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16. November 2020 / by Kanzlei Kerner

Schützt Kurzarbeit vor Kündigung? Jein.

Wenn – meistens der Arbeitnehmer – weniger arbeiten möchte, und die andere Partei – meistens der Arbeitgeber – ist damit einverstanden, handelt es sich um eine Angelegenheit von 10 Minuten. Lediglich der Arbeitsvertrag ist in puncto Wochenarbeitsstunden entsprechend anzupassen (Achtung: Für eine anschließende Wieder-Erhöhung der Stunden braucht es natürlich auch eine beidseitige Vereinbarung).

Ganz anders liegt der Fall, wenn nur eine Partei den Wunsch hat, die Arbeitszeit nach unten anzupassen. Dies ist in Corona-Zeiten regelmäßig der Arbeitgeber, dem es aufgrund von Lieferschwierigkeiten, Auftragsmangel, ausbleibender Kundschaft oder sogar zwangsweiser Schließung an Arbeit mangelt. Da das Gesetz dem Arbeitgeber das Risiko von Arbeitsmangel zuweist, braucht es auch hier grundsätzlich das oben dargestellte Gegenseitigkeitsverhältnis. Ein Sonderfall ist die Einführung von Kurzarbeit. Hier hat der Arbeitnehmer schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses und häufig ohne es bewusst zu bemerken dem Arbeitgeber die Erlaubnis erteilt, unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitszeit und damit auch das Gehalt zu reduzieren. Diese Kurzarbeit-Klausel kann sich im Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung befinden.

Von der Kurzarbeit wird aktuell in enormem Umfang Gebrauch gemacht. Leider stehen aufgrund der anhaltenden Corona-Krise trotz der Einführung von Kurzarbeit vor einiger Zeit vielerorts Kündigungen an. Die Besonderheiten einer Kündigung während Kurzarbeit behandelt dieser Blogbeitrag.

Welche Voraussetzungen bestehen für die Anordnung von (Corona-)Kurzarbeit?

Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf unsere Wirtschaft in einem nahezu noch nie dagewesenen Ausmaß. Hierauf hat die Politik mit Maßnahmen-Paketen reagiert, die auch die Einführung von Kurzarbeit erleichtern.

Kurzarbeit bedeutet, dass die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verringert wird, wobei auch die Einstellung der Arbeit – so genannte Kurzarbeit Null – möglich ist. Die Maßnahme kann den Betrieb als Ganzes oder einzelne Abteilungen bzw. Bereiche betreffen. Die Arbeitnehmer erhalten in dieser Zeit von ihrem Arbeitgeber lediglich das geringere, der neuen Arbeitszeit angepasste Gehalt. Vorausgesetzt, die Kurzarbeit wurde wirksam eingeführt, zahlt die Agentur für Arbeit den Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld und gleicht so zwischen 60 % und 67 % des Lohnausfalls aus. Wurde die Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt, hat der Arbeitgeber die Arbeitszeit ohne ausreichende rechtliche Grundlage verkürzt; diese Verkürzung der Arbeitszeit ist daher unwirksam. Die Arbeitnehmer behalten ihren Anspruch auf das volle Gehalt, auch wenn sie lediglich die vermeintlich verkürzte Arbeitszeit geleistet haben (Stichwort: Annahmeverzug).

Die Anordnung von Kurzarbeit ist nicht einseitig möglich, sondern bedarf wie oben dargestellt aufgrund der für die Arbeitnehmer nachteiligen Auswirkungen einer rechtlichen Grundlage. Bereits im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung muss also die Möglichkeit der Kurzarbeit vorgesehen sein. Ist das nicht der Fall, kann der Arbeitgeber im Fall einer wirtschaftlichen Schieflage lediglich eine Änderungskündigung aussprechen, welche allerdings rechtfertigungsbedürftig ist und auch nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt.

Am 13.03.2020 wurde das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelung für das Kurzarbeitergeld erlassen, am 25.03.2020 die Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit und am 27.03.2020 das so genannte Sozialschutz-Paket. Für den aktuellen „November-Lockdown“ wurden die Regelungen für die Corona-Kurzarbeit noch einmal modifiziert; betroffene Unternehmen sollen während dieser Zeit eine Entschädigung in Höhe von 80 % ihres Vorjahres-November-Umsatzes erhalten. Bedingung hierfür ist, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden, wobei die Unternehmen von der Corona-Kurzarbeit Gebrauch machen können. Das neue Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (BeschSiG) soll am 01.01.2021 in Kraft treten.

Kurzarbeitergeld ist derzeit – rückwirkend seit dem 01.03.2020 – für jeden Betrieb möglich. Musste zuvor noch ein Drittel der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sein, genügen aktuell 10 %. Anders als bisher müssen Beschäftigte keine Minusstunden aufbauen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann. Anders ist dies nach wie vor bei Überstunden, diese müssen abgebaut werden. Müssen Arbeitnehmer/innen ihre Arbeitszeit coronabedingt um mindestens 50 % reduzieren, steigt das Kurzarbeitergeld ab dem 4. Monat stufenweise an und beträgt ab dem 7. Monat zwischen 80 % und 87 % des Entgeltausfalls. Darüber hinaus übernimmt die Bundesagentur für Arbeit während der gesamten Kurzarbeit die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge; vor der Corona-Krise hatte der Arbeitgeber während des Bezugs des Kurzarbeitergeldes die Sozialversicherungsbeiträge weiter zu bezahlen. Die mögliche Bezugsdauer wurde von 12 auf 24 Monate verlängert.

Nicht geändert hat sich, dass die Kurzarbeit dazu dienen muss, dass Unternehmern durch die Auftragsflaute zu steuern, ohne Kündigungen aussprechen zu müssen. Leider lässt sich aus Sicht des Unternehmers dieser Anspruch nicht immer verwirklichen, da zu Beginn der Kurzarbeit noch nicht absehbar ist, wie sich die Lage entwickeln wird. Die für beide Seiten relevante Frage lautet daher: Können trotz Kurzarbeit wirksame Kündigungen ausgesprochen werden?

Ist eine Kündigung während (Corona-)Kurzarbeit möglich?

Obwohl die Kurzarbeit dazu dienen soll, einen vorübergehenden Arbeitsausfall abzufedern und mithin – wenn alles nach Plan läuft – am Ende der Kurzarbeit wieder die Regelbeschäftigung steht, ist eine Kündigung während laufender Kurzarbeit dem Arbeitgeber nicht per se verwehrt. Aber: Dann müssen sich auch die ursprünglichen Annahmen als unzutreffend erwiesen und mithin die Bedingungen geändert haben. In der neuen Situation müssen die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung vorliegen, welche andere sind als die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit.

Mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb?

Für alle Arbeitnehmer ungeachtet der Betriebsgröße gilt: Die Formalien der Kündigung müssen stimmen, die Kündigungsfrist muss eingehalten sein und der rechtzeitige Zugang muss beweisbar vorliegen.

Bei genau zehn oder weniger regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber abgesehen hiervon ziemlich frei in seinem Entschluss, ein Arbeitsverhältnis zu kündigen. Hier ist auch die Kurzarbeit ohne Einfluss. Trifft dieser Fall auf Sie zu, folgenden Sie diesem Link für Details zum Kündigungsschutz im Kleinbetrieb.

Bei zehn regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern liegt die Kleinbetriebsgrenze. Wenn im Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, greift bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten der allgemeine Kündigungsschutz (folgen Sie diesem Link für Details zur Berechnung der Arbeitnehmer). In diesem Fall muss für eine Kündigung eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen, die der Arbeitgeber im Fall eines Rechtsstreits beweisen muss. Diese werden im Folgenden – zwangsläufig etwas vereinfacht – dargestellt.

Wegfall der Beschäftigung

 Möchte ein Arbeitgeber sein Unternehmen dauerhaft aufgeben und „den Laden zumachen“, ist dies sein freier Entschluss und berechtigt ihn zur Kündigung (logischerweise) sämtlicher Arbeitnehmer. Sofern der Arbeitgeber allerdings plant oder es auch nur als möglich erachtet, den Betrieb, z.B. nach einem Lockdown, wieder aufzunehmen, kann diese temporäre Betriebsschließung für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen.

Will der Arbeitgeber seine unternehmerische Betätigung unter Personalabbau umstrukturieren oder nur in Teilen aufgeben, muss er gerichtlich beweisbar feststellen, aufgrund welchen Umstands welche bestimmte Arbeitsmenge entfällt. Er muss sodann feststellen, welche Auftragsmenge bzw. Arbeitsmenge verbleibt und welche Arbeitnehmer er per Arbeitsvertrag für diese Aufgaben einsetzen kann.

Kurzarbeit und die Prognose des Wegfalls der Beschäftigung

Die Anordnung von Kurzarbeit erschwert dem Arbeitgeber die Darlegung des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs. Das Bundesarbeitsgericht hat die Anordnung von Kurzarbeit in der Vergangenheit als ein Indiz gegen einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gewertet (BAG, Urteil vom 23.2.2012, Az. 2 AZR 548/10). Dieser Indizwirkung muss der Arbeitgeber nun entgegentreten und darlegen, weshalb sich die ursprüngliche Prognose „vorübergehender Wegfall des Beschäftigungsbedarfs = Kurzarbeit“ geändert hat in „endgültiger Wegfall des Beschäftigungsbedarfs = Kündigung“.

Etwas anders prüfen die Gerichte, wenn der Arbeitgeber sich nicht auf Auftragsmangel beruft, sondern die betriebsbedingte Kündigung auf Grundlage einer Umstrukturierungsmaßnahme ausspricht (die natürlich ihrerseits ihren Grund in einem Auftragsmangel haben kann). Grundsätzlich sind Entscheidungen für eine Reorganisation oder Umstrukturierung von der unternehmerischen Freiheit gedeckt. Auch in der Vergangenheit angeordnete und noch laufende Kurzarbeit ändert hieran erst einmal nichts (BAG, Urteil vom 26.06.1997, Az. 2 AZR 494/96). Ob die Gerichte auch in Zukunft in Angesicht der Corona-Krise diese Unterscheidung exakt aufrechterhalten, bleibt allerdings abzuwarten.

Eine Rolle gerade auch im Rahmen der Corona-Pandemie spielt die Zukunftsprognose, welche im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu betrachten ist. Ein zeitlich begrenzter „Mini-Lockdown“ lässt gegebenenfalls Aufgaben akut zu 100 % entfallen, jedoch lediglich für wenige Wochen. Eine Kündigung ist jedoch stets nur als letztes Mittel zulässig. Wie sich dieser Umstand genau auswirkt, wird die Gerichte anhand der Corona-Pandemie sicher noch beschäftigen.

Sozialauswahl

Die Gerichte gestehen den Arbeitgebern grundsätzlichen Entscheidungsspielraum bei der Entscheidung zu, ob und wie Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Bei der Auswahl der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmern wartet die Rechtsprechung hingegen mit verhältnismäßig strengen Kriterien auf. Der Arbeitgeber kann gerade nicht ohne Weiteres durch gezielte Kündigungen seine „Wunschmannschaft“ aufstellen, sondern hat die in § 1 Abs. 3 KSchG genannten Kriterien zu beachten:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Je weniger diese Kriterien bei einem Arbeitnehmer vorliegen, desto eher wird davon ausgegangen, dass er die Kündigung leichter verkraften kann und daher vorrangig zu kündigen ist. Allerdings: Nur Arbeitnehmer, die austauschbar in der Aufgabenwahrnehmung sind, werden in entsprechende Vergleichsgruppen einbezogen. Es sind darüber hinaus eine Vielzahl mehr an Kriterien zu berücksichtigen – um die Sozialauswahl hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Systematik entwickelt, die hier nur ansatzweise dargestellt werden kann. Was aber nach wie vor gilt: Eine Kündigung mit fehlerhafter Sozialauswahl ist unwirksam, wenn sie binnen drei Wochen vor dem Arbeitsgericht angegriffen wird.

Fazit

Kurarbeit und Kündigung passen nicht zusammen – und schließen sich doch nicht unbedingt aus, wenn der Arbeitgeber diese Kündigungen anhand veränderter Rahmenbedingungen sorgfältig vorbereitet und vor Gericht die entsprechenden Argumente vorbringen kann. Hier verlangen die Gerichte allerdings noch mehr als bei einer „normalen“ und ohnehin stets fehleranfälligen betriebsbedingten Kündigung.

Unbedingt zu beachten ist, dass das Arbeitsverhältnis nach Ausspruch der Kündigung nicht mehr ungekündigt ist – das ist aber Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld. Spätestens wenn der Arbeitnehmer freigestellt wird, entfällt der Anspruch auf diese staatliche Unterstützung. Da dem Arbeitnehmer somit ein signifikanter Teil seines Einkommens fehlt, wird er diesen bzw. das reguläre Gehalt bei dem Arbeitgeber geltend machen. Dieser Anspruch kann – je nach den zugrundeliegenden Bedingungen – mindestens teilweise berechtigt sein.

Mit unserer Checkliste können Sie sich einen ersten Eindruck über die Voraussetzungen jeder Kündigung verschaffen. Für alles Weitere hinaus raten wir, Kontakt zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht aufzunehmen.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Kündigung oder Kurzarbeit? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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