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Handshake zwischen dem Arbeitgeber und leitenden Führungskräften
5. Februar 2020 / by kanzleiKerner

Wenn das mit dem Arbeitsverhältnis nicht klappt.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.08.2019 (Az. II ZR 121/16)

Zur Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses bei GmbH-Geschäftsführern

Was ist ein „fehlerhaftes Arbeitsverhältnis“?

Ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis entsteht, wenn bei dem Versuch, ein Arbeitsverhältnis zu begründen ein so gravierender Fehler geschieht, dass die Vertragsgrundlage unwirksam ist oder später durch Anfechtung „vernichtet“ wird und das Arbeitsverhältnis gleichwohl praktisch durchgeführt wird.

Beispiele für anfängliche Unwirksamkeit: Sittenwidrig geringes Gehalt, Geschäftsunfähigkeit einer oder beider Vertragsparteien, Vertragsschluss durch eine nicht berechtigte Person.

Beispiel für nachträgliche Unwirksamkeit: Der Arbeitnehmer hat bei seiner Einstellung hinsichtlich wesentlicher Umstände (z.B. für die Tätigkeit relevante Vorstrafen) gelogen. Als dem Arbeitgeber dies bekannt wird, erklärt er erfolgreich die Anfechtung des Arbeitsvertrags.

Welche Folgen hat ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis?

Konsequenterweise wären im Fall eines fehlerhaften Arbeitsvertrags die Leistungen rückabzuwickeln. Das heißt, der Arbeitnehmer müsste das womöglich für mehrere Jahre erhaltene Gehalt an den Arbeitgeber zurückzahlen und der Arbeitgeber müsste… ja, was eigentlich? Das Arbeitsergebnis an den Arbeitnehmer zurückgeben? Offenkundig ist diese Form der Rückabwicklung eines Arbeitsverhältnisses kaum praktikabel. Aus diesem Grund nennt die Rechtsprechung solche Fälle schon seit Langem „quasi-vertragliche Ansprüche“. Das heißt, es gibt zwar keinen wirksamen Vertrag, aber für die Vergangenheit wird so getan, als ob. Für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung wird das fehlerhafte Arbeitsverhältnis also wie ein normales, fehlerfrei zustande gekommenes Arbeitsverhältnis behandelt. Es besteht entsprechend Anspruch sowohl auf das vereinbarte Gehalt wie auch auf die vereinbarte Arbeitsleistung. Das „Arbeitsverhältnis“ kann allerdings sofort durch einseitige Erklärung beendet werden, eine formale Kündigung ist nicht erforderlich. Entsprechend bedarf diese Erklärung weder der Schriftform noch greift Kündigungsschutz in irgendeiner Form ein, das „Arbeitsverhältnis“ endet ohne Frist.

Das geht manchmal schief: Der Geschäftsführer.

Wie die vergangene Rechtsprechung zeigt, ist eine relativ oft vertretene Gruppe unwirksamer Vertragsverhältnisse die der GmbH-Geschäftsführer. Schon mehrfach musste sich der Bundesgerichtshof mit den Grundsätzen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses im Bereich des Geschäftsführers einer GmbH auseinandersetzen (Warum der Bundesgerichtshof und nicht das Bundesarbeitsgericht? Geschäftsführer gelten grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes. Deshalb müssen sie bei den Zivilgerichten und nicht bei den Arbeitsgerichten klagen. Achtung, diese vereinfachte Einteilung gilt nicht für jeden Einzelfall.).

Zwischen Geschäftsführer und GmbH besteht – in der Regel – kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Anstellungsverhältnis (Dienstvertrag), welches jedoch in weiten Teilen dem Arbeitsverhältnis gleicht. Wird die als Geschäftsführer ausersehene Person fehlerhaft bestellt, wird sie nicht Geschäftsführer. Im Außenverhältnis bewirkt einstweilen die Handelsregisterbekanntmachung den Schutz von Geschäftspartnern. Im Verhältnis von Geschäftsführer zu den übrigen Akteuren in der GmbH, würde diese fehlerhafte Vertragsgrundlage eigentlich dazu führen, dass die ohne Rechtsgrundlage erbrachten Leistungen rückabgewickelt werden. Wie oben gezeigt ist das jedoch – und hier gleicht das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers einem normalen Arbeitsverhältnis – so gut wie unmöglich. Der BGH bedient sich in diesen Fällen daher schon seit vielen Jahren bei dem Gedanken des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses (BGH, Urteil vom 06.04.1964, Az. II ZR 75/62; BGH, Urteil vom 16.01.1995, Az. II ZR 290/93). Das bedeutet:

„Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage eines unwirksamen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds, ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam.“ (BGH, Urteil vom 20.08.2019, Az. II ZR 121/16).

Damit ist aber noch nicht geklärt, wie ein solches „quasi-Vertragsverhältnis“ zu beenden ist. Dies hat der BGH in einem aktuellen Urteil noch einmal aufgearbeitet:

Was war passiert? Geschäftsführer wird fehlerhaft bestellt.

Der spätere Kläger war seit dem Jahr 1993 als Geschäftsführer einer GmbH im Gesundheitswesen mit einem Anstellungsvertrag beschäftigt. Der Vertragsschluss des Anstellungsvertrags erfolgte allein durch den Aufsichtsratsvorsitzenden „für den Gesellschafter“. Satzungsgemäß oblag dem Aufsichtsrat der Abschluss von Anstellungsverträgen.

Im Jahr 2012 weigerte sich der Geschäftsführer mehrfach, einer Gesellschafterweisung nachzukommen, zudem gab es unterschiedliche Ansichten über die Wirksamkeit des Abschlusses des Anstellungsvertrags. In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 17.01.2012 wurde die fristlose Kündigung ihres Geschäftsführers und dessen Abberufung beschlossen. Eine weitere fristlose Kündigung wurde auf Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses am 6. März 2012 ausgesprochen, nachdem ein gegen den Geschäftsführer wegen Untreue geführtes Strafverfahren gegen Geldauflage eingestellt worden war. Gegen die Kündigungen legte der Geschäftsführer Klage ein.

Das Urteil: Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses.

Das Landgericht Neuruppin hatte geurteilt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers durch die fristlosen Kündigungen nicht geendet hatte. Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, dass die dem Kläger vorgeworfenen Verfehlungen keine Pflichtverletzungen von hinreichendem Gewicht darstellen, so dass die Fortsetzung des Angestelltenverhältnisses nicht unzumutbar wurde (LG Neuruppin, Entscheidung vom 31.07.2014, Az. 3 O 42/12). Zumindest die Kündigungsfrist wäre also abzuwarten gewesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil in letzter Instanz abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis am 17. Januar 2012 – dem Tag der ersten fristlosen Kündigung – geendet hat. Zur Begründung erläuterte das Gericht, dass der Anstellungsvertrag durch die GmbH jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden konnte. Die GmbH sei bei dem Abschluss des Anstellungsvertrags nicht durch den Aufsichtsrat und deshalb nicht wirksam vertreten gewesen, weil diesem nach der Satzung der Abschluss von Anstellungsverträgen oblag. Hierbei habe es nicht ausgereicht, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrates den Vertrag geschlossen hat, denn er war nicht entsprechend bevollmächtigt. Der Aufsichtsrat einer GmbH könne nicht bei der Willensbildung vertreten werden (BGH, Urteil vom 06.04.1964, Az. II ZR 75/62).

Der BGH führte weiter aus, dass in diesem Fall die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses sinngemäß heranzuziehen seien. Entsprechend sei der Vertrag für die Dauer der Tätigkeit so zu behandeln, als wäre er wirksam zustande gekommen. Das Anstellungsverhältnis auf dieser Grundlage könne aber für die Zukunft jederzeit – unabhängig vom Vorliegen eines Grundes – aufgelöst werden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass die GmbH nicht auch für die Zukunft an die Regelungen des Anstellungsvertrags gebunden war. Dies deshalb, weil schon die Heranziehung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses Ausdruck eines Interessenausgleichs zwischen GmbH und Geschäftsführer darstelle. So könne zwar ein unwirksamer Anstellungsvertrag auch für Zukunft als verpflichtend angesehen werden, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und durchgeführt haben und die Gesellschaft ihren Vertragspartner durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt habe (BGH, Urteil vom 8. März 1973, Az. II ZR 134/71). Die Parteien hätten im vorliegenden Fall aber bereits seit dem Jahr 2010 darüber gestritten, ob der geschlossene Vertrag wirksam sei. Bestärkende Handlungen habe es ebenfalls nicht gegeben. Eine solche Bindung für die Zukunft – in diesem Fall an die im Vertrag geregelte Kündigungsfrist – gebe es deshalb nicht.

Fazit: Ein Fehler mit massiven Folgen.

Dass der BGH die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses auf Anstellungsverträge von GmbH-Geschäftsführern anwendet, ist ständige Rechtsprechung. Besonders war im vorliegenden Fall die klare Positionierung des BGH, dass einerseits eine gerichtlich angeordnete Fortgeltung des laufenden Vertrags bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist in den Blick genommen wird, deren Voraussetzungen dann aber so hoch angesetzt werden, dass sie kaum jemals zu erreichen sind.

Fehlerhafte Arbeitsverhältnisse, die Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen werden, sind eher selten. Wenn ein solcher Fall allerdings auftritt, ist die Folge – die sofortige Beendigung der Arbeitsbeziehung – gravierend. Das gilt vor allem für den „Arbeitnehmer“, dem plötzlich das Gehalt fehlt und der hiergegen nicht einmal Rechtsschutz nachsuchen kann. Und das obwohl im Verhältnis zum „Arbeitgeber“ häufig ein Gestaltungs- und Informationsgefälle bei Vertragsschluss vorliegt.

Es ist daher also sowohl im Arbeitsrecht als auch im Zivilrecht, wo die Rechtsgedanken des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses herangezogen werden, dringend darauf zu achten, dass der Arbeits- oder Anstellungsvertrag wirksam zustande kommt als auch im Fall des GmbH-Geschäftsführers darauf, dass dessen Bestellung wirksam zustande kommt.

Haben Sie Fragen zu dem Thema fehlerhaftes Arbeitsverhältnis? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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