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26. Oktober 2015 / by kanzleiKerner

Inhaberwechsel – Widerspruch des Arbeitnehmers kann „ewig“ möglich sein

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.10.2015

Was geschieht eigentlich mit einem Arbeitsverhältnis, wenn das Unternehmen verkauft wird?

Wenn sich der Inhaber eines Betriebs ändert, kann der Arbeitsvertrag nicht mehr in der bisherigen Form durchgeführt werden. Die Rechtsunsicherheit in diesem Fall hat der Gesetzgeber in § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beseitigt. Danach ist der Grundgedanke, dass das Arbeitsverhältnis – so wie es ist – auf den Erwerber des Betriebs übergeht.

Kann ein Arbeitnehmer sich dagegen wehren, plötzlich einen neuen Arbeitgeber zu haben?

Ja. Denn der Gesetzgeber wollte verhindern, dass ein Arbeitnehmer gegen seinen Willen „mit verkauft“ werden kann. Aus diesem Grund sieht § 613a Absatz 5 BGB vor, dass der bisherige Betriebsinhaber die von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer umfangreich über die geplante Maßnahme zu informieren hat. Nach Zugang dieser Unterrichtung steht dem Arbeitnehmer ein Monat Bedenkzeit zu, um zu entscheiden, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen möchte. Entscheidet sich der Arbeitnehmer hierfür, verbleibt sein Arbeitsverhältnis bei dem bisherigen Unternehmen. Hierbei muss er sich des Risikos bewusst sein, dass der bisherige Arbeitgeber unter Umständen keine Beschäftigungsmöglichkeit für den widersprechenden Arbeitnehmer hat und eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht ziehen wird.

Sind die Informationen in dem Unterrichtungsschreiben allerdings unvollständig, entsprechen sie also nicht den hohen Anforderungen des § 613a Absatz 5 BGB, beginnt die Frist von einem Monat für den Widerspruch nicht zu laufen mit der Folge, dass Arbeitnehmer grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen können. Dieses Widerspruchsrecht noch nach Jahr und Tag wird alleine durch die sogenannte Verwirkung begrenzt, wenn also die Ausübung des Widerspruchsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheint.

Der Fall – Widerspruch fünf Monate nach Betriebsübergang

Geklagt hatte eine Frau, die seit dem Jahr 2004 bei einem Gastronomie- und Cateringunternehmen als Sachbearbeiterin in der Gastronomie eines Konzerthauses tätig war. Sie wurde im September 2014 von ihrer Arbeitgeberin darüber informiert, dass das Arbeitsverhältnis zu Anfang September 2014 auf einen neuen Betreiber übergegangen sei. Die Sachbearbeiterin setzte zunächst ihre Tätigkeit für die neue Gesellschaft fort, ohne von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Die neue Betreibergesellschaft schloss einige Monate später die Gastronomie des Konzerthauses und kündigte der Frau. Innerhalb der Kündigungsfrist widersprach diese sodann im April 2015 dem Betriebsübergang auf den neuen Betreiber. Auch dieser kündigte sodann das Arbeitsverhältnis. In dem gerichtlichen Verfahren war streitig, ob das Arbeitsverhältnis mit der ursprünglichen Arbeitgeberin über September 2014 hinaus fortbestand. Hierfür war zu klären, ob der Widerspruch der Arbeitnehmerin nach fünf Monaten noch bewirken konnte, dass das Arbeitsverhältnis mit der ursprünglichen Arbeitgeberin rückwirkend wieder auflebte.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat das in seinem Urteil vom 14.10.2015 (1 Sa 733/15) bejaht. Die von der ursprünglichen Arbeitgeberin erteilte Unterrichtung war unvollständig, da die ursprüngliche Arbeitgeberin nicht darüber informiert hatte, dass der Pachtvertrag, in den der neue Betreiber eintrat, bis Ende des Jahres 2014 befristet war. In dem Unterrichtungsschreiben hieß es statt dessen, der Betrieb solle bis auf Weiteres unverändert fortgeführt werden. Laut dem Urteil wurde hierdurch der unzutreffende Eindruck einer längerfristigen Beschäftigungsmöglichkeit erweckt, womit die Unterrichtung nicht korrekt war. Der Arbeitnehmerin stand daher trotz des Zeitablaufs von mehreren Monaten ihr Widerspruchsrecht noch zu. Ihr Widerspruch führte dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit der ursprünglichen Arbeitgeberin rückwirkend wieder bestand und entsprechend von der ursprünglichen Arbeitgeberin ordentlich gekündigt werden musste.

Fazit

Die Informationspflichten bei einem Betriebsübergang sollen nach dem Willen des Gesetzgebers dem Arbeitnehmer eine belastbare Grundlage für seine Entscheidung geben, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen möchte. Hierbei räumen Gesetzgeber und Rechtsprechung dem Arbeitsverhältnis für den betroffenen Arbeitnehmer einen so hohen Wert ein, dass bereits eine im Wesentlichen ordnungsgemäße, aber eben nicht ganz vollständige, Unterrichtung dazu führt, dass dem Arbeitnehmer noch lange Zeit ein Widerspruchsrecht zustehen kann.

Arbeitgebern ist daher zu raten, im Fall eines Betriebsübergangs die Unterrichtung der betroffenen Arbeitnehmer sehr genau durchzuführen und alle wesentlichen Informationen aufzunehmen.

Haben Sie Fragen zu dem Thema „Betriebsübergang“? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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