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13. April 2017 / by kanzleiKerner

Konfliktscheue Arbeitnehmer sind schwerer zu kündigen

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26.07.2016

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist im Arbeitsverhältnis das letzte Mittel, so will es der Gesetzgeber. Findet auf ein Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz insgesamt Anwendung, heißt es daher in der Regel: Ohne Abmahnung keine gerechtfertigte Kündigung (Zur Ausnahme: hier).

Richtig Abmahnen will gelernt sein (dazu hier). Selbst mit einschlägigen Abmahnungen muss allerdings der Ausspruch einer Kündigung keine sichere Sache sein, wie ein Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern feststellte.

Was war passiert? Arbeitnehmer beteiligt sich an privaten Besorgungen von Kollegen

Der spätere Kläger war mit einem Kollegen gemeinsam im Dienstwagen unterwegs. Sie fuhren sodann statt zu dem geplanten Einsatzort zu einem Möbelmarkt, kauften dort ein und verstauten die Einkäufe im Fahrzeug. Anschließend begaben sich die Mitarbeiter zu dem Wohnort des Kollegen des späteren Klägers, wo die Gegenstände abgeladen und verstaut wurden. Ähnliche Vorfälle hatten sich bereits zuvor ereignet und waren auch abgemahnt worden.

Daraufhin wurde ihm wegen der Ausübung privater Tätigkeiten in der Dienstzeit gekündigt. Der Mitarbeiter erhob hiergegen Kündigungsschutzklage.

Das Urteil: Bei konfliktscheuen Arbeitnehmern muss man genauer hinschauen

In erster Instanz vor dem Arbeitsgericht und auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht wurde die Kündigung für unwirksam erklärt (Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26.07.2016, Az. 2 Sa 385/15).

Zur Begründung führten die Gerichte jeweils aus, dass der Kläger zwar privaten Tätigkeiten nachgegangen sei, diese aber nicht in seinem eigenen Interesse gelegen hätten. Er war jeweils von den ihm zugeordneten Kollegen zu Fehlverhalten gedrängt worden. So ergab die Beweisaufnahme vor Gericht etwa, dass der Kläger vergeblich versucht hatte, seinen Kollegen von seinem Vorhaben abzuhalten. Der Kläger galt jedoch als konfliktscheu und hatte stets Mühe, sich gegen andere Mitarbeiter durchzusetzen.

Nach Auffassung des Gerichts reduzierte sich damit das vorwerfbare Fehlverhalten: Der Vorwurf war nun nicht mehr die Besorgung privater Angelegenheiten in der Arbeitszeit, sondern die Tatsache, dass das Fehlverhalten nicht bei dem Arbeitgeber angezeigt wurde oder der Kläger das Fehlverhalten des Kollegen nicht wenigstens passiv im Auto erduldet hatte. Gegen Vorfälle dieser Art könne allerdings zu einem milderen Mittel im Vergleich zur Kündigung gegriffen werden: Der Kläger könnte künftig in Einzeleinsätzen geplant werden. Hierdurch könnten die negativen Folgen seiner „Charakterschwäche“ minimiert werden. Die Kündigung war daher nach Ansicht des Gerichts unverhältnismäßig und damit unwirksam.

Fazit: Arbeitszeitbetrug reicht manchmal nicht für eine Kündigung

Der Fall ist interessant: Hätte der Mitarbeiter den Vorfall gut geheißen oder sich neutral dazu verhalten, wäre die Kündigung für rechtmäßig erklärt worden. Da er sich jedoch hat überreden lassen, ist ein und dasselbe Geschehen nicht mehr kündigungsbegründend. Wie kann das sein? Zum einen ist eine Kündigung immer ein Blick sowohl in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft – ist der Vorfall für sich genommen ein Kündigungsgrund und ist auch für die Zukunft nicht mehr mit einem guten Vertragsverhältnis zu rechnen? Das war hier nicht so, denn mit einer Veränderung der Arbeitseinsätze war das Risiko solcher Vorkommnisse quasi nicht mehr vorhanden. Damit einher geht der zweite Grund: Eine Kündigung hat stets letztes Mittel zu sein. Hier war dem Arbeitgeber – jedenfalls nach Ansicht des Gerichts – zuzumuten, den Kläger in Einzeleinsätzen zu beschäftigen.

Es handelt sich sicher um einen Sonderfall. Arbeitgebern ist gleichwohl zu raten, den Blick nicht nur auf das objektive Geschehen, sondern auch auf die Motivation des Arbeitnehmers zu richten. Wie viel dann von dem Arbeitgeber verlangt werden kann, ist sicher einzelfallabhängig. Arbeitnehmern in einer ähnlichen Situation ist hingegen anzuraten, sich gegen arbeitsrechtliche Maßnahmen zu wehren.

Noch Fragen?

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