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2. September 2015 / by Katja Kläfker

Eine späte Ehe ist keine Ehe zweiter Klasse – Unwirksamkeit der Spätehenklausel

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.2015

Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur Altersdiskriminierung haben derzeit Konjunktur. In dem Urteil vom 11.02.2015 hatte das BAG das Thema gestreift, als es um die Frage der befristeten Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Renteneintrittsalters ging. Mit Urteil vom 23.07.2015 urteilte das BAG, dass eine Kündigung mit der Begründung, der Arbeitnehmer sei „inzwischen pensionsberechtigt“ eine solche Altersdiskriminierung darstellt. Und nun entschied das Gericht zur Witwenrente, dass die sog. Spätehenklausel ebenfalls wegen Altersdiskriminierung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt und daher unwirksam ist.

Spätehenklauseln

Worum geht es? Verträge zur betrieblichen Altersvorsorge sehen regelmäßig eine Hinterbliebenenrente für den Todesfall eines Arbeitnehmers vor, insbesondere für die Witwe oder den Witwer. Häufig findet sich hier auch eine Klausel, die besagt, dass bei einer späten Heirat, nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem bereits Rente bezogen wird, die Hinterbliebenenrente ausgeschlossen ist. Eine solche Klausel nennt man Spätehenklausel. Diese Klausel soll dem Arbeitgeber Schutz bieten, falls ältere ehemalige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bedeutend jüngere Partner heiraten, die nach dem Tod des Bezugsberechtigten viele Jahre lang Hinterbliebenenrente beanspruchen könnten und auf diese Weise eine enorme finanzielle Belastung darstellen würden.

Bisherige Rechtsprechung

Das AGG untersagt eine Benachteiligung von Arbeitnehmern aufgrund ihres Alters. Auch nach dem Inkrafttreten des AGG am 18.06.2006 urteile das BAG aber noch im Jahr 2013, eine solche Spätehenklausel sei jedenfalls keine unzulässige Altersdiskriminierung. Der Kläger aus dem Jahr 2013 bezog zum Zeitpunkt der Eheschließung – mit einer Frau, mit der er in erster und zwischenzeitlich geschiedener Ehe bereits jahrzehntelang verheiratet war – Betriebsrente. Die Auskunft der Unterstützungskasse, seine neue und alte Ehefrau sei im Fall seines Todes aufgrund der Spätehenklausel nicht bezugsberechtigt, wollte der Rentner nicht hinnehmen und klagte auf Feststellung, dass sein Betriebsrentenanspruch auch eine Witwenrente umfasst. Hierbei konnte er im Verfahren neben dem Argument der Altersdiskriminierung noch das Argument ins Feld führen, die Ehe sei lediglich „vorübergehend unterbrochen“ gewesen. Ungeachtet dessen verlor er durch alle Instanzen. Mit der Spätehenklausel begrenze der Arbeitgeber zulässig sein Versorgungsrisiko, urteile letztinstanzlich das BAG (Urteil des Bundearbeitsgerichts vom 15.10.2013 Az. 3 AZR 294/11).

Das aktuelle Urteil

Von dieser Rechtsprechung wandte sich das BAG nun in einem neuen Fall ab und erklärte eine Spätehenklausel wegen Altersdiskriminierung für rechtswidrig. Die Klausel sah vor, dass zusätzliche Voraussetzung der Zahlung einer Witwen-/Witwerrente die Eheschließung des versorgungsberechtigten Mitarbeiters vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres sei. Geklagt hatte eine Witwe, die wegen der Spätehenklausel von der Hinterbliebenenrente ausgeschlossen war, da ihr verstorbener Mann sie ein Jahr „zu spät“ geheiratet hatte. Entsprechend der bis dato höchstrichterlichen Rechtsprechung verlor die Frau in den Vorinstanzen, bekam aber nun vor dem BAG Recht. In dem Urteil heißt es, die Klausel sei aufgrund des AGG unwirksam, weil sie den verstorbenen Ehepartner wegen seines Alters benachteilige. Dies stelle eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen des Arbeitnehmers dar, welche auch nicht aus dem AGG selbst gerechtfertigt werden könne.

Fazit

Im Jahr 2013 gab es wegen des klaren Wortlauts des AGG bereits kritische Stimmen zu der Einschätzung des BAG, die Spätehenklauseln stellten keine unzulässige Diskriminierung dar. Unverständlich war die Rechtmäßigkeit dieser Klauseln insbesondere den Menschen, welche sich schlicht erst spät gefunden hatten und entsprechend spät ihre Eheschließung vornahmen. Der nun erfolgte Umschwung in der Rechtsprechung könnte aber neben den Erwägungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch europarechtlichen Tendenzen geschuldet sein, welche Altersdiskriminierung ebenfalls untersagen. In jedem Fall wird das aktuelle Urteil für Anpassungsbedarf bei vielen Verträgen hinsichtlich der betrieblichen Altersvorsorge sorgen und auch die Betroffenen werden nun ihre Rechte verstärkt wahrnehmen.

 

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