Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.06.2016
Zum Mindestlohnanspruch für Bereitschaftszeiten
Das passt ja: Letzte Woche noch über Arbeitszeit gebloggt, spricht das Bundesarbeitsgericht am Folgetag das zweite Urteil zum Mindestlohngesetz und beschäftigt sich mit der Bereitschaftszeit. Im ersten „MiLoG-Urteil“ des höchsten deutschen Arbeitsgerichts ging es um die Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen auf den Mindeststundenlohn; die Besprechung des Urteils finden Sie hier. Mit dem aktuellen Urteil ist nun die zweite drängende Frage zum Mindestlohngesetz, „Mindestlohn für wirklich jede Stunde?“, ein Stück weit geklärt.
Was war passiert? Bereitschaftsdienst nur zur Hälfte bezahlt.
Geklagt hatte ein Rettungsassistent. Auf das Arbeitsverhältnis wird der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD) angewendet. Die wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt 39 Wochenstunden, wobei der Bereitschaftsdienst von 9 Stunden wöchentlich pauschal zur Hälfte als zu bezahlende Arbeitszeit gewertet wird und hier bereits eingerechnet ist (sog. Faktorisierung). Die tatsächliche Arbeitszeit inklusive Bereitschaftsdienst kann also bis zu 48 Wochenstunden betragen, bezahlt werden hiervon 39 Wochenstunden, worin 4,5 bezahlte Bereitschaftsdienststunden enthalten sind. Die zweiten 4,5 Stunden Bereitschaftsdienst gelten als vom Monatsgehalt umfasst.
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie der Bereitschaftsdienst ohne diese tarifvertragliche Regelung zu handhaben wäre: Das haben wir hier besprochen.
Das sah der Kläger nicht ein, schon gar nicht nach Einführung des Mindestlohngesetzes. Er klagte auf Zahlung von 15,86 € für jede der verbleibenden 4,5 Stunden des wöchentlichen Bereitschaftsdienstes. Dieser Stundenlohn entsprach seinem Grundgehalt.
Was hat das mit dem Mindestlohngesetz zu tun? Der Arbeitnehmer rechnete wie folgt: Entweder habe er den Anspruch auf Bezahlung der bisher nicht gezahlten 4,5 Stunden oder aber jede der 9 Bereitschaftsdienststunden wurde bisher nur zur Hälfte vergütet, also in Höhe von 7,93 € und damit unter den Mindestlohn von derzeit noch 8,50 € brutto.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts: Keine Rosinenpickerei
Mit seiner Klage scheiterte der Arbeitnehmer sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln, Urteil vom 15.10.2015, Az. 8 Sa 540/15). Einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz erkannte das Landesarbeitsgericht nicht. Das Landesarbeitsgericht gab dem Kläger zu, dass jede Stunde Bereitschaftsdienstzeit mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Aber: Unterm Strich Mindestlohn ist ausreichend. Wenn also einer maximal denkbaren Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich ein Gehalt gegenübersteht, dass für jede dieser Stunden mindestens 8,50 € beträgt, liegt ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz nicht vor. Dann ist es auch egal, mit welchem Rechenkonzept der Kläger Stunden herein- oder herausrechnet.
Der auf diese Weise im Durchschnitt betrachtete Stundenlohn des Klägers überstieg den Mindestlohn, so dass ihm kein weiterer Anspruch zustand.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Einfach nur Mindestlohn
Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht stellt im ersten Satz der Pressemitteilung klar: „Der gesetzliche Mindestlohn ist für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen.”.Auch für das Bundesarbeitsgericht ist aber eine Durchschnittsbetrachtung maßgeblich, so dass es sich vollständig der Argumentation und dem Ergebnis des Landesarbeitsgerichts anschloss.
Fazit
„Unterm Strich Mindestlohn“ ist bisher das Motto der Gerichte in allen Rechtslagen rund ums MiLoG. Vielleicht ein indirekter Ausgleich für die mit dem Mindestlohn „gestraften“ Arbeitgeber.
Das Urteil hat deshalb für den Kläger zwar nicht das gewünschte Ergebnis geführt, bringt aber Rechtsklarheit und Präjudiz für Fälle, in denen das Grundgehalt so niedrig liegt, dass es im Durchschnitt nicht an den Mindestlohn heranreicht. Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht, aber man wird die Linie des Bundesarbeitsgerichts voraussichtlich auch auf Überstunden übertragen können. Insbesondere empfehlen wir Arbeitnehmern, noch einmal nachzurechnen, wenn der Mindestlohn zum Januar 2017 angehoben wird.
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