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Befristeter Arbeitsvertrag liegt auf Schreibtisch
24. Februar 2016 / by kanzleiKerner

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz findet Fussball eigenartig

Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.02.2016

Zur Zulässigkeit der Befristung im Profi-Fußball

Fußball-Deutschland atmet durch. Stand jetzt können Verträge mit Fußballprofis stets befristet werden, so dass die Clubs ihre Spieler in regelmäßigen Abständen austauschen können. Sie haben das für selbstverständlich gehalten? Und von der Aufregung haben Sie auch nichts mitbekommen? Dann fassen wir diesen lebensnahen Bereich des Arbeitsrechts für Sie einmal zusammen:

Für Erleichterung auf Seiten der Fußballclubs sorgte ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.02.2016.

Der Fall: Torwart klagt auf unbefristeten Vertrag

Notwendig wurde dieses Urteil durch ein überraschendes erstinstanzliches Urteil des Arbeitsgerichts Mainz aus dem Jahr 2015.

Heinz Müller war seit Sommer 2009 als Torwart des Bundesligavereins 1. FSV Mainz 05 beschäftigt. Er erhielt einen auf drei Jahre befristeten Vertrag, im Anschluss daran einen auf drei weitere Jahre befristeten Vertrag. Zum Ende dieser Laufzeit im Sommer 2014 erhob Müller Klage gegen seinen Club. Er griff unter anderem die Befristung an, genauer gesagt klagte er auf Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Der FSV Mainz 05 war der Ansicht, dass die Befristung wirksam und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Als Gründe führte der Club an, dass es absolut branchenüblich ist, im Profifussball befristete Verträge zu schließen. Die Spieler müssten auswechselfähig bleiben, unter anderem weil die Leistungserwartung extrem schwanken könnte. Außerdem steige mit zunehmendem Alter das Verletzungsrisiko.


Professionelle Fußballspieler sind Arbeitnehmer

Zu dem Streit an sich muss man wissen, dass professionelle, bezahlte Fußballspieler arbeitsrechtlich gesehen Arbeitnehmer sind. Und für Arbeitnehmer gilt: Ohne sachlichen Grund darf grundsätzlich (nur) zwei Jahre lang befristet werden. Mit sachlichem Grund ist eine Befristung länger möglich, vorausgesetzt natürlich, dass ein solcher Grund auch besteht.

Was sind sachliche Gründe? In § 14 Absatz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), wo Befristungen geregelt sind, sind auch 8 sachliche Gründe benannt. Unter diesen 8 Gründen ist der Profisport nicht zu finden, allerdings der pauschale Grund, „wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG).

Was ist „eigenartig“ im Befristungsrecht?

Diese Möglichkeit der Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung hat bei genauem Hinsehen zwei Voraussetzungen: Erst einmal muss die Arbeitsleistung „eigenartig“, also im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeitsverhältnis besonders sein.

Nun ist Fußball etwas ganz Besonderes, das wissen viele Menschen intuitiv auch ohne große Begründungen. Man kann hierfür aber auch rational argumentieren: Im Gegensatz zum durchschnittlichen Arbeitsverhältnis hat die Arbeitsleistung eines Profi-Fußballers viel mit Entertainment zu tun. Damit der Verein aber dauerhaft eine gute Show liefern kann, ist es aus Sicht der meisten Fans erforderlich, Fußballer nach einer gewissen Zeit auch einmal auszutauschen oder jedenfalls auf den Prüfstand stellen zu können. Das ist in dieser Form in anderen Arbeitsverhältnissen nicht so. Voraussetzung 1 kann man daher als erfüllt ansehen.

Als zweite Voraussetzung muss diese Eigenart ausreichend sein, eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz: Berufsfreiheit überwiegt Befristungsinteresse

Können die Besonderheiten des Fußballs eine Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen? Das Arbeitsgericht Mainz findet: Nein, können sie nicht.

Aus den Gründen des Urteils:

„Das Interesse an einer überschaubaren und kürzeren Vertragsbindungsdauer seitens der Bundesligavereine und konkret seitens des beklagten Vereins ist zu konstatieren. Diesem kommt aber nicht ein solches Gewicht zu, dass dies eine Sachgrundbefristung rechtfertigt.“ (Rn. 3.2.2.)

„Die Schwierigkeiten, gruppendynamische Prozesse und Motivation zu objektivieren, könnten dafür sprechen, die für Solisten im Bühnenbereich anerkannten Sachgründe zu übertragen. Allerdings seien die Interessen der kommerzialisierten Fußballclubs nicht wie die Kunstfreiheit durch spezifische Grundrechte geschützt. (…) Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. (Rn. 3.2.1.)

Das Arbeitsgericht Mainz gab also im Ergebnis Müllers Klage statt und stellte fest, dass sein Arbeitsverhältnis zum Club unbefristet besteht. (Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.03.2015, Az. 3 Ca 1197/14).

Die Auswirkungen des Urteils auf den Sport

Dieses Signal strahlte weit über den Fall Müller gegen FSV Mainz 05 aus und führte zu Aufregung, vor allem aber Unverständnis im gesamten Profisport und bei den meisten Arbeitsrechtlern. Die nahezu einhellige Meinung war, dass das Urteil schlicht lebensfremd ist.

Sie können sich vorstellen, welche Horrorszenarien das Urteil bei den Fußballclubs heraufbeschwor. Sollte das Urteil Bestand haben und womöglich höchstrichterlich bestätigt werden, hätten sich viele andere Fußballer mit demselben Argument ein unbefristetes Arbeitsverhältnis „erklagen können“, so dass den Clubs massiv Flexibilität verloren gegangen wäre.

Das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz: Befristung geht doch

Mit entsprechender Spannung wurde daher das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz erwartet. Dessen Urteil fiel am vergangenen Mittwoch im Sinne des 1. FSV Mainz 05 aus.

Das Landesarbeitsgericht ist anders als Arbeitsgericht Mainz der Auffassung, dass aufgrund der Eigenart des Profi-Fußballs die befristete Beschäftigung des Klägers gerechtfertigt war.

Kurz gesagt: (Spitzen-)Fußball ist so eigenartig, dass befristete Verträge möglich sein müssen.

Folge ist, dass das Arbeitsverhältnis Müllers mit dem FSV Mainz 05 im Sommer 2014 endete, wenn das Urteil nicht vom Bundesarbeitsgericht revidiert wird.

Die Berufungsbegründung ist noch nicht veröffentlicht. Vermutlich hat das Landesarbeitsgericht die vom Bundesarbeitsgericht für Solisten im Bühnenbereich anerkannten Sachgründe für die Befristung auf Profi-Fußballer wegen des Entertainmentcharakters der Leistung übertragen. Spannend wird sein, ob und wie das Landesarbeitsgericht sich zu dem Argument des Arbeitsgerichts Mainz verhält, die Berücksichtigung der mit zunehmendem Alter ansteigenden Verletzungsgefahr sei eine Altersdiskriminierung und daher nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen.


Fazit: Vorerst alles beim Alten

Aktuell bleibt es beim Status quo: Mit Fußball-Profis dürfen befristeten Verträgen auch über zwei Jahre hinaus geschlossen werden. Das Urteil wird man wohl auch auf jeden anderen publikumswirksamen Profisport übertragen können.

Sollte der Fall zum Bundesarbeitsgericht gelangen, wird dieses die gleichen Argumente abzuwägen haben wie die Vorinstanzen – unter anderem die Berufsfreiheit des Spielers. Es wäre verlockend, hier vom Ergebnis her zu denken: Wie soll Fußball denn aussehen, wenn die Spieler nach zwei Jahren mit unbefristeten Verträgen ausgestattet und dann gegebenenfalls „durchgeschleppt“ werden müssen? Das ist aber an sich kein rechtliches Argument, genau genommen so wenig wie die Tatsache, dass die Trainer und Fußballfans ein Bedürfnis nach der Auswechslung von Spielern haben. Überzeugender ist dagegen die Argumentation vom Entertainmentcharakter der Darbietung her, über deren rechtliche Konsequenz man aber sicher trefflich streiten kann.

Zunächst bleibt die Begründung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz und die Entscheidung der Parteien, ob Revision eingelegt werden soll, abzuwarten.

Noch Fragen?

Haben Sie Fragen zu dem Thema Befristung von Arbeitsverträgen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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