig, dass ein Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres zu sofort vor die Tür gesetzt werden kann. Warum? Weil das aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Gehalt in aller Regel die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers darstellt. Die auf die Kündigung hin kontaktierte Arbeitsagentur wird eine Sperrfrist von 12 Wochen verhängen (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Das Arbeitszeugnis wird sehr wahrscheinlich ein ungerades Beendigungsdatum aufweisen, bei erfahrenen Personalverantwortlichen ein Indiz für eine fristlose Kündigung. Kurz: Für den Arbeitnehmer hat die fristlose Kündigung äußerst harte Folgen und ist deshalb an strenge Bedingungen geknüpft.
Liegt nachweislich ein „Klassiker“ vor – arbeitsbezogene Straftaten, Verstöße im Vertrauensbereich – kann ein Arbeitgeber sich seiner Sache recht sicher sein. Im Übrigen ist wie immer im Arbeitsrecht das beiderseitige Interesse abzuwägen und zu schauen, ob der Vorfall für eine fristlose Kündigung mit ihrer hohen Hemmschwelle ausreichend ist. Hier ist letzten Endes gesunder Menschenverstand gefragt.
Noch Fragen?
Haben Sie Fragen zu dem Thema fristlose Kündigung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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