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25. August 2017 / by kanzleiKerner

Urlaub – Staffelung nach Alter oft unwirksam

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, verbietet Diskriminierungen unter anderem wegen des Alters, des Geschlechtes, einer Behinderung oder der Herkunft eines Arbeitnehmers.

Sehr selten trifft man im Arbeitsleben auf einen Fall unmittelbarer Diskriminierung, also beispielsweise einer ausdrücklichen Regelung, dass weibliche Mitarbeiter oder Mitarbeiter über 50 Jahre ein um x % geringeres Gehalt erhalten.

Das war auch vor dem AGG schon so, denn so etwas macht sich nicht gut. Was ist aber, wenn Arbeitnehmern einer bestimmten (Alters-)Gruppe etwas Gutes getan werden soll? Schnell kann hieraus eine mittelbare Diskriminierung werden, wenn die andere Gruppe auf diese Weise benachteiligt wird.

Dabei verbietet das AGG nicht unter allen Umständen eine Ungleichbehandlung. Nach § 10 S. 1 AGG kann eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, wenn sie auf ein legitimes Ziel gerichtet ist, zur Zielerreichung sinnvoll und erforderlich ist.

Bisher

Lange Zeit war es – unter Berufung auf § 10 AGG auch nach dessen Einführung – daher verbreitet, älteren Mitarbeitern mehr Urlaubstage zu gewähren als jüngeren. Als Begründung wurde das gesteigerte Erholungsbedürfnis der älteren Arbeitgeber angesehen. Solche Regelungen fanden (und finden) sich in Tarifverträgen, kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, aber auch in Einzelarbeitsverträgen.

In den letzten Jahren wurde mehrfach durch Arbeitnehmer, die die höchste Altersstufe noch nicht erreicht hatten, gegen solche Regelungen geklagt. Ziel war hierbei nicht, dass die älteren Arbeitnehmer genauso wenig Urlaub erhalten sollten wie die Jüngeren, sondern im Gegenteil die Jüngeren gleichviel Urlaubstage gemessen an dem Maximalurlaub der höchsten Altersstufe.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zu der Frage recht klar positioniert.

 Az. 9 AZR 956/12, “Birkenstock-Urteil”

Hier wollte der Arbeitgeber für Arbeitnehmer im Produktionsbetrieb ab 58 Jahre den Urlaubsanspruch von 34 Tagen auf 36 Tage anheben. Begründung war insbesondere die – unbestritten – körperlich anspruchsvolle Arbeit.

Diese Regelung bewertete das Bundesarbeitsgericht als wirksam. Aufgrund der körperlich anspruchsvollen Arbeit sei es gerechtfertigt, den Produktionsmitarbeitern mit zunehmendem Alter (in moderatem Umfang) mehr Urlaub zu gewähren. Die Regelung differenziere zwar nach dem Alter, diese Differenzierung sei aber gerechtfertigt.

(Az. 9 AZR 123/16)

Hier wollte der Arbeitgeber im Hotel- und Gaststättengewerbe den Urlaub staffeln und unter anderem für Arbeitnehmer ab 50 Jahren den Urlaubsanspruch von 27 Urlaubstagen auf 30 Urlaubstage anheben.

Der Arbeitgeber behauptete hierzu, die Staffelung, beginnend mit dem 26. Lebensjahr, solle die Berufsfähigkeit für das Gewerbe dauerhaft ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei mit Verschleißerscheinungen zu rechnen. Regelmäßig trete bereits nach dem 25. Lebensjahr „ein biologisch bedingter stetiger Verlust der Körperkraft“ ein. Außerdem würde der wirtschaftliche Erfolg der Branche besonders durch sein Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten bestimmt. Da die Pflege dieses Erscheinungsbilds mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch mit zunehmendem Alter entsprechend erhöht.

Die Regelung wurde wegen Altersdiskriminierung als unzulässig bewertet mit der Folge, dass sämtliche Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen beanspruchen konnten.

Das Bundesarbeitsgericht führte hierzu aus:

Der von der Beklagten behauptete Erfahrungssatz, infolge einer Abnahme der physischen Belastbarkeit sei bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, generell von einem erhöhten Urlaubsbedürfnis und einer längeren Regenerationszeit auszugehen, existiert in dieser Allgemeinheit nicht.“

Das Gericht machte deutlich, dass zwar in bestimmten Berufsbildern ab einem bestimmten Alter der Erholungswert erhöht sein kann. Wenn die Urlaubsstaffelung aber auch Mitarbeiter mit nicht körperlich belastender Arbeit erfasst (wie hier z.B. Verwaltungsmitarbeiter), kann dies keine Rechtfertigung für den Mehrurlaub darstellen.

 (Az. 9 AZR 534/15)

Die Arbeitnehmerin war eine Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer Klink. Der Tarifvertrag sah einen von 28 auf 30 Urlaubstage erhöhten Urlaubsanspruch für Arbeitnehmer ab 50 Jahren vor.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass diese Regelung als nicht gerechtfertigte Altersdiskriminerung unwirksam ist und deshalb für alle Mitarbeiter „nach oben“ angepasst werden muss, also alle Mitarbeiter Anspruch auf den Maximalurlaub haben.

Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht bemängelt, dass der Arbeitgeber zwar pauschal behauptet habe, alle Arbeitnehmer hätten körperlich anspruchsvolle Arbeit zu verrichten. Wiederum sei aber nicht konkret nach Berufsgruppen differenziert worden, sondern auch Arbeitnehmer wie z.B. Verwaltungsmitarbeiter erfasst.

… die Luft für Altersstaffelung sowohl im Urlaub als auch hinsichtlich aller anderen Annehmlichkeiten im Arbeitsverhältnis ist dünn geworden. Sollte eine solche Regelung nach den neueren Tendenzen vom Bundesarbeitsgericht überhaupt noch für wirksam gehalten werden, dann nur, wenn der Zweck der Differenzierung des Urlaubs (gesteigertes Erholungsbedürfnis) klar benannt wird, definitiv nur Mitarbeiter betroffen sein können, die körperlich hart arbeiten und die Altersstaffelung ein moderates Maß wahrt.

Das sind gute Nachrichten für Arbeitnehmer der unteren Altersstufen, die eine solche Regelung – meistens in einem auf Sie anwendbaren Tarifvertrag – vorfinden. Diese haben häufig Erfolgsaussichten, mehr Urlaub geltend zu machen.

(Fast) alles, was Sie sonst noch zum Thema Urlaub wissen sollten, finden sie hier.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Urlaub? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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