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4. Februar 2021 / by Kanzlei Kerner

Freiwillige im Visier – wie verhalten bei Stellenabbaumaßnahmen?

Basics Freiwilligenprogramm

Die Corona-Pandemie macht der Wirtschaft seit nunmehr fast einem Jahr zu schaffen und verursacht je nach Branche massive Umsatzeinbrüche. Steht das Unternehmen wirtschaftlich nicht so da wie gewünscht, werden an erster Stelle die Personalkosten einer kritischen Prüfung unterzogen. „Sparen“ oder „Verschlanken“ heißt es dann schnell, was ein anderes Wort für Stellenabbau ist und das wiederum nur eine Umschreibung für Kündigungen oder Aufhebungsverträge. In größeren Unternehmen werden solche Maßnahmen in Sozialpläne und häufig Freiwilligenprogramme eingebettet. Weshalb eigentlich und wie verhält man sich im Fall der Fälle richtig?

Weshalb Freiwilligenprogramme?

Wenn mittlere und große Unternehmen Stellen abbauen und deshalb betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, dürfen sie nicht nach Belieben ihre „Wunschmannschaft“ zurückbehalten. Sie sind an das Kündigungsschutzgesetz und damit auch an die Sozialauswahl gebunden, welche sicherstellen soll, dass diese betriebsbedingten Kündigungen nicht in erster Linie nach Leistung, sondern nach sozialen Kriterien ausgesprochen werden (eine Einführung zu dem Thema Sozialauswahl finden Sie hier). Anders ist dies bei Aufhebungsverträgen, mit welchen das Arbeitsverhältnis beiderseitig einvernehmlich beendet wird. Hier greift die Sozialauswahl nicht ein und es ist den Unternehmen auch nicht verwehrt, Arbeitnehmern Anreize zu bieten, das Angebot eines Aufhebungsvertrages anzunehmen. Auf diese Weise werden Arbeitnehmer motiviert, sich umzuorientieren und die Unternehmen können ihren Stellenabbau ohne lästige Rechtsstreitigkeiten und ohne (allzu) negative PR durchführen. Selbst mit Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz (Elternzeit, Schwerbehinderung, Betriebsrat) können auf diese Weise Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Und da der Arbeitgeber den Teilnehmerkreis von Freiwilligenprogrammen relativ frei definieren kann, kann er mittelbar nun doch zumindest ein wenig Einfluss darauf nehmen, seine „Wunschmannschaft“ zu halten. Dies ist der Hintergrund zu Freiwilligenprogrammen.

Kurzarbeit und Stellenabbau

Falls Sie regelmäßiger Leser dieses Blogs sind, wissen Sie bereits, dass Kurzarbeit den Ausspruch von Kündigungen nicht per se hindert, diese aber erschwert (siehe hier). Für Aufhebungsverträge ist bestehende Kurzarbeit kein Hinderungsgrund. Der Arbeitgeber muss in dieser Situation für sich das Risiko einer drohenden Rückzahlung gewährten Kurzarbeitergeldes gegenüber der Agentur für Arbeit prüfen. Für eine Versagung von Kurzarbeitergeld gegenüber Arbeitnehmern besteht allerdings seitens der Agentur für Arbeit erst dann ein Anlass, wenn die Betroffenheit des Arbeitnehmers feststeht – im Fall von Aufhebungsverträgen mit der Unterschrift (und nicht schon als „Teilnahmeberechtigter“ am Freiwilligenprogramm).

Ich bin nicht angesprochen – was nun?

Wenn Sie nicht zum definierten Teilnehmerkreis des Freiwilligenprogramms gehören, heißt das zunächst, dass der Arbeitgeber Ihren Arbeitsbereich, Ihre Stelle bzw. Sie selbst im Unternehmen halten möchte oder dass Sie bestimmte Voraussetzungen – etwa ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis – nicht erfüllen. Wer hierin eine verpasste Chance für einen vergoldeten beruflichen Wechsel sieht, verlangt mitunter auf Grundlage des so genannten Gleichbehandlungsgrundsatz seine Teilnahme an dem Programm bzw. Schadenersatz. Das gelingt in der Regel allerdings nicht, denn der Arbeitgeber ist relativ frei in seiner Entscheidung, den Kreis der potenziellen Freiwilligen zu bestimmen. Lediglich in Fällen von z.B. Diskriminierung kommt ein entsprechender Anspruch auf Schadenersatz in Betracht.

Keine Entlassungen, aber Massenentlassungsanzeige

Wird gleichzeitig oder innerhalb von 30 Tagen eine in § 17 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) definierte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen, muss der Arbeitgeber eine so genannte Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit erstellen. Und obwohl dieser Paragraph sich im Kündigungsschutzgesetz befindet, gilt er auch für den „massenhaften“ Abschluss von Aufhebungsverträgen. Trotz des unschönen Wortes sind mit diesem Etikett positive Wirkungen für die Arbeitnehmer verbunden. Der Arbeitgeber hat sich vor der Maßnahme mit dem Betriebsrat zu beraten und bestimmte Punkte zu erörtern, sodann hat er den Betriebsrat auch zu beteiligen. Um die Bundesagentur für Arbeit auf die kommenden Arbeitssuchenden vorzubereiten, hat der Arbeitgeber sodann bestimmte Angaben zu den Entlassenen in einem bestimmten Formular zu erfassen. Das Unterlassen der Massenentlassungsanzeige oder ihre fehlerhafte Durchführung kann zur Anfechtbarkeit der geschlossenen Aufhebungsverträge führen.

Turboklausel, Sprinterprämie – was bedeutet das alles?

Die Basis eines Freiwilligenprogramms ist eine obligatorische Abfindung für die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags, in der simpelsten Variante also die Zahlung von x € als Abfindung. Diese Dotierung ist bei Freiwilligenprogrammen in der Regel höher als bei klassischen Personalabbaumaßnahmen. Hierzu gibt es verschiedene Variationen, z.B. für die Erhöhung dieses Betrages je nach Betriebszugehörigkeit, je nach Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers oder einen extra Betrag für Schnellentschlossene. Letzteres nennt man Sprinterprämie, bisweilen auch Turbo-Prämie. In Abgrenzung hierzu kann eine so genannte Turboklausel auch regeln, dass der Arbeitnehmer vor dem vertraglich vorgesehenen Beendigungsdatum ausscheidet und sich hierfür die Abfindung um den vom Arbeitgeber auf diese Weise eingesparten Betrag erhöht.

Und schließlich gilt alles, was auch für „normale“ Aufhebungsverträge gilt: Es können Regelungen zum Arbeitszeugnis, zu Freistellung und Urlaub und noch offenen Ansprüchen und vieles mehr enthalten sein.

Fazit: Freiwillige vor! Aber mit offenen Augen.

Freiwilligenprogramme sind nicht per se verwerflich, sondern ein Versuch des Unternehmens, aus seiner Sicht erforderliche Stellenabbaumaßnahmen elegant und mit geringem rechtlichem Risiko zu lösen.

Freiwilligenprogramme und arbeitgeberseitige Aufhebungsverträge können also ein faires Angebot sein, dass muss aber wiederum nicht der Fall sein. Hier ist letztlich kühles Rechnen gefragt; z.B. sollte für den Fall, dass ein neuer Job nicht gleich zur Hand ist, die mögliche Sperrzeit bei dem Bezug von ALG I einkalkuliert werden. Es sollte auch beachtet werden, dass Abfindungen steuerlich kaum noch privilegiert sind.

Wir raten Ihnen: Lassen Sie das Programm und den Vertragsentwurf vor Unterzeichnung prüfen. Eine allgemeine Informationsseite oder eine Checkliste wird Ihrer persönlichen Situation nicht gerecht und kann ein persönliches Gespräch – in Corona-Zeiten natürlich auch telefonisch oder digital – nicht ersetzen.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Freiwilligenprogramm oder Aufhebungsvertrag? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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Bildhinweis: Adobe Stock