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Frau Hält Bogen mit zwei Twitter-Vögeln hoch
17. Februar 2016 / by kanzleiKerner

Surfen kann den Job kosten!

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.01.2016

Zur Privatnutzung des Internets am Arbeitsplatz und Überwachungsrechten des Arbeitgebers

Wer im Büro arbeitet, hat dort einen betrieblichen Internetanschluss. Für viele liegt es deshalb nahe, wenn gerade nichts Wichtiges anliegt am Firmenrechner kurz die privaten Mails oder das eigene Social-Media-Profil zu überprüfen.

Das klingt harmlos, muss es aber nicht sein. Jedenfalls nicht aus Arbeitgebersicht.

Jeder Arbeitnehmer sollte sich deshalb vor dem ersten privaten Klick fragen, ob er hierfür die Erlaubnis seines Arbeitgebers besitzt. Es gibt jedenfalls kein automatisches Recht, einmal kurz die eigenen E-Mails abzurufen.

Statt dessen gilt: Der Arbeitgeber entscheidet über die private Nutzung von Internet am Arbeitsplatz.

Wenn im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einer Dienstanweisung nichts zu diesem Punkt geregelt ist und auch keine ausdrückliche Erlaubnis erteilt wird, kommt eine Duldung des Arbeitgebers in Betracht. Das bedeutet, dass eine Person mit Leitungsbefugnis in der Vergangenheit bestimmte Internetnutzungen der Arbeitnehmer tatsächlich bemerkt hat (!) und daraufhin nichts unternommen hat. Dann können Arbeitnehmer davon ausgehen, dass auch in Zukunft eine private Internetnutzung in diesem bzw. einem normalen Rahmen ohne Folgen bleiben wird.

Gibt es allerdings weder eine ausdrückliche Regelung noch eine solche Duldung, muss der Arbeitnehmer von einem Verbot der privaten Internetnutzung ausgehen.

Dennoch privat Surfen? Die möglichen Folgen: Abmahnung und Kündigung

Überschreitet ein Arbeitnehmer die ausdrücklichen oder stillschweigenden Nutzungsrechte, begeht er im Zweifel eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.

Diese Pflichtverletzung ist abmahnfähig und kann im Wiederholungsfall eine Kündigung rechtfertigen.

In extremen Fällen kann auch bei eigentlich erlaubter Privatnutzung eine Kündigung, auch ohne vorherige Abmahnung, ausgesprochen werden. Denn eine solche Erlaubnis gilt immer nur für ein im Arbeitsverhältnis noch sozialadäquates Surfverhalten, sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Was ist nicht mehr sozialadäquat? Zum Beispiel der Download pornografischer Inhalte auf den Firmenrechner oder die private Nutzung des Internets von über eine Stunde täglich.

Auch wenn ein ausdrückliches Verbot der privaten Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses besteht, muss grundsätzlich erst einmal abgemahnt werden. Eine (fristlose) Kündigung ohne vorherige Abmahnung kann aber auch in diesen Fällen unter Umständen gerechtfertigt sein, natürlich unter etwas erleichterten Bedingungen als bei einer grundsätzlichen Erlaubnis der privaten Internetnutzung. Sie kommt vor allem in Betracht, wenn wegen exzessiver privater Internetnutzung die Arbeitspflicht verletzt wird oder der Arbeitgeber durch unbefugte Downloads geschädigt wird.

Wie viel Überwachung ist erlaubt?

Beide Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, stellen sich regelmäßig eine zweite Frage: Darf der Arbeitgeber die Internetnutzung auch überwachen?

Die Antwort kann je nach Fall unterschiedlich ausfallen. Der Datenschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers setzen sich selbstverständlich auch im Arbeitsverhältnis fort. Wir sind ja nicht bei George Orwell. Zugleich hat aber der Arbeitgeber ein verständliches Interesse daran, eine berechtigte Anweisung auch kontrollieren zu können. Und hier liegt der Unterschied zu Orwells Dystopie. Es muss also darauf ankommen, was zwischen den Parteien vereinbart ist bzw. was dem Arbeitnehmer erlaubt ist.

Was jedenfalls nicht geht: Nach Ziff. 22 des Anhangs zur Bildschirmarbeitsplatzverordnung ist der Einsatz heimlicher Überwachungssoftware/-hardware verboten, die den Umgang mit dem PC in Echtzeit protokolliert.

Die übrigen Befugnisse des Arbeitgebers richten sich danach, ob und in welchem Umfang er private Internetnutzung erlaubt hat.

Auszugehen ist dabei von dem datenschutzrechtlichen Grundsatz, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden dürfen, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat (§ 4 BDSG).

Ist die private Internetnutzung hingegen vollständig verboten, darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass sämtliche Korrespondenz des Arbeitnehmers geschäftlicher Natur ist. Er darf daher davon ausgehen, dass er keine personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers erheben und dessen Persönlichkeitsrecht daher nicht gefährden wird. Dennoch muss der Arbeitgeber bei Überwachungsmaßnahmen diejenigen mit der geringsten Eingriffsintensität verwenden. Erlaubt sind daher nur stichprobenartige Kontrollen. Das heißt, der Arbeitgeber darf ohne konkreten Verdacht nicht ständig die gesamte Korrespondenz erfassen und zur Kenntnis nehmen. Im Rahmen von Stichproben darf er dann allerdings mindestens die sog. äußeren Verbindungsdaten erfassen, also E-Mail-Adressen sowie Datum und Zeit und wohl auch Browserverläufe.

Ist Privatnutzung erlaubt und hierfür kein gesonderter Kommunikationskanal eingerichtet worden, ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich untersagt, die Adressen von E-Mails oder Browserverläufe zu protokollieren, schon gar nicht darf er die (ggf. private) Korrespondenz lesen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitgeber konkrete Hinweise auf arbeitsvertragliche Verstöße hat.

Gegen eine unzulässige Überwachung der Korrespondenz kann der Arbeitnehmer klagen.

Der Fall: Auswertung des Browserverlaufs

Einen Fall zum Thema “privates Surfen” hatte aktuell das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden.

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber ein Dienstrechner mit Internetanschluss überlassen worden war. Die private Internetnutzung war ihm ausdrücklich grundsätzlich verboten und nur in Ausnahmefällen und auch dann nur während der Arbeitspausen gestattet.

Der Arbeitgeber erhielt Hinweise auf eine erhebliche Internet-Privatnutzung des späteren Klägers und wertete daraufhin dessen Browserverlauf aus. Hierbei stellte der Arbeitgeber tatsächlich eine erhebliche Privatnutzung fest und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

Das Urteil: Der Browserverlauf darf ausgewertet werden, wenn…

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 14.01.2016 (Az. 5 Sa 657/15), dass diese Kündigung wirksam war.

Zum einen habe wegen des erheblichen privaten Surfens ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen und zum anderen sei der Arbeitgeber berechtigt gewesen, den Browserverlauf auszuwerten und die Erkenntnisse für die Kündigung zu verwenden.

Das Gericht erkannte dabei an, dass es sich bei dem Browserverlauf, der ja das private Surfverhalten des Angestellten spiegelte, um personenbezogene Daten handelt. Diese durfte der Arbeitgeber allerdings auswerten und verwenden, weil er keine andere Möglichkeit hatte, dem Arbeitnehmer die private Internetnutzung nachzuweisen und das Bundesdatenschutzgesetz für solche Fälle eine Missbrauchskontrolle auch ohne Einwilligung vorsieht.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Fazit: Ein berechtigtes Verbot muss auch durchgesetzt werden können

Das Urteil hat einige Aufregung verursacht, die meisten Tageszeitungen berichteten. Tatsächlich handelt es sich aber nur um ein Update bzw. eine Konkretisierung der hergebrachten Grundsätze.

Wie dargestellt ist es bei der Kombination aus Verbot privater Internetnutzung + konkreter Verdachtsmoment + keine andere Kontrollmöglichkeit dem Arbeitgeber bislang gestattet, jedenfalls die äußeren Verbindungsdaten auszuwerten, zu denen wohl auch der Browserverlauf gehört. Ein berechtigt erlassenes Verbot muss von dem Verbietenden auch auf seine Einhaltung überprüft werden können. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers tritt in solchen Situationen zurück. So hat es nun auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gesehen. Ob Revision gegen das Urteil eingelegt wurde, ist bisher nicht bekannt.

Fragen zur privaten Internetnutzung berühren beinahe jeden Büroarbeitsplatz. Und die Rechtslage kann im Einzelfall äußerst komplex sein. Daher raten wir Arbeitgebern wie Arbeitnehmern dazu, durch klare und schriftliche Regelungen so viel Rechtssicherheit wie möglich zu schaffen.

Noch Fragen?

Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeitnehmerdatenschutz oder Weisungsrechte des Arbeitgebers? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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