Es ist kalt und dunkel und noch nicht wirklich Weihnachten, was ist eigentlich gut am November bzw. an Anfang Dezember? Etwa der Hälfte der deutschen Arbeitnehmer fällt dazu etwas ein: Es gibt Weihnachtsgeld.
Allerdings ist Anfang Dezember für manche Arbeitnehmer auch der Moment, an dem es gerade kein Weihnachtsgeld gibt. Ein Grund für uns, zu erklären, wann ein Anspruch besteht.
„Weihnachtsgeld Gesetz“ ist eine beliebte Suchanfrage bei google. Es gibt allerdings weder ein eigenes Gesetz, das Sonderzahlungen regelt noch überhaupt eine gesetzliche Regelung hierzu. Ganz von alleine hat also kein Arbeitnehmer Anspruch auf Weihnachtsgeld oder sonstige Zahlungen neben dem Gehalt.
Es gibt fünf Möglichkeiten, wie ein Anspruch auf eine Sonderzahlung entstehen kann:
- Ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag (z.B. „Der Arbeitnehmer erhält mit dem Novembergehalt ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes.“)
- Ausdrückliche Regelung in einem anwendbaren Tarifvertrag / einer Betriebsvereinbarung (z.B. in § 20 TV-L, Jahressonderzahlung mit dem Novembergehalt)
- Betriebliche Übung
- „Individuelle betriebliche Übung“
- Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Die ersten beiden Fälle bereiten wenig Probleme. Der Anspruch besteht und daher muss das Weihnachtsgeld auch gezahlt werden. Mit der einfachen Begründung, dass es „gerade nicht so gut läuft“ kann sich ein Arbeitgeber hiervon nicht lösen.
Was ist eine betriebliche Übung?
Der Begriff betriebliche Übung ist eine Umschreibung dafür, dass der Arbeitgeber sich so verhält, dass die Arbeitnehmer, alle oder mindestens eine abgrenzbare Gruppe, davon ausgehen dürfen, dass es auch in Zukunft dabei bleibt.
Beispiel:
Der Arbeitgeber zahlt seit 10 Jahren jedes Jahr mit dem Novembergehalt kommentarlos ein Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld aus. Die Arbeitnehmer werden daher auch im 11. Jahr diese Zahlung erwarten und hiermit planen.
Das Bundesarbeitsgericht schützt dieses Vertrauen. Es vertritt die Auffassung, dass der Arbeitgeber ab einer bestimmten Wiederholung nicht nur Geld überwiesen hat, sondern gleichzeitig das Angebot gemacht hat, künftig immer mit dem Novembergehalt ein zusätzliches Bruttomonatsgehalt zu zahlen. Weiter wird unterstellt, dass dieses Angebot durch die kommentarlose Entgegennahme des Geldes angenommen wird. Ab diesem Moment ist die jährliche Zahlung ein echter, lediglich nicht schriftlich niedergelegter, Bestandteil des Arbeitsvertrags. Der Arbeitgeber kommt hiervon fast nicht mehr los.
Wann ist dieser Moment? Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass bei der dritten regelmäßigen Zahlung, die ohne die ausdrückliche Erklärung, dass diese Zahlung freiwillig erfolgt und deshalb in Zukunft nicht unbedingt genauso gezahlt wird erfolgt, stillschweigend das Angebot ausgesprochen und angenommen wird.
Wie funktioniert ein Freiwilligkeitsvorbehalt – und wie nicht?
Der obige Grundfall ist sehr selten geworden. Meistens werden sowohl der Arbeitsvertrag als auch die Gehaltsabrechnungen mit umfassenden Freiwilligkeitsvorbehalten versehen oder diese werden mit „Weihnachtsbriefen“ erklärt. Achtung: Hier hilft viel nicht viel! Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss klar und eindeutig sein. Je komplizierter die Formulierung ist, umso eher ist sie unwirksam.
Das führt dann zu dem (etwas seltsamen, aber arbeitnehmerfreundlichen) Ergebnis, dass zwar klar ist, dass sich der Arbeitgeber eine Bindung für die Zukunft nicht wollte, er aber juristisch betrachtet trotzdem das stillschweigende Angebot unterbreitet hat, diese Zahlungen in Zukunft zu leisten. Und damit gebunden ist!
Das ist wirksam:
„Die Zahlung des Weihnachtsgeldes erfolgt als freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Auch bei mehrmaliger Zahlung und wiederholter Gewährung ergibt sich kein Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für die Zukunft.“
Diese Erklärung im Arbeitsvertrag und bei jeder Zahlung verhindert eine betriebliche Übung. Ob eine Erklärung nur im Arbeitsvertrag reicht, ist nicht ganz geklärt. bei mehrfacher gleichförmiger Zahlung wird der Vorbehalt vermutlich irgendwann „überholt“.
Das ist unwirksam:
„Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und begründen keinen Anspruch für die Zukunft.”
Das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Formulierung im Jahr 2011 entschieden, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt für alle zukünftigen Leistungen den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Er ist damit gegenstandlos. Hier ist der Arbeitgeber nämlich über das Ziel hinausgeschossen, da dieser Freiwilligkeitsvorbehalt auch Leistungen erfassen würde, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für geleistete Arbeit erhält und das wäre massiv unfair.
„Die Zahlung des Weihnachtsgeldes erfolgt als freiwillige und jederzeit widerrufliche Leistung des Arbeitgebers.“
Diese Klausel fand sich jahrelang in Muster-Arbeitsverträgen. Sie funktioniert ebenfalls nicht, auch diese Klausel ist gegenstandslos und verhindert eine betriebliche Übung nicht. Entweder ist die Zahlung freiwillig, dann gibt es keinen Anspruch. Oder sie ist widerruflich, das macht allerdings nur Sinn, wenn es auch einen Anspruch gibt. Damit ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr klar, was der Inhalt der Regelung sein soll.
Ja, für eine klassische betriebliche Übung muss der Arbeitgeber an mehrere Arbeitnehmer in einer gleichförmigen Weise leisten, deshalb heißt es „betriebliche“ Übung.
Das Bundesarbeitsgericht wird aber nicht müde, zu betonen, dass auch im Verhältnis eines einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber ein stillschweigendes Angebot ausgesprochen werden kann. Wir haben dieses Vorgehen oben untechnisch „individuelle betriebliche Übung“ genannt. Hier wird man aber nicht ohne Weiteren die „3 x vorbehaltlos gezahlt“-Formel heranziehen können. Hier kommt es tatsächlich auf den Einzelfall an, wann ein Arbeitnehmer davon ausgehen darf, dass auch weiterhin ein gleiches Verhalten erfolgen wird.
Wettbewerbsfreiheit gilt auch erst einmal im Arbeitsrecht: Welches Gehalt und welche Sonderzahlungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verhandeln, ist oberhalb des Mindestlohns ihre Sache – auch wenn andere Mitarbeiter mehr oder weniger erhalten.
Diese Freiheit hat ihre Grenzen dort, wo einzelne Arbeitnehmer im Gegensatz zu den übrigen ohne sachlichen Grund benachteiligt werden. Erhält also die ganze Belegschaft oder wenigstens die ganze Abteilung Weihnachtsgeld, darf nicht ein Einzelner (oder zwei Einzelne) einfach so übergangen werden. Der Arbeitgeber müsste sich in diesem Fall rechtfertigen und falls es keinen sachlichen Grund gibt ebenfalls das Weihnachtsgeld zahlen.
Das „echte“ Weihnachtsgeld als Beteiligung des Arbeitgebers an den Mehraufwendungen zum Weihnachtsfest und zur Belohnung von Betriebstreue ist nicht so häufig, wie man denkt. Auch wenn eine Zahlung als „Weihnachtsgeld“ oder „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnet wird, kann sie zugleich als Gegenleistung für geleistete Arbeit gedacht sein. Das Bundesarbeitsgericht neigt zunehmend dazu, Sonderzahlungen als eine solche „Mischzahlung“ einzuordnen. Das wird zum Beispiel dann angenommen, wenn der Arbeitgeber mitteilt, dass die Zahlung „den bisherigen persönlichen Einsatz“ würdigen soll, also gerade nicht (nur) die schlichte Betriebstreue. Auch ein „13. Gehalt“ ist Gegenleistung für geleistete Arbeit. Dann gilt: Erarbeiteter Lohn darf nicht entzogen werden, das „Weihnachtsgeld“ ist also nicht freiwillig und ist bei Ausscheiden im laufenden Jahr anteilig zu zahlen.
Für das „echte“ Weihnachtsgeld gilt das nicht. Endet das Arbeitsverhältnis vor dem Zeitpunkt, in dem der Zahlungsanspruch entsteht, also in der Regel zum 31.10. eines Jahres oder später, gibt es keinen Anspruch auf Zahlung.
Häufig wird die Auszahlung des Weihnachtsgeldes unter den Vorbehalt gestellt, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Tag ungekündigt besteht (Bindungsklausel). Bei einem „echten“ Weihnachtsgeld ist das möglich und in der Regel wirksam, bei Mischzahlungen nicht.
Zusätzlich oder statt dessen wird häufig geregelt, dass das Weihnachtsgeld zurückgezahlt werden muss, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bis zu einem bestimmten Tag nach der Auszahlung ungekündigt fortbesteht (Rückzahlungsklausel). Bei der Frage, ob das zulässig ist, gilt für das klassische Weihnachtsgeld ein klares „Ja, aber“:
- Es muss klar geregelt sein, dass der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt. Damit ist insbesondere eine Eigenkündigung gemeint. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, die Rückzahlungsverpflichtung auszulösen, was das Bundesarbeitsgericht als unfair empfindet. Wohlgemerkt: Es kommt nicht nur darauf an, wie das Arbeitsverhältnis tatsächlich endet, schon die vertragliche Regelung muss die Konstellationen unterscheiden. Ist das nicht der Fall, ist die Rückzahlungsklausel in einem Individualarbeitsvertrag unwirksam und damit gegenstandslos.
- Die Zahlung darf nicht zu gering (!) und die Bindung nicht zu lang sein:
- Bei Sonderzahlungen unter 100,00 € ist eine Rückzahlungsverpflichtung per se ausgeschlossen, eine Rückzahlungsklausel greift hier nicht.
- Ein Weihnachtsgeld zwischen 100,00 € und knapp unter einem Bruttomonatsgehalt rechtfertigt eine Bindung bis zum 31.03. des Folgejahres.
- Ein Weihnachtsgeld ab einem Bruttomonatsgehalt rechtfertigt eine Bindung bis zum 30.06. des Folgejahres.
Erhält der Arbeitnehmer also im Dezember 2016 ein Weihnachtsgeld von einem Bruttomonatsgehalt, darf eine Rückzahlung an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2017 geknüpft werden.
Arbeitgebern ist dringend zu raten, den Zweck deutlich zum Ausdruck zu bringen („Die Zahlung honoriert ausschließlich die Betriebstreue und hat keinen Entgeltcharakter“). Ist das nicht der Fall und / oder deuten Indizien darauf hin, dass eben doch persönlicher Einsatz belohnt werden sollte, haben Arbeitnehmer nach der Tendenz der Rechtsprechung wahrscheinlich das Bundesarbeitsgericht auf ihrer Seite.
Haben Sie Fragen zu dem Thema Sonderzahlungen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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