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26. Januar 2018 / by kanzleiKerner

Das neue Entgelttransparenzgesetz

Seit vergangener Woche können Ansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz geltend gemacht werden. So viel vorweg: Die Antwort auf die Frage „Wie viel verdient eigentlich mein Kollege Müller?“ bekommen Sie auch mit dem neuen Gesetz nicht. Dieses hat nämlich einen anderen Ansatz: Vorranging Arbeitnehmerinnen sollen überprüfen können, ob sie strukturell ungleich bezahlt werden.

Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamts beträgt die Entgeltdifferenz zwischen Männern und Frauen 21 Prozent. Bereinigt, also bezogen nur auf gleiche Arbeit, beträgt sie schätzungsweise noch 6 Prozent. Diese Lücke summiert sich über ein Erwerbsleben auf einen stattlichen Betrag. Nationale wie auch europäische Gesetzgeber bemühen sich daher seit einiger Zeit darum, Entgeltdiskriminierung im Erwerbsleben zu verringern.

Aber von vorne: Dürfen Arbeitnehmer eigentlich ungleich bezahlt werden? Grundsätzlich ja. Es gibt im Arbeitsrecht keinen allgemeinen Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Das Gehalt ist Hauptleistungspflicht des Arbeitsverhältnisses, für den Arbeitnehmer ist die spiegelbildliche Hauptleistungspflicht die Arbeitsleistung. Solche Hauptleistungspflichten sind von krassen Fällen abgesehen frei verhandelbar. Wenn Arbeitnehmer A also für seine Arbeit ein Gehalt von 2.500,00 € verhandelt und Arbeitnehmer B bei demselben Arbeitgeber für dieselbe Tätigkeit ein Gehalt von 2.300,00 €, liegt zunächst einmal keine Diskriminierung zu Grunde, sondern legitimes Verhandlungsgeschick oder eine für den Arbeitnehmer günstige Marktlage.

Es gibt aber auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, auf eine Ausnahme bezieht sich das neue Gesetz.

Wird allen Arbeitnehmern im Betrieb des Arbeitgebers ein gleicher Standard gewährt und werden willkürlich einzelne Arbeitnehmer(gruppen) hiervon ausgenommen, also schlechter behandelt, ist dies arbeitsrechtlich untersagt. Willkürlich bedeutet, dass es keinen sachlichen Grund für eine Schlechterstellung genau dieses Arbeitnehmers bzw. dieser Gruppe von Arbeitnehmern gibt. Ein sachlicher Grund kann insbesondere die Verschiedenheit der Arbeitsleistung sein, der reine Geschlechtsunterschied zwischen Männern und Frauen ist – selbstverständlich – kein sachlicher Grund für einen Entgeltunterschied bei gleicher Arbeit. Schon aus diesem allgemeinen Grundsatz ergibt sich also, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit zwar nicht unbedingt gleich bezahlt werden müssen, Frauen aber jedenfalls nicht strukturell aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt werden dürfen. So wäre es unzulässig, wenn ein Arbeitgeber beschließt, Frauen künftig im Gegensatz zu Männern keine Sonderzahlung mehr zu gewähren oder ihren Stundenlohn immer 1,00 € niedriger anzusetzen als bei einem Mann.

Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ergibt sich im Speziellen auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Hier ist in § 1 eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund des Geschlechts ausdrücklich untersagt; unter anderem auch hinsichtlich des Arbeitsentgeltes.

Das Gebot des gleichen Entgeltes zwischen Männern und Frauen ist darüber hinaus auch europarechtlich geregelt. Art. 157 AEUV sieht vor, dass

jeder Mitgliedsstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgeltes für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherstellt.

Weil doppelt bzw. in diesem Fall dreifach besser hält, verbietet auch das neue Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in § 3 Abs. 2 noch einmal ausdrücklich die Lohndiskriminierung zwischen den Geschlechtern.

Wird eine Person wegen ihres Geschlechts geringer bezahlt als eine Person des jeweils anderen Geschlechts, in der Regel also eine Frau geringer als ein Mann, liegt eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung im Sinne des neuen Gesetzes vor. Dabei ist es gleichgültig, ob die unterschiedliche Bezahlung auf einem individuell verhandelnden Arbeitsvertrag oder einer kollektiven Regelung, also einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, beruht.

Zugleich ist auch eine mittelbare Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern untersagt. Hierbei handelt es sich um Regelungen, die scheinbar an neutrale Kriterien anknüpfen, allerdings im Ergebnis ein Geschlecht benachteiligen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer(inne)n, die in Teilzeit tätig sind. In Teilzeit sind weit überwiegend Frauen beschäftigt, während Männer überwiegend voller Erwerbstätigkeit nachgehen. Wird Teilzeitarbeit also nicht anteilig genauso behandelt und bezahlt wie volle Erwerbstätigkeit, handelt es sich um eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts. Arbeitgeber sind entsprechend verpflichtet, beispielsweise Sonderzahlungen und Weihnachtsgelder anteilig auch den in Teilzeit tätigen Arbeitnehmern zu zahlen.

Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des Gesetzes ausdrücklich die Lohngleichstellung der Geschlechter im Blick. Das Gesetz gilt aber nicht nur für Frauen, auch Männer können es sich zunutze machen, um eine systematische Diskriminierung gegenüber Frauen geltend zu machen, falls eine solche vorliegt. Erforderlich für die Ansprüche nach dem Gesetz ist allerdings jeweils das Vorliegen eines größeren Betriebes.

Einen Auskunftsanspruch haben alle Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber, wenn mindestens sechs Mitarbeiter des jeweils anderen Geschlechts als der Auskunftseinholende gleiche oder gleichwertige Arbeitsleistung erbringen. In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Auskunft über das Vergleichsgehalt dieser Mitarbeitergruppe (der Median).

Die Einleitung eines betrieblichen Verfahrens zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit ist in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen möglich. Hier muss der Arbeitgeber die gesamten Gehaltsstrukturen überprüfen und Bericht darüber erstatten.

Nein, das gestattet das Gesetz nicht. Der neue Auskunftsanspruch ermöglicht lediglich, das Vergleichsentgelt aus einer Gruppe von mindestens sechs Personen zu erfragen. Ein Auskunftsanspruch zu speziellen Personen gibt es nicht, auch Rückschlüsse auf Gehälter bestimmter Mitarbeiter sollen durch die Gruppenbildung vermieden werden.

Das Auskunftsverlangen wird entweder an den Betriebsrat oder an den Arbeitgeber direkt gerichtet. Sofern der Weg über den Betriebsrat gegangen wird, kann Anonymität gewährleistet werden. Der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin muss in der Anfrage Angaben zu der eigenen Tätigkeit machen, damit eine Vergleichsgruppe gebildet werden kann. Erfragt wird dann die Höhe des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts der benannten Vergleichstätigkeit. Es können auch die Vergleichswerte für einzelne Lohnbestandteile wie Zulagen erfragt werden.

Das Diskriminierungsverbot bezieht sich auf gleiche oder gleichwertige Arbeit (§ 4 Abs. 1, 2 EntgTranspG). Der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit ausgeführt, was gleiche Arbeit in diesem Sinne ist. Diese Definitionen können für das neue Gesetz herangezogen werden.

Gleiche Arbeit bedeutet demnach, dass Arbeitnehmer an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz identische oder gleichartige Tätigkeiten ausführen. Das heißt, die Beschäftigten müssen sich bei Bedarf gegenseitig ersetzen können. Gleichwertig ist eine Arbeit, wenn sie objektiv vergleichbar ist. Das ist der Fall, wenn für die Arbeit die gleichen Anforderungen an Qualifikation, Ausbildung und Verantwortung gelten.

Nein, denn die Angabe des Vergleichswertes aufgrund des Auskunftsanspruchs beweist noch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Es bleibt Aufgabe des betroffenen Arbeitnehmers bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin, nachzuweisen, dass eine solche Diskriminierung vorliegt. Die Auskunft über den Vergleichswert des Entgeltes liefern hierfür ein Indiz. Kann mit diesem Indiz und weiteren Tatsachen eine Diskriminierung nachgewiesen werden, muss der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer den Lohn zahlen, der für die geleistete Arbeit nach objektiven Maßstäben angemessen ist. Dieses Gehalt kann also sogar über dem Vergleichswert liegen.

Im Ergebnis hält das Gesetz nicht so recht, was der sehr umfassend klingende Titel „Entgelttransparenzgesetz“ verspricht. Zum einen wird hier lediglich auf die Entgeltdifferenz zwischen den Geschlechtern Bezug genommen – so kann sich etwa ein ausländischer Arbeitnehmer nicht auf das Gesetz stützen, um eine Diskriminierung wegen seiner Herkunft geltend zu machen. Außerdem können sich nur Arbeitnehmer(innen) in größeren Betrieben mit mehren hundert Mitarbeitern auf das Gesetz stützen und entsprechende Auskünfte einholen. Dies betrifft nur einen sehr geringen Prozentsatz der Arbeitgeber, welche zumeist ohnehin schon umfangreich tarifgebunden sind und häufig bereits entsprechende Standards einhalten. Außerdem müssen nach wie vor die Arbeitnehmer(innen) beweisen, dass nicht nur eine Entgeltdifferenz, sondern auch eine Diskriminierung vorliegt, was durch den Auskunftsanspruch zwar erleichtert wird, aber alleine noch nicht ausreicht (näher zu den Voraussetzungen hier).

Das heiß diskutierte Gesetz mag daher zwar ein ehrenwertes Ziel verfolgen, es wird sich aber erst noch zeigen müssen, ob es auch in der Praxis zur Entgeltgleichheit beiträgt.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Entgeltgleichheit bzw. Diskriminerung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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