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Richterhammer und Justitia im Hintergrund
19. Mai 2023 / by Kanzlei Kerner

Gute Nachrichten für Minijobber: Vollwertiger Stundenlohn trotz Flexibilität

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.2023

Der ehemalige 450-Euro-Job ist inzwischen ein 520-Euro-Job, dieser Begriff hat sich aber noch nicht recht durchgesetzt. Minijob ist geläufiger, wir würden eher geringfügige Beschäftigung sagen. Weniger bekannt als die verschiedenen Namen dieser Beschäftigungsform ist allerdings der Umstand, dass es sich um ein „ganz normales“ Arbeitsverhältnis handelt, das lediglich hinsichtlich Steuer und Sozialversicherung ein wenig besonders ist. Im Übrigen, was also beispielsweise Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz angeht, sind Sie als Minijobber Angestellter mit allem, was dazugehört.

Dürfen Minijobber anders bezahlt werden als Vollzeitkräfte?

Teilzeitzeitkräfte, zu denen geringfügig Beschäftigte gehören, dürften nicht aufgrund ihrer Eigenschaft als Teilzeitkraft schlechter gestellt werden als eine Vollzeitkraft (§ 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Der Umstand allein, dass jemand Minijobber ist, rechtfertigt also kein geringeres Gehalt. Möglicherweise können Gehaltsunterschiede jedoch aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein. Ob hierzu die einer geringfügigen Beschäftigung oftmals innewohnende Flexibilität gehört, hat das höchste deutsche Arbeitsgericht nun geklärt und mit „nein“ beantwortet:

Was war passiert? Rettungsassistent verdient wegen „flexibler Dienstplaneinteilung“ weniger

Geklagt hatte ein Rettungsassistent, der seit sechs Jahren auf Basis eines Minijobs für einen Stundenlohn von 12,00 € arbeitete. Einen regulären Dienstplan gab es nicht, stattdessen wurden über WhatsApp wechselseitig Dienste angefragt, wobei diese Angebote jeweils nicht angenommen werden mussten. Unter Berufung auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) forderte der Arbeitnehmer sodann die Differenz zu dem Gehalt der im Betrieb „regulär“ beschäftigten Rettungsassistenten, welche einen Stundenlohn von 17,00 € brutto erhalten. Er argumentierte, die Wahlfreiheit bezüglich der Einsätze sei für eine Ungleichheit des Entgeltes irrelevant. Der Arbeitgeber hielt dagegen, er könne mit den flexiblen Minijobbern nicht in gleichem Maße planen wie mit den regulär Beschäftigten.

Das Urteil: Unterschiedliches Arbeitsmodell rechtfertigt keine unterschiedliche Bezahlung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und entschied, dieser habe trotz seiner geringfügigen Beschäftigung Anspruch auf den gleichen Stundenlohn wie die übrigen teil- und vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter (BAG, Urteil vom 18.01.2023, Az. 5 AZR 108/22). Zur Begründung führte das Gericht aus,

geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, dürften bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.

Sachgründe für ungleiche Entlohnung könnten z.B. auf der Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (BAG, Urteil vom 18. März 2014, Az. 9 AZR 694/12). Jedoch sei nicht die Höhe der Vergütung, sondern die Stellenplanung durch den Arbeitgeber der Grund dafür, dass nicht mehr hauptamtliche Rettungsassistenten beschäftigt werden. Der Einsatz hauptamtlicher Rettungsassistenten rechtfertigte damit die höhere Stundenvergütung dieser Mitarbeitergruppe im Vergleich zu den nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht.

Fazit

Seit geraumer Zeit stärken Gesetzgeber und Rechtsprechung Teilzeitbeschäftigten und Minijobbern den Rücken, wenn diese gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter gestellt werden. So ist Entgelt-Gleichheit für „Teilzeit-Überstunden“ anerkannt (Urteil des BAG vom 19.12.2018, Az. 10 AZR 231/18) und aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts können „besondere Belastungen“ auch bei Teilzeitbeschäftigten vorliegen (Vorlagebeschluss des BAG vom 11.11.2020, Az. 10 AZR 185/20 (A)). Daher ist nur konsequent, wenn das höchste deutsche Arbeitsgericht auch die Gründe für Lohnungleichheit gegenüber Minijobbern eng fasst und hier die höhere Planungssicherheit, die „reguläre“ Voll- und Teilzeitkräfte bieten, ausnimmt. Sind die Tätigkeiten identisch, ist die unterschiedliche Entlohnung daher arbeitgeberseitig überaus schwierig und für die gesamte Gruppe „Minijobber“ kaum noch zu begründen.

 

Haben Sie Fragen zu den Themen geringfügige Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung oder Entgeltgleichheit? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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