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7. April 2017 / by kanzleiKerner

Zu schön, um wahr zu sein – Ironie im Arbeitszeugnis

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.11.2016

 

Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis (§ 109 Gewerbeordnung, GewO). Verlief das Arbeitsverhältnis zum Ende hin nicht glücklich, kommt dem Arbeitgeber die Aufgabe zu, ein Spannungsfeld stilvoll aufzulösen: Das Zeugnis muss sowohl wahrheitsgemäß Auskunft über die Leistung des Mitarbeiters geben als auch von verständigem Wohlwollen getragen sein. Missachtet er eine oder beide der Vorgaben, muss er sich gegebenenfalls mit einem arbeitsgerichtlichen Verfahren herumärgern. Entspricht das erteilte Arbeitszeugnis einer Bewertung unterhalb der Notenstufe „glatte 3“ (befriedigend), trägt der Arbeitgeber in diesem Verfahren dann auch die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer schlechter als „3“ war. Andersherum muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er besser als „3“ war. Das ist so oder so nicht leicht, praktisch sogar manches Mal unmöglich.

Aus diesem Grunde achten insbesondere Arbeitnehmervertreter gerne darauf, im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs, z.B. über eine Kündigung, das Zeugnis mit zu regeln. Liegt noch kein wörtlicher Entwurf vor – was der Idealfall wäre, aber praktisch selten umsetzbar ist – kann sich der Arbeitgeber hierbei zur Erteilung einer bestimmten Note verpflichten und / oder das Entwurfsrecht auf den Arbeitnehmer übertragen. So war es in einem Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Hamm sein Ende fand.

Die Parteien führten einen Rechtsstreit über ausstehende Vergütung, Arbeitspapiere und das Arbeitszeugnis. Sie einigten sich vor dem Arbeitsgericht darauf, dass ein Zeugnis erteilt wird, wobei dem Arbeitnehmer ein Entwurfsrecht zusteht; von diesem Entwurf sollte der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen können.

Der Arbeitnehmer übersandte sodann einen entsprechenden Entwurf – von dem der Arbeitgeber auch abwich und zwar, indem er den Arbeitnehmer, jedenfalls vordergründig, noch weit besser beurteilte als verlangt.

So ergaben sich folgende Abweichungen:

Entwurf des ArbeitnehmersZeugnis des Arbeitgebers
stets sicher undzu jeder Zeit sicher und
seiner sehr guten Auffassungsgabeseiner extrem guten Auffassungsgabe
war Herr F immerwar Herr F selbstverständlich immer
Aufgaben mit beispielhaftem EngagementAufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement
auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisseauf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse
seine sehr gut entwickelte Fähigkeitseine extrem gut entwickelte Fähigkeit
haben sich erfreulich entwickelthaben sich äußerst erfreulich entwickelt
Herr F stets ein kompetenterHerr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter
bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnetbei wechselnden Anforderungen immer hervorragend
Wir bewerten ihn mit „sehr gut“.Wenn es eine bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.
Wegen seines freundlichenWegen seines extrem freundlichen
und Kunden war immer vorbildlich.und Kunden war zu jeder Zeit vorbildlich.
für die stets sehr gute Zusammenarbeitfür die stets hervorragende Zusammenarbeit

Der Arbeitnehmer fühlte sich „veralbert“ und verlangte die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber, weil die Pflicht zur Erteilung des gewünschten Arbeitszeugnisses nicht erfüllt sei. Die vorgenommenen Änderungen zogen nach seiner Ansicht den Zeugnistext ins Lächerliche.

Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer in erster Instanz Recht und setzte ein entsprechendes Zwangsgeld fest, womit der Arbeitgeber zur Erteilung des gewünschten Zeugnisses gezwungen werden sollte. Hiergegen wehrte sich der Arbeitgeber.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte dies in zweiter Instanz (Beschluss des LAG Hamm vom 14.11.2016, Az. 12 Ta 475/16). Das Landesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die eigentlich bei dem Arbeitgeber liegende Formulierungshoheit zulässig auf den Arbeitnehmer übertragen wurde. Die Verpflichtung, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von dem vorgeschlagenen Zeugnis abzuweichen, sei grundsätzlich auch erforderlich, sie dient der Sicherstellung der Zeugniswahrheit; ein unwahres Zeugnis braucht niemals erteilt zu werden. So lag der Fall hier aber nicht, ein wichtiger Grund für das Abweichen vom verlangten Zeugnistext lag nicht vor.

Das erteilte Zeugnis zeichnet sich nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts vorrangig dadurch aus, dass die Begriffe gesteigert wurden. „Jeder unbefangene Leser“ – so das Landesarbeitsgericht – werde aber erkennen, dass diese Formulierungen nicht ernst gemeint sind. Das ergibt sich insbesondere aus dem Satz „Wenn es eine bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.“, welchen das Gericht außerdem sprachlich misslungen fand. Das Gericht bestätigte daher die Festsetzung des beantragten Zwangsgeldes in unbekannter Höhe.

Fälle von teurer Ironie kennt man üblicherweise eher aus dem Strafrecht, vorzugsweise der Beamtenbeleidigung (z.B. „Trachtengruppe“). Aber auch wenn ein Arbeitgeber sich ohne guten Grund weigert, dem Arbeitszeugnis-Entwurf des Arbeitnehmers mit Entwurfsrecht, zu folgen, kann das teuer werden – anderes als im Strafrecht sodann per Zwangsgeld, um diesen zur Ausstellung des gewünschten Zeugnisses zu zwingen.

Arbeitgebern, die wirklich nicht damit leben können, einem Arbeitnehmer ein gutes Zeugnis auszustellen, ist daher zu raten, sich weder auf ein solches noch auf ein Entwurfsrecht des Arbeitnehmers zu einigen. Mit „Tricks“ kommt man hier am Ende nicht weiter.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Arbeitszeugnis? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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