Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2015
Nach dem sog. Günstigkeitsprinzip können einzelvertraglich längere als die im Gesetz festgeschriebenen Kündigungsfristen vereinbart werden, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind. Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich zu entscheiden, wie mit einer Kollision von arbeitsvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfrist umzugehen ist, wenn unklar ist, welche die längere der beiden Fristen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn das Gesetz eine Frist von mehreren Monaten zum Ende eines Kalendermonats vorsieht und die vertragliche Regelung eine Frist von mehreren Wochen oder Monaten zum Quartalsende oder zum Halbjahresende. Hier kommt es auf den Kündigungstermin an, welche der beiden Fristen im Einzelfall länger ist.
So lag die Sache auch bei dem entschiedenen Fall. Es war arbeitsvertraglich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahres- oder Jahresende vereinbart worden, die gesetzliche Kündigungsfrist betrug aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Die Arbeitnehmerin berief sich nach Erhalt der Kündigung zum Halbjahresende auf die gesetzliche Kündigungsfrist, also auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07. des Jahres. In dieser Konstellation stellte die vertragliche Regelung in acht Monaten des Jahres die längere Kündigungsfrist dar, allerdings nicht in der konkreten Situation.
Mit Urteil vom 29.01.2015 (2 AZR 280/14) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine vertragliche Kündigungsfrist sich gegen die gesetzliche Kündigungsfrist nur durchsetzen kann, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Es muss also ein abstrakter Günstigkeitsvergleich vorgenommen werden, bei dem die vertragliche Kündigungsfrist in keiner denkbaren Konstellation kürzer ist als die gesetzliche. Dabei kommt es nicht darauf an, wann die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wird. Ferner kommt es nicht darauf an, ob die vertragliche Regelung in einer längeren Zeit innerhalb des Kalenderjahres die längere der beiden Kündigungsfristen darstellt. Obwohl also die arbeitsvertragliche Kündigungsregelung im entschiedenen Fall während der meisten Zeit des Jahres den größeren Schutz für die Arbeitnehmerin bot, wandte das Bundesarbeitsgericht die gesetzliche Frist an.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht lässt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Mehrheit der Landesarbeitsgerichte die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist nicht schon dann als die günstigere gelten, wenn diese aufs Jahr gesehen „meistens“ günstiger, also die längere Kündigungsfrist im Vergleich zu der gesetzlichen Kündigungsfrist, ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden daher künftig darauf achten müssen, vertragliche Kündigungsfristen so zu gestalten, dass sie für jeden denkbaren Zeitpunkt der Kündigung länger sind als die gesetzliche Kündigungsfrist.
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