Arbeitgeber haben in der Regel eine Vorstellung davon, wie sie ihr Unternehmen präsentieren möchten – gut aussehende Angestellte inklusive. Unter gut aussehenden Angestellten versteht allerdings jeder etwas anderes.
Äußerlichkeiten im Vorstellungsgespräch
Das kann schon beim Vorstellungsgespräch anfangen. “Wir kommen zurück auf das geführte Bewerbungsgespräch. Leider müssen Ihnen mitteilen, dass wir uns für eine/n andere/n Bewerber/in entschieden haben.” Woran die Absage gelegen hat, werden die meisten Bewerber nach dem Gespräch nicht erfahren.
Eine Ausnahme in Sachen Ehrlichkeit war im Jahr 2012 ein Gesundheitsunternehmen, dass einer Bewerberin mit Kleidergröße 42 nach dem Vorstellungsgespräch schrieb: “Im jetzigen Zustand wären Sie natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würden unsere Empfehlungen für Ernährung und Sport konterkarieren. Vielleicht haben Sie ja auch einen plausiblen Grund [für Ihr Übergewicht], der in den Griff zu bekommen ist”.
Die Dame klagte und scheiterte vor Gericht. Mit Kleidergröße 42 ist sie noch weit entfernt von einer Adipositas, die als Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gelten könnte. Arbeitergeber dürfen bei der Auswahl neuer Mitarbeiter so lange nach dem Aussehen gehen, wie keines der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgeführten Merkmale (siehe hier) oder die Menschenwürde betroffen ist. Das dem Bewerber deutlich zu sagen, ist allerdings nicht sozialadäquat. Daher wird in der Regel geschwiegen, falls das Äußere für die Ablehnung mitursächlich war.
Welche Kleidung darf der Chef vorschreiben?
Im laufenden Arbeitsverhältnis haben Arbeitgeber verschiedene Interessen, was das Äußere ihrer Angestellten betrifft.
Arbeitgeber im handwerklichen und technischen Bereich werden vorrangig darauf achten, dass das Äußere ihrer Angestellten kein Sicherheitsrisiko darstellt. Arbeitgeber in den übrigen Bereichen des Arbeitslebens mit Kundenkontakt wünschen sich häufig vor allem, dass die Angestellten ansehnlich daherkommen. Befürchtet der Arbeitgeber, dass seine Wünsche und die seiner Mitarbeiter nicht übereinstimmen, entsteht das Bedürfnis nach einer Regelung. Das kann die arbeitgeberseitige Anweisung sein, Hemd und Krawatte bzw. Bluse zu tragen. Oder die Anordnung, ausschließlich schwarze Kleidung zu weißen Oberteilen zu tragen.
44 Seiten Dresscode bei der Bank
Im Jahr 2010 hat die Schweizer Bank UBS in einer 44-seitigen Kleiderordnung mit schweizerischer Gründlichkeit so ziemlich alles geregelt, was denkbar ist.
Seitdem sind Mitarbeiterinnen dort unter anderem angewiesen, auffälligen Schmuck und schweres Parfum zu vermeiden, beides wirkt nach Ansicht von UBS wenig seriös. Arbeitnehmerinnen sollen außerdem darauf achten, dass ihre Röcke hinten nicht spannen. Was dagegen im Kundenkontakt Pluspunkte bringen soll: Knitterfreie und hautfarbene Unterwäsche, Feuchtigkeitscreme, Make-Up, aparte künstliche Fingernägel und alle vier Wochen ein Frisörbesuch (bitte ohne färben, das wirkt laut UBS wiederum wenig überzeugend). Auch leichtes Parfum geht in Ordnung, unter einer Voraussetzung: Bitte nur morgens “direkt nach einer heißen Dusche, solange die Hautporen noch offen sind” – danach nicht mehr.
Selbstverständlich sind Tätowierungen untersagt, gleich mitverboten wurden der Geruch nach Zigaretten, Knoblauch oder Zwiebeln.
Männer dürfen seither bei der UBS neben dunklen Anzügen ausschließlich Schuhe mit Ledersohle und schwarze ungemusterte Socken tragen – erstaunlicherweise offenbar auch zum blauen Anzug.
Auch in Deutschland: Regelungen zu Fingernägeln und Herrenfrisuren
Gedanken über das Aussehen ihrer Mitarbeiter hat sich vor ein paar Jahren auch ein Unternehmen, das am Flughafen Köln/Bonn Fluggastkontrollen durchführte, gemacht.
Hier lautete die Anweisung für Mitarbeiterinnen unter anderem: “Fingernägel dürfen nur einfarbig lackiert sein.”
Das Unternehmen fand ferner in Sachen Herrenfrisur eine schöne Formulierung: “Das Tragen von künstlichen Haaren oder Einflechtungen ist grundsätzlich nicht gestattet, wenn es die Natürlichkeit der Haarpracht beeinträchtigt.”
Persönlichkeitsrecht und Weisungsrecht im Arbeitsverhältnis
Arbeitnehmer können solche detaillierten Anweisungen als Eingriff in ihre freie Persönlichkeitsentfaltung empfinden (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz).
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können sich in diesem Fall auf gesetzliche Grundlagen berufen. Ausgangspunkt ist das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Jeder Mensch kann grundsätzlich sein Äußeres so gestalten, wie er oder sie es wünscht. Dieses Recht wird dadurch begrenzt, dass Arbeitnehmer sich in ein weisungsabhängiges Arbeitsverhältnis begeben haben. Dem Arbeitgeber steht es nach § 106 Gewerbeordnung zu, “Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung” nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Außerdem haben Arbeitnehmer eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber, sie dürfen sich nicht grundlos gegen dessen Interessen verhalten (§ 242 BGB).
Im Ergebnis muss also für jeden Einzelfall abgewogen werden, welchem Interesse der Vorrang einzuräumen ist.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Besteht in dem Unternehmen ein Betriebsrat, hat dieser außerdem ein Mitbestimmungsrecht, da es sich um eine Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer handelt (§ 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG).
Erlaubt ist nur, was auch erforderlich ist
In der Praxis bedeutet die Interessenabwägung, dass Arbeitgeber um so mehr Vorgaben zum Äußeren der Mitarbeiter machen können, je nachvollziehbarer ihr Interesse ist. Immer zulässig sind sinnvolle sicherheitsrelevante Vorgaben zur äußeren Erscheinung, z.B. für Mechaniker ein Verbot, Ringe zu tragen oder für Fluggastkontrolleure die Begrenzung der Länge der Fingernägel. Immer zulässig ist es auch, Arbeitnehmer zu verpflichten, die gesetzlich oder von der Berufsgenossenschaft vorgeschrieben Schutzkleidung zu tragen (§ 15 Arbeitsschutzgesetz).
Außerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs zulässig sind verhältnismäßige Vorgaben zur gepflegten Erscheinung im Kundenkontakt. Hier werden in der Regel auch Vorschriften zu einem einheitlichen Auftreten in Form von Firmenkleidung zulässig sein.
In der Regel ist eine Anweisung umso eher verhältnismäßig und damit wirksam, wie sie nicht den Körper selbst betrifft (z.B. Frisur, Tätowierungen), sondern Kleidung und Schmuck.
Im Fall des Sicherheitsunternehmens am Köln/Bonner Flughafen wurden diejenigen Vorschriften, die nicht der Sicherheit von Mitarbeitern oder Passagieren dienten, für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht Köln führte aus, dass zwar die Gewährleistung eines einheitlichen Erscheinungsbildes ein legitimes Ziel des Unternehmens sei. Das würde allerdings bereits durch die vorgeschriebene Dienstkleidung gewährt. Nicht zulässig war daher unter anderem die noch dazukommende Vorschrift zur einheitlichen Fingernagelfarbe (Beschluss des LAG Köln vom 18.08.2010, Az. 3 TaBV 15/10).
Auch das weitgehende Verbot des Tragens von Haarteilen wurde für unwirksam erklärt. Grund: Das Tragen eines Haarteils kann für das Selbstwertgefühl eines unter frühen Haarverlust leidenden Mitarbeiters von erheblicher Bedeutung sein. Demgegenüber wird das von Kunden wahrgenommene Erscheinungsbild wesentlich durch die einheitliche Kleidung und weniger durch die Natürlichkeit der Frisur und der Haarfarbe geprägt.
Fazit: Es kommt darauf an
Vorschriften zum Äußeren durch den Arbeitgeber sind nicht immer und in jeder Situation zulässig. Auszugehen ist immer von dem grundrechtlich geschützten Recht des Arbeitnehmers, sich während der Arbeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Dieses Recht darf der Arbeitgeber dann und soweit einschränken, wie es sein nachvollziehbares Interesse erfordert. Nur minimale Regelungsbefugnis kommt dem Arbeitgeber also dort zu, wo kein Kundenkontakt herrscht. Im Kundenkontakt sind Regelungen je nach Einzelfall möglich, soweit sie erforderlich sind. Maximale Regelungsbefugnis besteht dort, wo die Sicherheit von Angestellten und Kunden betroffen ist.
Der Dresscode der UBS Bank würde in dieser Detailverliebtheit vor Gericht wohl nicht bestehen. Unter anderem ein pauschales Haarfärbeverbot oder eine nur-einmal-am-Tag-Parfüm-Regel würden wohl im Streitfall für unwirksam erklärt, weil sie schlicht nicht erforderlich sind, um einen seriösen Eindruck zu vermitteln. Übrig bliebe allerdings im Bankbereich voraussichtlich die Anweisung, gedeckte Farben bei vorzugsweise weißen Oberteilen zu tragen. Das Interesse an einem solchen einheitlichen Auftreten ist anerkennenswert, wenn es keine Dienstkleidung gibt, die diesen Effekt herbeiführt.
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