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22. September 2016 / by kanzleiKerner

Wissenswertes und Kurioses rund ums Arbeitszeugnis

Wir beantworten in dieser Woche häufige Fragen zum Thema Arbeitszeugnis und stellen Urteile rund um das Thema „Geheimzeichen“ vor.

Komisch, ich habe noch gar kein Zeugnis bekommen…

Das kann daran liegen, dass Sie noch nicht danach gefragt haben. Oft stellen Arbeitgeber das Arbeitszeugnis unaufgefordert zum Ende des Arbeitszeugnisses aus. In § 109 Abs. 1 GewO heißt es aber: „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.“

Schon an diesem Wahlrecht sehen Sie: Von sich aus muss der Arbeitgeber kein Zeugnis ausstellen.

Mein Zeugnis ist geknickt!

Manchmal ist am Ende eines Arbeitsverhältnisses sogar das Zeugnis geknickt. Und zwar, weil der Arbeitgeber das Porto für einen DIN C4-Umschlag sparen wollte. Das sieht nicht schön aus, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber entscheidend, ob eine Kopie ohne sichtbare Knickränder möglich ist. Falls ja, ist das Zeugnis ordnungsgemäß, falls nein ist es neu zu erteilen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.1999, Az. 9 AZR 839/98).

Andere Unordentlichkeiten sind übrigens nicht hinzunehmen: Flecken, sichtbare Korrekturen oder ähnliches führen unmittelbar zu einem Anspruch auf Neuerteilung.

Mein Zeugnis ist weg?! 

Wasserschaden, Umzug oder „Letztes Mal war es noch da.“: Es kann vorkommen, dass das Arbeitszeugnis verloren geht. Rechtlich betrachtet ist ihr Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses erloschen, denn Sie haben ja bereits ein Arbeitszeugnis erhalten. Allerdings ist das Arbeitszeugnis eine für das berufliche Fortkommen sehr wichtige Urkunde. Daher verpflichtet die Rechtsprechung Arbeitgeber im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, eine neue Ausfertigung zu erteilen (bspw. LAG Hessen: Urteil vom 07.02.2011, Az: 16 Sa 1195/10).

Existiert Ihr ehemaliger Arbeitgeber in der damaligen Form noch und ist das Arbeitsverhältnis nicht allzu lange her, dürfte die Sache glimpflich ablaufen; das Zeugnis neu auszudrucken und zu unterschreiben ist stets im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. Anders ist es, wenn Ihre Personalunterlagen (einschließlich des Zeugnisses) bei Ihrem Arbeitgeber nicht mehr gespeichert ist und niemand mehr dort beschäftigt ist, der Sie nachträglich beurteilen kann.

Pssst… geheim!

Geheimzeichen oder -codes im Arbeitszeugnis sind verboten. Der Anspruch des Arbeitnehmers ist auf ein Zeugnis gerichtet, dass von Wahrheit und Wohlwollen getragen ist (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.1960, Az. 5 AZR 560/58; Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.26.11.1963, Az. VI ZR 221/62). Im Gesetz heißt es dazu: [ Das Zeugnis ] darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. (§ 109 Abs. 2 GewO).

Das bedeutet für den Arbeitgeber: Er muss ein Zeugnis schreiben, dass gleichzeitig wohlwollend und wahr ist und keine Formulierungen oder Zeichen enthält, die den potenziellen neuen Arbeitgeber „auf dumme Gedanken“ bringt.

Wenn man den Gerüchten glauben darf, sind Geheimzeichen und -codes allerdings das Mittel der Wahl, um von Arbeitgeber zu Arbeitgeber zu kommunizieren: „Besser nicht einstellen!“. Zu Geheimzeichen in diesem Sinne sollen die Formulierungen im Arbeitszeugnis selbst, aber auch die äußeren Unregelmäßigkeiten gehören. Beispiele aus der Literatur gefällig? Ausrutscher bei der Unterschrift nach links bzw. rechts: Arbeitnehmer ist Mitglied einer links- bzw. rechtsgerichteten Organisation. Strich neben der Unterschrift: Arbeitnehmer ist Mitglied einer Gewerkschaft. Fehlender Punkt am Ende des Zeugnisses: Der Arbeitnehmer hat am Ende des Arbeitsverhältnisses geklagt (er hat „keinen Punkt gemacht“). Verwendung der Buchstaben YY neben der Unterschrift: Alkoholproblem (symbolisierte Gläser).

Unsere Top-3-Urteile zu Geheimzeichen:

  1. Bitte nachfragen! 

Das Arbeitsgericht Herford hat einen Arbeitgeber verurteilt, die Formulierung „Gerne stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber von (Name) hinsichtlich Nachfragen über die Qualität der für uns geleisteten Arbeit zur Verfügung.“ aus dem Arbeitszeugnis zu streichen.

Eine solche Formulierung erweckt den Eindruck, die Arbeit des Arbeitnehmers entspreche nicht den Beurteileilungen im Zeugnis, sondern es gäbe noch mehr – und nicht nur Gutes – zu sagen.

(Arbeitsgericht Herford, Urteil vom 01.04.2009, Az. 2 Ca 1502/08).

  1. Bitte lächeln! 

Das Arbeitsgericht Kiel verurteilte einen Arbeitgeber, mit einem lächelnden Smiley zu unterschreiben. Der Inhaber einer ergotherapeutischen Praxis gestaltete seine Unterschrift auf dem Arbeitszeugnis so, dass bei genauem Hinsehen ein Smiley mit einem nach unten gezogenen Mund sichtbar war. Der Arbeitgeber war der Auffassung, so unterschreiben zu dürfen, da er dies immer tue. Das Arbeitsgericht hingegen war der Auffassung, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf ein Zeugnis, das bei dem potenziellen neuen Arbeitgeber keine negativen Gefühle weckt. Der Chef musste also neu – mit einem lachenden Smiley – unterschreiben.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 4.04.2013, Az. 5 Ca 80 b/13

  1. Bitte keine Silbentrennung!

Silbentrennung in Baden-Württemberg: Der Arbeitgeber hatte bei 14 von 59 Zeilen eine – grammatikalisch korrekte – Silbentrennung im Arbeitszeugnis vorgenommen. Die Arbeitnehmerin sah hierdurch das Schriftbild und damit auch den Inhalt entwertet, es handele sich um ein (bzw. mehrere?) Geheimzeichen. Das sahen die Gerichte in erster und zweiter Instanz anders: Nur wenn eine auffällige Häufung an Silbentrennungen den Eindruck erweckt, diese sei mit Absicht herbeigeführt worden, könne man von einem Geheimzeichen sprechen. Das Zeugnis musste nicht korrigiert werden.

LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.11.2014, Az.: 3 Sa 21/14)

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