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6. Januar 2023 / by Kanzlei Kerner

Essentiell wichtig: Korrekte Formulierung von Ausschlussklauseln

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2022 (9 AZR 461/21)

Was sind Ausschlussfristen?

Ausschlussfristen sind kurze Fristen, die die gesetzlich vorgesehenen langen Verjährungsfristen bei der Geltendmachung von Ansprüchen verdrängen. Ein Beispiel: Das deutsche Verjährungsrecht sieht für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eine Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende vor, per Ausschlussfrist wird diese auf drei Monate verkürzt. Ausschlussfristen sind keinen bestimmten Rechtsgebieten vorbehalten, praktisch sind sie aber eine arbeitsrechtliche Besonderheit. Dies macht sie so tückisch für Arbeitnehmer, die sich häufig nicht einmal bewusst sind, mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags in eine solche Verkürzung von Fristen eingewilligt zu haben. Das gilt erst Recht für Arbeitsverträge, in denen wiederum auf Tarifverträge verwiesen wird, denn nahezu alle Tarifverträge enthalten Ausschlussfristen und der Verweis wirkt auch auf die Fristverkürzung. Gesetzlich ist dies toleriert, da ein Arbeitsverhältnis zügig abgewickelt werden soll und die Fristen für beide Seiten gleichermaßen gelten. Allerdings nützen sie überdurchschnittlich häufig dem Arbeitgeber, einerseits aufgrund seines Wissensvorsprungs und anderseits, weil eher ein Arbeitnehmer (Urlaubs-/Gehalts-/Überstundenabgeltungs-) Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber hat als andersherum. Aus diesem Grunde sind die Gerichte anderseits streng bei der Prüfung dieser Klauseln: Sind sie nicht hinreichend klar formuliert, verstoßen gegen Gesetze oder sind aus anderen Gründen nicht angemessen, sind sie unwirksam und zwar unabhängig davon, ob sich der Fehler im konkreten Fall ausgewirkt hat. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Rechtsprechung zu den vielfältigen Formulierungsvarianten von Ausschlussfristen zu den arbeitsrechtlichen Dauerbrennern gehört. Gerade in den letzten Jahren hat sich hier vieles geändert, so dass mehrere bis dahin gebräuchliche Formulierungen inzwischen als unwirksam gelten (mehr dazu hier). In seinem bislang aktuellsten Urteil zu diesem Thema hat das Bundesarbeitsgericht etliche Aspekte abgearbeitet und so eine Art kleine Handreichung zum Thema Ausschlussfristen gegeben (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2022, Az. 9 AZR 461/21).

Der Fall: Urlaubsabgeltung zu spät geltend gemacht

Die spätere Klägerin war vom 7. Januar bis zum 19. Juli 2019 als Rechtsanwaltsfachangestellte beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt die folgende Regelung:

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen. Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers/in auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.

Bleibt die Geltendmachung erfolglos, erlöschen sie, wenn der Anspruch nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich anhängig gemacht wird.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrte die Arbeitnehmerin im Januar 2020 Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage. Sie argumentierte, hierauf Anspruch zu haben, obwohl die Ausschlussfrist abgelaufen sei, da die Klausel aus verschiedenen Gründen unwirksam sei.

Das Urteil: Ausschlussfrist „trotzdem“ wirksam

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass der Arbeitgeber nicht zur Zahlung verpflichtet sei (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2022, Az. 9 AZR 461/21). Zwar bestand ursprünglich ein Abgeltungsanspruch, dieser war jedoch entsprechend der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist entfallen. Bis zu diesem Ergebnis war es jedoch ein Stück Weg, denn das Bundesarbeitsgericht setzte sich mit sämtlichen von dem Arbeitgeber vorgebrachten möglichen Unwirksamkeitsgründen auseinander, von denen hier nur die relevantesten genannt werden.

Zunächst entschied das Gericht, die Ausschlussfrist sei aufgrund ihrer klaren Überschrift weder überraschend noch ungewöhnlich (§ 305c BGB). Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2019 bereits festgestellt, dass Ausschlussfristen im Arbeitsrecht häufig vorkommen und deshalb grundsätzlich nicht überraschend seien (Urteil vom 22. Oktober 2019, Az. 9 AZR 532/18).

In der hier verwendeten Ausschlussfrist seien außerdem Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung ausgenommen, sodass auch dieser zuletzt in demselben Urteil aus dem Jahr 2019 festgehaltenen Bedingung Genüge getan wurde.

Dass die Klausel nicht zusätzlich und ausdrücklich Schäden von Leben, Körper und Gesundheit aufgrund einer fahrlässigen Pflichtverletzung (§ 309 Nr. 7 BGB) ausgenommen hat, würdigte das Gericht kritisch. Im Ergebnis sah es hierin allerdings keine Unwirksamkeit der Klausel. So zeige zwar die ausdrückliche Ausnahme bestimmter Ansprüche im Umkehrschluss, dass die Ausschlussklausel für alle Ansprüche wirken solle, die nicht als ausgenommen aufgeführt sind – auch diese Feststellung hatte das Gericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2019 so schon einmal getroffen. Insofern verstieß die Klausel „eigentlich“ gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB. Im Arbeitsleben sei dessen praktischer Anwendungsbereich allerdings deutlich reduziert. Denn hier greife die gesetzliche Unfallversicherung, so dass §§ 104 ff. SGB VII als arbeitsrechtliche Besonderheit solche potenziellen Haftungskonstellationen in der Regel auffange. Die typischen Haftungsrisiken im Sinne des § 309 Nr. 7 BGB bestünden also gerade nicht bzw. nur selten. Damit sei der Verstoß gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht so gewichtig, dass er zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führe.

Die fehlende ausdrückliche Ausklammerung bereits anerkannter Ansprüche führe ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, denn diese reine Klarstellung sei aus Transparenzgründen nicht unbedingt erforderlich.

Auch tarifvertragliche Vorgaben waren nicht zwingend ausdrücklich auszuklammern, da solche auf das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis zu dessen Beginn gar nicht einwirkte (anderenfalls wäre das anders gewesen).

Schließlich schadete es aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts auch nicht, dass Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht von dem Verfall ausgenommen waren. Zwar ging es hier um Urlaubsabgeltung, aber wie gesagt: Eine fehlerhaft formulierte Ausschlussfrist ist insgesamt unwirksam, unabhängig von den Auswirkungen auf den konkreten Fall. Allerdings erschließe es sich für den aufmerksamen und sorgfältigen Arbeitnehmer als Selbstverständlichkeit, dass er den Anspruch auf seinen „Jahresurlaub“ nicht binnen der ersten drei Monate des Urlaubsjahres auf Basis der Verfallfrist geltend machen müsse; eine konkrete Herausnehme dieser Ansprüche in der Verfallfrist sei daher nicht erforderlich, so das Gericht.

Zu Form und Fristenlänge hatte das Gericht ebenfalls nichts zu beanstanden. Insofern stellte es fest, dass die schriftliche Geltendmachung nur für die zweite Stufe der Ausschlussfrist gelte, für die erste Stufe hingegen – alleine richtig – die Textform. Das sei für die Wirksamkeit ausreichend. Dass eine Frist von drei Monaten nicht unangemessen kurz ist, hatte das Gericht bereits in dem schon mehrfach zitierten Urteil aus dem Jahr 2019 festgestellt und bekräftigte es im aktuellen Urteil erneut.

Im Ergebnis blieb es daher – teilweise wohl knapp – bei der Wirksamkeit der geprüften Verfallfrist. Da diese auf erster Stufe nicht eingehalten worden war, kam es auf die Wirksamkeit der zweiten Stufe nach Ansicht des Gerichts nicht mehr an, der Anspruch der Klägerin war verfallen.

Fazit

Es ist nicht zu vermuten, dass der Arbeitgeber im entschiedenen Fall bei der Formulierung seiner Ausschlussfrist bewusst darauf verzichtet hat, bestimmte kritische Anspruchskonstellationen hiervon auszunehmen. Dies ist vermutlich aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit geschehen. Angesichts der zu Strenge neigenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Ausschlussfristen hätte dieser Rechtsstreit entsprechend auch anders ausgehen können. Der betroffene Arbeitgeber darf also aufatmen, ebenso wie alle übrigen Arbeitgeber, denen die Herausnehme von Körperschäden aufgrund von Fahrlässigkeit und / oder anderer durch das Bundesarbeitsgericht „abgearbeiteten“ Belange in ihrer Ausschlussklausel fehlen. Trotzdem empfehlen wir nicht zuletzt aufgrund der dynamischen Rechtsprechung: Die Formulierung von Ausschlussklauseln gehört in die Hände von Profis.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Ausschlussfristen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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