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8. März 2018 / by kanzleiKerner

Allzeit bereit! Neues zu Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

Lange Nächte, gedanklich stets auf Abruf und immer wieder „Sorry, kann leider nicht, ich habe Bereitschaft.“ – Bereitschaftsdienst ist nervig bis belastend und für manch einen sogar ein Grund, bestimmten Berufen oder Institutionen den Rücken zu kehren.

Auch uns Arbeitsrechtler beschäftigt dieser Zeitraum, der nicht wirklich Arbeit ist, aber auch keine Freizeit. Deshalb hier das Wichtigste und die Besprechung des aktuellen EuGH-Urteils zum Thema.

Bereitschaftsdienst ist eine im Voraus bestimmte Zeit, während der ein Arbeitnehmer sich zwar in der Regel nicht an seinem eigentlichen Arbeitsplatz befindet, die Arbeit aber bei Abruf schnellstmöglich aufnehmen können muss. Der Arbeitnehmer muss sich also entweder im Betrieb aufhalten (echter Bereitschaftsdienst) oder ständig erreichbar sein (Rufbereitschaft). Besonders verbreitet sind Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, aber auch im Rettungsdienst und in bestimmten Dienstleistungssektoren, beispielsweise im Bahnverkehr oder IT-Support.

Solange kein Arbeitsabruf erfolgt, kann der Arbeitnehmer seine Zeit beliebig gestalten, also schlafen, essen, lesen und ähnliches. Er darf sich allerdings nicht dem Zweck der Arbeitsbereitschaft zuwider verhalten, also z.B. weder Drogen noch erhebliche Mengen Alkohol konsumieren. Dies auch unabhängig davon, ob sich konkrete Vorgaben im Arbeitsvertrag finden – diese Pflicht zum „bereitschaftskonformen Handeln“ ergibt sich aus dem Arbeitsverhältnis als solchem als Nebenpflicht.

Bei der Rufbereitschaft darf sich der Arbeitnehmer zusätzlich nur so weit von dem potenziellen Einsatzort entfernen, dass eine Arbeitsaufnahme in angemessener Zeit noch gewährleistet ist. Spontane Trips ins Ausland, aber auch ins weiter entfernte Umland, sind also tabu. Wird dem Arbeitnehmer zusätzlich ein fester Radius oder eine maximale Dauer bis zum Erscheinen vorgeschrieben, handelt es sich unter Umständen nicht mehr um reine Rufbereitschaft, siehe dazu die Besprechung des aktuellen EuGH-Urteils weiter unten.

Im Jahr 2003 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der echte Bereitschaftsdienst, bei dem der Arbeitnehmer sich im Betrieb aufhält, insgesamt Arbeitszeit ist (BAG, Urteil vom 05.06.2003, Az. 6 AZR 114/02). Rufbereitschaft hingegen, also das Bereithalten bei freier Wahl des Aufenthaltsortes, ist jedenfalls solange keine Arbeitszeit, wie der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit herangezogen wird (EuGH, Urteil vom 03.10.2010, Rs. C-303/98).

Das bedeutet, dass grundsätzlich nach und vor Bereitschaftsdienst, nicht aber bei Rufbereitschaft ohne Arbeitseinsatz, die 11-stündige Ruhezeit des § 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einzuhalten ist. In bestimmten Betrieben kann diese Zeit nach § 5 Abs. 2 ArbZG auf 10 Stunden verkürzt werden, beispielsweise in Krankenhäusern, Verkehrsbetrieben und in der Landwirtschaft. Für Krankenhäuser und Betreuungseinrichtungen kann die Ruhezeit sogar auf 5 Stunden verkürzt werden, wenn diese Verkürzung wieder ausgeglichen wird.

Der EuGH hat aktuell entschieden, wann Rufbereitschaft mit einer zeitlichen Maximalentfernung vom Arbeitsort Arbeitszeit ist.

Geklagt hatte ein belgischer Feuerwehrmann, der in einer Woche monatlich abends und am Wochenende Rufbereitschaft zu leisten hatte, wobei er seine Feuerwache „bei normalem Verkehrsfluss“ in maximal acht Minuten erreichen können musste. Der EuGH entschied, dass die Zeiten dieser Rufbereitschaft vollständig Arbeitszeit sind mit der Folge, dass die maximal zulässigen Höchstarbeitszeiten pro Tag und pro Woche nach den Arbeitszeitgesetzen einzuhalten sind.

Der EuGH begründete diese Entscheidung damit, dass die Höchstarbeitszeiten dem Gesundheitsschutz dienen und zu diesem Zweck müssten Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeit klar getrennt werden können. Die bisherige Trennung zwischen Bereitschaftsdienst (Arbeitszeit) und Rufbereitschaft (keine Arbeitszeit) könne bei der einschränkenden Vorgabe, dass der Arbeitnehmer seinen Einsatzort binnen acht Minuten erreichen können muss, nicht aufrechterhalten werden. Dies sei vielmehr eine solche Beschränkung der Freizeit, dass dieser Zeitraum daher alleine Arbeitszeit sein könne (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.02.2018, C-518/15, Ville de Nivelles gg. Matzak).

Der EuGH hat zugleich klargestellt, dass er ausschließlich den Gesundheitsschutz nach der europäischen Arbeitszeitrichtlinie geprüft hat; die Vergütung dieser Zeiten war nicht das Thema des Urteils. Hier seien Abweichungen von der gewöhnlichen Bezahlung bis hin zu Null möglich, wenn sie gesondert geregelt würden (dazu näher unten).

Ja, aber…

Da der Arbeitnehmer bei einem Bereitschaftsdienst eingeschränkt ist, muss er eine Vergütung erhalten. Allerdings ist abwartende Tätigkeit weniger anstrengend als reguläre Arbeitstätigkeit, weshalb auch die Vergütung nicht gleich hoch ausfallen muss. Eine gesetzliche Regelung hierzu fehlt, es kommt also auf die – fast immer vorhandenen – tarifvertraglichen Vorgaben an. Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2004 entschieden, dass die Vergütung sich nach dem voraussichtlichen Grad der Heranziehung zur Arbeit bemessen und dann pauschaliert werden darf (BAG, Urteil vom 19.11.2014, Az. 5 AZR 1101/12). Das bedeutet, dass die Vergütung eines Bereitschaftsdienstes beispielsweise eines Notfallseelsorgers 50 {3826537d91c38f8d42de122e87e9e526ad05f6837335344f5142eee66b93d0e3} seiner Vergütung für volle Arbeitstätigkeit betragen kann, wenn voraussichtlich bzw. durchschnittlich während 50 {3826537d91c38f8d42de122e87e9e526ad05f6837335344f5142eee66b93d0e3} des Bereitschaftsdienstes Arbeitstätigkeit anfällt.

Rufbereitschaft belastet den Arbeitnehmer noch weniger als Arbeitsbereitschaft; üblich ist hier ebenfalls eine pauschale Vergütung pro Dienst, welche geringer ausfällt als bei Bereitschaftsdienst (eine gesetzliche Regelung fehlt auch hier).

In Hinblick auf das Mindestlohngesetz, welches den Mindestlohn für „jede Arbeitsstunde“ vorsieht, hatte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2016 geurteilt, dass dies zwar auch für jede Stunde Bereitschaftsdienst gilt. Allerdings gilt: Unterm Strich Mindestlohn. Erreicht die Vergütung geteilt durch die Arbeitsstunden also insgesamt Mindestlohnniveau, ist das ausreichend (BAG, Urteil vom 14.06.2016, hier von uns besprochen).

Haben Sie Fragen zu dem Thema Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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