Zur Wirksamkeit einer Altersabstandsklausel in der Hinterbliebenenversorgung
Seit über 10 Jahren gilt nunmehr das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Viele Fragen zu diesem Gesetz sind mittlerweile geklärt. Aktuell zog das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen vorläufigen Schlussstrich über die Debatte zu Altersabstandsklauseln in der Hinterbliebenenversorgung.
Hinterbliebenenrenten sind arbeitgeberseitig zugesagte Witwen-/Witwerrenten, die nach dem Tod des Arbeitnehmers dessen Ehepartner/in gezahlt werden.
Problematisch wurden solche Zusagen in der Vergangenheit für den Arbeitgeber, wenn ein starker Altersunterschied zwischen den Ehepartnern herrschte. Denn die statistische Wahrscheinlichkeit der 25 Jahre jüngeren Ehefrau, nach dem Ableben des Ehemannes noch länger als ein paar Jahre zu leben ist sehr hoch. Eine Häufung solcher Fälle – natürlich auch andersherum möglich – konnte die Sache auf Dauer doch recht teuer und vor allem schlecht kalkulierbar machen.
Aus diesem Grunde wurden schnell so genannte Altersabstandsklauseln en vouge. Die Arbeitsverträge sahen nun vor, dass die Hinterbliebenenrente nur dann zu zahlen sei, wenn der Altersabstand zwischen den Ehepartnern maximal x Jahre beträgt – in der Regel 15 Jahre. Die 40-jährige Witwe des 75-jährigen Verstorbenen hätte also keinen Anspruch, während eine 60-jährige Witwe diesen Anspruch hätte.
Darf man sowas? fragen sich leer ausgegangene Hinterbliebene in einer solchen Situation. Ansatzpunkt dieser Überlegungen ist das AGG, denn ein Maximalaltersabstand benachteiligt jüngere Ehepartner bzw. umgekehrt ältere Ehepartner-Arbeitnehmer.
Das AGG verbietet eine Benachteiligung wegen des Alters, wenn sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine solche Rechtfertigung gibt es allerdings nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts.
Geklagt hatte eine Witwe gegen den Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes. Dieser war 18 Jahre älter als die Klägerin, welche nach der Altersabstandsklausel seines Arbeitsvertrages von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen war. Die Regelung sah vor, dass versorgungsberechtigt lediglich solche Ehegatten sind, die nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind.
Hiergegen richtete sich die Klage. Die Witwe war der Ansicht, diese Klausel benachteilige sie bzw. den Verstorbenen wegen des Alters.
Die Klägerin verlor ihre Klage, das Bundesarbeitsgericht sprach ihr keine Versorgungsansprüche zu (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.02.2018, Az. 3 AZR 43/17, zur Pressemitteilung).
Das AGG ist zwar anwendbar und die Regelung benachteiligt die Hinterbliebene auch unmittelbar wegen des Alters. Allerdings ist diese Diskriminierung nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt – sie ist objektiv, angemessen und dient einem legitimen Ziel (§ 10 AGG).
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass Ziele, die einen Interessenausgleich im Bereich der Beschäftigungspolitik schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, legitim sind. Hierzu gehöre auch, die Leistungspflichten des Arbeitgebers im Bereich der Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Diese Möglichkeit soll also dazu führen, dass Arbeitgeber sich eher auf die politisch gewünschte, aber grundsätzlich freiwillige, Hinterbliebenenversorgung einlassen.
Eine solche Risikobegrenzung kann nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts mit der Bestimmung eines maximal 15-jährigen Altersabstandes auch erreicht werden. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei der gemeinsame Lebenszuschnitt der Eheleute nach Ansicht des Gerichts außerdem „von vornherein darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt“. Das Risiko einer fehlenden Versorgung in dieser Zeit sei also gewissermaßen mit eingeplant und müsse nicht vom Arbeitgeber übernommen werden.
Es gibt nach Ansicht des Gerichts auch kein weniger belastendes Mittel, um das Ziel der Eingrenzung des Kalkulationsrisikos zu erreichen. Beschränkungen in der Bezugsdauer oder ähnliches würden keinen gleich wirksamen Effekt erzielen wie der vollständige Anspruchsausschluss und mussten deshalb nicht gewählt werden.
Da die Diskriminierung auf diese Weise gerechtfertigt ist, ist die Altersabstandsklausel wirksam und schließt die „zu jungen“ Ehepartner von Ansprüchen aus.
Hinterbliebenen Ehepartnern, die ihr Glück in einem älteren Gegenüber gefunden hatten, kann das Urteil mit seinen Ausführungen in die Richtung, das habe man doch vorher gewusst, dass man eine ganze Zeit alleine und unversorgt dastehen wird, zynisch vorkommen. Doch nachdem das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2013 bereits ähnliche Töne angeschlagen und auch zum selben Ergebnis gefunden hatte (wir berichteten hier), wird es bis auf Weiteres dabei bleiben: Altersabstandsklauseln sind jedenfalls bis zu einem Maximalabstand von 15 Jahren wirksam. Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts ließe sogar Raum für noch enger greifende Altersabstandsregelungen – das Gericht beruft sich darauf, dass in mehr als 80 {3826537d91c38f8d42de122e87e9e526ad05f6837335344f5142eee66b93d0e3} der Ehen der Altersabstand weniger als sieben Jahre beträgt und dies mithin der Normalfall sei. Auch eine Altersabstandsklausel für einen Altersunterschied von mehr als 10 Jahren hätte das Gericht auf diese Weise also rechtfertigen können; an welcher Stelle genau die Regelung vom Bundesarbeitsgericht als nicht mehr angemessen zur Begrenzung des Arbeitgeber-Risikos bewertet würde, können nur weitere Fälle in Zukunft zeigen.
Arbeitgeber mit dem „Klassiker“ der 15-Jahres-Altersabstandsklausel können jedenfalls aktuell und sofern sie ausreichend präzise formuliert ist davon ausgehen, dass diese im Streitfall als wirksam bewertet wird. Erst Recht gilt dies natürlich für Altersabstandsklauseln mit einem größeren maximalen Altersabstand.
Umgekehrt können betroffene Ehepaare ebenfalls davon ausgehen, dass eine solche Regelung wirksam ist und sollten entsprechend planen.
Anders ist die Rechtslage übrigens bei einer so genannten Spätehenklausel. Eine solche Regelung sieht vor, dass die Heirat bis zu einem bestimmten Alter geschlossen worden sein muss. Diese Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unzulässig wegen seines Alters, so das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2015 (wir berichteten hier).
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