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Mann hebt eine von fünf Spielfiguren hoch
27. Oktober 2025 / by Kanzlei Kerner

Freiwillig gehen oder bleiben? Was Sie zu Sozialplan, Interessenausgleich & Freiwilligenprogramm wissen sollten.

Das Wort Sozialplan fällt selten in ruhigen Zeiten und in der Belegschaft läuten schnell die Alarmglocken, wenn von einem Freiwilligenprogramm die Rede ist. Dahinter steckt eine größere Umstrukturierung: Abteilungen werden zusammengelegt, Standorte geschlossen und Personal abgebaut. Was sollten Arbeitnehmer wissen, wenn solche Begriffe plötzlich die Runde machen?

Freiwillige voran: Das Freiwilligenprogramm

Bevor es überhaupt zu Kündigungen kommt, nutzen viele Unternehmen zunächst ein so genanntes Freiwilligenprogramm. Warum das? Möchten mittlere und große Unternehmen Stellen abbauen, dürfen Sie nicht nach Belieben ihre „Wunschmannschaft“ zurückb-ehalten. Sie sind an das Kündigungsschutzgesetz und damit auch an die Sozialauswahl gebunden, die sicherstellen soll, dass betriebsbedingten Kündigungen in erster Linie nach sozialen Kriterien ausgesprochen werden (eine Einführung zu dem Thema Sozialauswahl finden Sie hier). Anders ist das bei Aufhebungsverträgen, mit welchen das Arbeitsverhältnis beiderseitig einvernehmlich beendet wird. Hier greift die Sozialauswahl nicht ein und es ist den Unternehmen auch nicht verwehrt, Arbeitnehmern Anreize zu bieten, das Angebot eines Aufhebungsvertrages anzunehmen. Auf diese Weise werden Arbeitnehmer motiviert, sich umzuorientieren und die Unternehmen können ihren Stellenabbau ohne lästige Rechtsstreitigkeiten und ohne (allzu) negative PR durchführen. Selbst mit Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz (Elternzeit, Schwerbehinderung, Betriebsrat) können auf diese Weise Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeits-verhältnisses getroffen werden. Und da der Arbeitgeber den Teilnehmerkreis von Freiwilligenprogrammen relativ frei definieren kann, kann er mittelbar nun doch zumindest ein wenig Einfluss darauf nehmen, seine „Wunschmannschaft“ zu halten.

Häufig gilt das Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Denn der Personalabbau läuft so ruhiger und schneller und das Betriebsklima wird weniger angespannt. Wenn Sie jedoch nicht zum definierten Teilnehmerkreis des Freiwilligenprogramms gehören, heißt das zunächst, dass der Arbeitgeber Ihren Arbeitsbereich, Ihre Stelle oder Sie selbst im Unternehmen halten möchte oder dass Sie bestimmte Voraussetzungen (noch) nicht erfüllen.

Ein Freiwilligenprogramm bzw. das Angebot eines Aufhebungsvertrags kann ein attraktives und faires Angebot sein, wenn die Konditionen stimmen, etwa bei einer hohen Abfindung oder wenn ohnehin ein beruflicher Neuanfang geplant war. Hier ist letztlich kühles Rechnen gefragt; z.B. sollte für den Fall, dass ein neuer Job nicht gleich zur Hand ist eine etwaige Sperrzeit bei dem Bezug von ALG I einkalkuliert werden – je nach Formulierung der Vereinbarung muss eine solche aber auch nicht erfolgen. Außerdem sollten Sie die steuerlichen Folgen einer Abfindung in den Blick nehmen. Wir raten Ihnen: Lassen Sie das Programm und den Vertragsentwurf vor Unterzeichnung prüfen. Eine allgemeine Informationsseite oder eine Checkliste wird Ihrer individuellen beruflichen Situation nicht gerecht und kann eine Beratung an dieser Stelle nicht ersetzen.

Die Spielregeln ändern sich: Betriebsänderung

Das Unternehmen kann auch die Umstrukturierung selbst nicht nach Belieben durchführen. Plant der Arbeitgeber Standortverlagerungen, Rationalisierungsmaßnahmen oder Entlassungen in erheblichem Umfang, also eine so genannte Betriebsänderung, muss er – sofern vorhanden – den Betriebsrat frühzeitig und umfassend unterrichten und mit ihm über die geplanten Maßnahmen beraten. Ziel dieser Gespräche ist eine Einigung über den sogenannten Interessenausgleich.

Das „wie“ der Veränderung: Der Interessenausgleich

Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über das „Wie“ und „Wann“ der geplanten Betriebsänderung, also den Fahrplan der Umstrukturierung. Dabei geht es nicht um individuelle Arbeitsverträge, sondern um die Gesamtmaßnahme. Typische Inhalte eines Interessenausgleichs sind

  • der Zeitplan der Umsetzung,
  • die Zahl und die Verteilung der betroffenen Arbeitsplätze,
  • Kriterien, nach denen entschieden wird, welche Bereiche oder Standorte betroffen sind,
  • eventuelle Alternativen oder mildernde Maßnahmen (z. B. Versetzungen, Qualifizierungen, interne Bewerbungsrunden).

Ein Interessenausgleich ist durch den Betriebsrat nicht erzwingbar, fehlt er, kann das für den Arbeitgeber allerdings in Kündigungsschutzverfahren Nachteile haben.

Schutz für die Arbeitnehmer: Der Sozialplan

Während der Interessenausgleich den Ablauf beschreibt, beschreibt der Sozialplan die Folgen für die Beschäftigten. Er soll wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Juristisch ist der Sozialplan eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die auf § 112 BetrVG beruht. Im Gegensatz zum Interessenausgleich ist er erzwingbar und kann im Streitfall durch eine Einigungsstelle festgelegt werden.

Typische Regelungen in Sozialplänen sind

  • Abfindungen für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse beendet werden,
  • Überbrückungsgelder für die Zeit bis zur neuen Beschäftigung,
  • Zuschüsse zu Umschulungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen,
  • Regelungen zu Resturlaub, Freistellungen oder Umzugskosten,
  • besondere Schutzregelungen für ältere Arbeitnehmer oder Schwerbehinderte.

Die Höhe der Abfindungen richtet sich häufig nach einer Formel, die sich aus Betriebszugehörigkeit und Gehalt ergibt. Die genaue Ausgestaltung hängt von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens und den Verhandlungsergebnissen ab. Ein Sozialplan darf den Betrieb nicht in seiner Existenz gefährden (§ 112 Abs. 5 BetrVG), der Arbeitgeber kann sich also auf finanzielle Leistungsgrenzen berufen.

Das Minimum, nicht die Obergrenze: Sozialplanansprüche

Wichtig zu wissen ist, dass die Leistungen aus einem Sozialplan in aller Regel Mindestansprüche sind. Sie sollen sicherstellen, dass niemand völlig leer ausgeht, aber sie schließen höhere individuelle Ansprüche nicht aus. Wer also beispielsweise aufgrund einer fehlerhaften Sozialauswahl oder einer unwirksamen Kündigung erfolgreich Kündigungsschutzklage erhebt, kann häufig mehr erreichen als die pauschale Sozialplanabfindung. Auch individuelle Vereinbarungen, etwa im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder gerichtlichen Vergleichs, dürfen über das Sozialplanniveau hinausgehen.

Die rechtlichen Grundlagen betriebsbedingter Kündigungen

Um zu beurteilen, ob die Inhalte eines Freiwilligenprogramms oder eines Sozialplans vor- oder nachteilig für Ihre individuelle Situation sind, muss beurteilt werden, ob und unter welchen Umständen eine betriebsbedingte Kündigung in Ihrem Fall möglich ist. Damit eine betriebsbedingte Kündigung wirksam sein kann, muss der Arbeitgeber Folgendes nachweisen:

  1. Dringende betriebliche Erfordernisse, etwa Auftragsrückgang, Rationalisierung oder Schließung von Standorten.
  2. Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, es darf also keine andere freie Stelle im Betrieb geben, die der Arbeitnehmer übernehmen könnte.
  3. Soziale Auswahl: Der Arbeitgeber muss bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern diejenigen auswählen, die sozial am wenigsten schutzwürdig sind (unter Berücksichtigung von Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung).
  4. Kein Punkt in der Beurteilung des Inhalts einer Kündigung, aber wichtig fürs Timing: Nach § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden, anderenfalls ist die Kündigung nicht mehr angreifbar.

Achtung: Die Prüfung ist stark detail- und einzelfallabhängig, die Auflistung soll Ihnen lediglich einen Überblick vermitteln.

Fazit: Worauf Arbeitnehmer achten sollten

Wenn im Betrieb plötzlich ein Freiwilligenprogramm oder Sozialplan kursiert, ist das keine Situation für Schnellschüsse. Folgendes raten wir Ihnen:

Ein Aufhebungsvertrag ist endgültig, deshalb: Keine Unterschrift ohne Bedenkzeit oder besser noch Beratung. Wichtig ist aber auch, das Freiwilligenprogramme mitunter nur wenige Wochen laufen. Also: Informieren Sie sich so früh wie möglich.

Eine oft genannte Faustformel für die Höhe der Abfindung lautet ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr, aber je nach Sozialplan, Branche und Verhandlungsspielraum ist mehr möglich, deshalb: Abfindungshöhe kritisch prüfen.

Sozialplanleistungen bilden lediglich die Untergrenze des Nachteilsausgleichs, weitergehende individuelle Ansprüche können nach Prüfung geltend gemacht und durchgesetzt werden.

Liegen rein betriebliche Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, sollte ein Aufhebungsvertrag oder ein gerichtlicher Vergleich möglichst so formuliert sein, dass eine Sperrzeit beim Bezug von ALG I nicht verhängt wird.

Steuern nicht vergessen: Abfindungen sind steuerpflichtig, können aber durch die sogenannte Fünftelregelung steuerlich begünstigt werden.

 

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