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Mann übergibt Umschlag an einen anderen
9. November 2022 / by Kanzlei Kerner

Auch weiterhin mit besten Wünschen – Schlussformel im Arbeitszeugnis

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.07.2022 (Az. 10 Sa 1217/21)

Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) kann jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis verlangen. Der Arbeitgeber hat hierbei wahrheitsgemäß Auskunft über die Leistung des Mitarbeitenden geben, die Formulierungen müssen dabei von „verständigem Wohlwollen“ getragen sein. Kommt es zum Streit ums Arbeitszeugnis ist wichtig, was wir Juristen Beweislastverteilung nennen. Hierbei handelt es sich um die Frage, wer welche Tatsachen beweisen muss bzw. zu wessen Lasten im Fall des Nichtbeweises entschieden wird. Denn in kaum einem Verfahren ist ein Beweis so schwer zu führen wie beim Streit um den Inhalt des Arbeitszeugnisses. Es gilt:

Ist das erteilte Arbeitszeugnis schlechter als eine „glatte 3“ (befriedigend), muss der Arbeitgeber im Streitfall darlegen und beweisen, dass und warum der Arbeitnehmer eine schlechtere Leistung als befriedigend erbracht hat. Verlangt der Arbeitnehmer hingegen eine bessere Note als befriedigend, fällt ihm die Beweislast dafür zu, dass er eine gute bzw. sehr gute Leistung erbracht hat.

Im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder in einem Kündigungsschutzverfahren wird das Thema Zeugnis daher sinnvollerweise gleich mitgeregelt, entweder über einen der Einigung beigefügten wörtlichen Entwurf, über die Festlegung einer bestimmten Notenstufe oder ein Entwurfsrecht des Arbeitnehmers. Arbeitgeber sind in diesem Bereich häufig vergleichsbereit, da es sich für sie um kostenneutrale Verhandlungsmasse handelt.

Bindungswirkung von Zwischen- und Endzeugnissen

Nicht selten existiert bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein Zwischenzeugnis. Eine exakte Übernahme der dortigen Formulierung kann nicht verlangt werden, selbst wenn das Abschlusszeugnis kurz darauf erstellt wird. Allerdings besteht eine Bindungswirkung, die umso stärker ausfällt, je kürzer der Zeitraum bis zur Neuerteilung ist; vor allem in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren. Das Zwischenzeugnis ist dem Schlusszeugnis also „zugrunde zu legen“, abweichende Beurteilungen dürfen nur vorgenommen werden, wenn Tatsachen nach Erteilung des Zwischenzeugnisses dies rechtfertigen. Hierfür ist der Arbeitgeber beweisbelastet.

Am stärksten ist die Bindungswirkung natürlich, wenn die Neuausfertigung eines Abschlusszeugnisses verlangt wird, sei es wegen formaler oder inhaltlicher Mängel. Dem Arbeitgeber ist es nicht gestattet, seine in der ersten Version des Arbeitszeugnisses getroffene Beurteilung der Arbeitsleistung oder des Verhaltens ohne triftigen Grund in eine schlechtere Beurteilung zu ändern.

Das gehört ins Arbeitszeugnis

Ein einfaches Arbeitszeugnis ist die Ausnahme. Es enthält lediglich Angaben über den Zeitraum der Beschäftigung und die ausgeübte Tätigkeit, aber keine Bewertung der Arbeitsleistung.

Ist von einem Arbeitszeugnis die Rede, spricht man in der Regel von einem qualifizierten Zeugnis. Dieses enthält auch Angaben zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis. Inzwischen hat sich eine Struktur herausgebildet, deren Abarbeitung zwar nicht Punkt für Punkt verlangt werden kann, aber üblich geworden ist:

  • Überschrift (Arbeitszeugnis bzw. qualifiziertes Arbeitszeugnis)
  • Angaben zum Arbeitnehmer einschließlich Beschäftigungszeitraum
  • Angaben zum Unternehmen
  • Angaben zum Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers
  • Leistungsbewertung
  • Bewertung des Arbeitsverhaltens (Arbeitsweise und Arbeitserfolg)
  • Arbeitsbefähigung (Belastbarkeit), ggf. auch Leistungsbereitschaft
  • Zusammenfassende Leistungsbeurteilung (z.B. „hat die ihr / ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt“ = Notenstufe 1)
  • Sozialverhalten
  • Grund für das Ausscheiden, vor allem bei guten Zeugnissen, um klarzustellen, dass es neutrale Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gab
  • Schlussformel
  • Datum und Unterschrift

 

Was macht ein gutes Arbeitszeugnis aus?

Die formalen Selbstverständlichkeiten sind die Grundlage eines guten Arbeitszeugnisses. Hierbei handelt es sich um einen ordentlichen, unterzeichneten Ausdruck auf Firmenpapier ohne Flecken, schwächelnden Toner oder schiefen Einzug. Versandknicke müssen nur dann toleriert werden, wenn sie bei einer Kopie nicht mehr sichtbar sind.

Die inhaltliche Erstellung eines wirklich guten Arbeitszeugnisses ist aufwendig. Einerseits war Ihnen sicher schon bekannt, dass es Standardformulierungen gibt, die Notenstufen entsprechen. Diese müssen sich in einem guten Zeugnis wiederfinden, damit der künftige Arbeitgeber das Zeugnis zutreffend einordnen kann. Hierneben zeichnet sich ein hervorragendes Arbeitszeugnis dadurch aus, dass es neben den Standardsätzen mit Leben gefüllt ist, also beispielsweise auf geglückte Projekte, herausragende Fähigkeiten und absolvierte Fortbildungen konkret und individuell eingegangen wird. Abgerundet wird ein gutes Zeugnis in aller Regel mit der sogenannten Schlussformel, mit denen der Arbeitgeber sein Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, seinen Dank für dessen (sehr) gute Leistung und gute Wünsche für den weiteren Weg ausspricht.

Kein Anspruch auf Abschlussformulierungen

Auch wenn das Fehlen von Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formeln den Eindruck von dem beendeten Arbeitsverhältnis signifikant verschlechtern kann, besteht auf diese Formulierungen grundsätzlich kein Anspruch. Das hat das Bundesarbeitsgericht vor Kurzem noch einmal bestätigt (BAG, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 146/21). Der Grund hierfür ist, dass es sich um die Wiedergabe subjektiver Empfindungen handelt. Der Arbeitgeber kann aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht verpflichtet werden, Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu empfinden oder diesem alles Gute zu wünschen.

Aber: Bindung an erteilte Abschlussformulierungen

 

Hat der Arbeitgeber allerdings bereits eine Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel in das Arbeitszeugnis aufgenommen, kann die oben beschriebene Bindungswirkung eintreten. So hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem aktuellen Urteil (Urteil des LAG Niedersachsen vom 12.07.2022, Az. 10 Sa 1217/21) entschieden. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

Die in den ersten beiden Instanzen obsiegende Klägerin wird auch in dem Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (Az. 9 AZR 272/22) durch die Kanzlei KERNER Rechtsanwälte Fachanwälte für Arbeitsrecht vertreten.

Der Fall: Dritte Ausfertigung ohne Dank, Bedauern und gute Wünsche

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der beklagte Arbeitgeber der späteren Klägerin ein Zeugnis erteilt, welches als Schlussformulierung eine Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel wie folgt: „Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ enthielt. Nachdem die Klägerin unter anderem unter Bezug auf die Bindungswirkung eines zuvor erteilten Zwischenzeugnisses zwei Mal Korrekturen des Arbeitszeugnisses verlangt hatte, erteilte der Arbeitgeber eine dritte Version. Obwohl die beiden zuvor erteilten Zeugnisversionen mit der vorgenannten Schlussformulierung abschlossen und die Klägerin keine Anpassung der Schlussformulierung verlangt hatte, enthielt die zuletzt erteilte Fassung des Zeugnisses zwar die gewünschte Leistungsbeurteilung, die Dankes- und Bedauernsformel sowie die guten Wünsche für die Zukunft fehlten nun allerdings.

Für die Arbeitnehmerin haben wir Klage erhoben mit dem Ziel, diese Formulierungen wieder in das Zeugnis aufnehmen zu lassen. Schließlich habe sich der Arbeitgeber bereits an diese – sonst nicht einklagbaren – Formulierungen gebunden. Der Arbeitgeber sah das anders. Da die gewünschte Formulierung nicht gesetzlicher Inhalt eines Arbeitszeugnisses sei, nehme sie auch nicht an der Bindungswirkung eines erteilten Zeugnisses teil. Darüber hinaus sei eine Bewertungsänderung bei Kenntnis neuer Tatsachen zulässig, ein gegenüber der Arbeitnehmerin eingetretenes geändertes Empfinden sei genauso zu behandeln.

Das Urteil: Spätere Änderung der Gefühlslage ohne Bedeutung

Sowohl vor dem Arbeitsgericht in erster als auch vor dem Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz obsiegte die Klägerin (Urteil des LAG Niedersachsen vom 12.07.2022, Az. 10 Sa 1217/21). Der Arbeitgeber wurde verurteilt, die ursprüngliche Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel wieder in das Arbeitszeugnis aufzunehmen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Arbeitgeber diese ursprünglich selbst in das Zeugnis eingebracht hatte. Die Streichung und sodann Weigerung, die Formulierung wieder aufzunehmen, verstieß nach Ansicht des Gerichts gegen Treu und Glauben. Die Selbstbindung ergibt sich zudem aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbotes. Ob der Arbeitgeber die, mit dem ursprünglichen Zeugnis ausgedrückten, positiven Empfindungen inzwischen verloren habe, sei ohne Belang, da es insoweit auf das Beendigungsdatum ankomme. Entscheidend war auch, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine Ergänzung oder Umformulierung der von dem Arbeitgeber zunächst selbst aufgenommenen Schlussformulierung wollte, sondern nur die Wiederaufnahme der Schlussformulierung, mit der die ersten beiden Zeugnisversionen abschlossen. Zwar könne der Arbeitnehmer keine Ergänzung oder Umformulierung beanspruchen; da jedoch vom Arbeitgeber keine Umstände vorgetragen waren, die ein Abrücken vom ursprünglichen Zeugnistext rechtfertigen und die Klägerin nur die exakte Wiedergabe des ursprünglichen Wortlautes in der Schlussformel begehrte, ist der Arbeitgeber hieran gebunden.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.

 

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