Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2015
Zur Kürzung des Urlaubs für die Elternzeit
Durchschnittlich um die 850.000 Elterngeldempfänger gibt es in Deutschland (Quelle: Statistisches Bundesamt; externer Link). Statistisch wird das Thema also für jeden Arbeitgeber früher oder später einmal relevant. Ja, auch für die männlich dominierten Bereiche, auch Väter nehmen Elternzeit und zwar zunehmend öfter.
Die Basics zum Thema haben wir hier erklärt. Dieser Blogbeitrag behandelt die Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit.
Für die Dauer der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis, weder Arbeitsleistung noch Gehaltszahlungen sind geschuldet. Weil es aber nur ruht und nicht aufgelöst ist, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen bzw. zum Jahresbeginn entsteht neuer Urlaub (das ist vereinfacht, Urlaub ist ein kompliziertes Thema; die Basics erklären wir hier).
Da während der Elternzeit natürlich kein Urlaub genommen werden kann – obwohl junge Eltern ihn nötig hätten -, wäre nach der Rückkehr aus der Elternzeit der gesammelte Urlaub von unter Umständen mehreren Jahren noch zu gewähren. Um das zu verhindern, gibt § 17 Absatz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) dem Arbeitgeber das Recht, für jeden Monat der Elternzeit (nicht: Elternteilzeit) den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers um 1/12 zu kürzen. Sie lesen richtig: Das geschieht nicht automatisch, es handelt sich um ein Recht, dass der Arbeitgeber ausüben muss.
Der Zeitraum ist allerdings großzügig bemessen: Ab dem Elternzeitverlangen kann die Mitteilung, dass Urlaub gekürzt wird, fast jederzeit erfolgen – insbesondere während und auch noch nach der Elternzeit. Voraussetzung ist allerdings immer, dass es auch einen Urlaubsanspruch gibt. Das ist nicht mehr der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. So geschehen in diesem Fall des Bundesarbeitsgerichts:
Der Fall: Vertragsende in der Elternzeit
Die spätere Klägerin arbeitete in einem Seniorenheim als Ergotherapeutin. Das Arbeitsverhältnis endete im Mai 2012, zu diesem Zeitpunkt befand sie sich nach der Geburt ihres Kindes seit einem guten Jahr in Elternzeit. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte die Klägerin ihren Urlaubsanspruch, unter anderem für diese Zeit, geltend. Im Rechtsstreit erklärte die Arbeitgeberin dann die Kürzung des Urlaubs nach § 17 Absatz 1 BEEG.
Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass die Kürzung des Urlaubs auch noch nach der Elternzeit und damit auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgenommen werden könnte. Das sah die Arbeitnehmerin nicht ein: Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass dies mangels gesetzlicher Anordnung nicht möglich sei.
Das Urteil: Geld ist kein Urlaub
Das Bundesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Urlaubsabgeltung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2015, Az. 9 AZR 725/13). Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch in einen reinen Geldanspruch umwandelt, also gerade kein Urlaub mehr ist. Der Geldanspruch auf Urlaubsabgeltung ist sofort mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und kann deshalb nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt gekürzt werden.
Fazit: „Besser spät als nie“ funktioniert im Arbeitsrecht selten
Das Arbeitsrecht ist ein Rechtsgebiet mit harten Fristen. Nicht immer erkennt man sie auf den ersten Blick, vor allem, wenn sie sich als mittelbare Folge aus dem Gesetz oder der Rechtsprechung ergeben. Der dargestellte Fall ist ein gutes Beispiel hierfür, denn er zeigt: Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist am Urlaub nichts mehr zu machen, der ehemalige Urlaubsanspruch wandelt sich sofort in einen Geldanspruch um. Arbeitgebern raten wir daher dringend, das großzügige Zeitfenster für die Erklärung der Urlaubskürzung zu nutzen. Und natürlich wie immer: Die Zustellung dieser Erklärung beweissicher zu dokumentieren.
Noch Fragen?
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