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Verschiedene Mitarbeiter tragen eine Corona-Schutzmaske
16. März 2020 / by kanzleiKerner

Corona und Arbeitsrecht

Die Schulen und Kitas sind geschlossen, der Nahverkehrsfahrplan ist ausgedünnt und die Ansteckungsgefahr im Büro ist Fakt: Das Corona-Virus trifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei ist die Situation einer Pandemie sowohl für die Arbeitssituation wie auch für das Arbeitsrecht neu und wird mit Sicherheit die Arbeitsgerichte beschäftigen. Einige vorläufige Antworten auf die drängendsten arbeitsrechtlichen Fragen in der neuen Situation kann das „klassische“ Arbeitsrecht allerdings geben.

Kein allgemeiner Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung

Trotz der gravierenden Auswirkungen der Erkrankungswelle: Ohne einen objektiven und konkreten Verdacht, dass jemand, mit dem sie auf der Arbeit unweigerlich in Kontakt kommen an der aktuellen COVID-19-Erkrankung oder einer anderen schweren Erkrankung erkrankt ist, dürfen Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht eigenmächtig verweigern. Sollte dies hingegen der Fall sein, z.B. wenn von zwei Mitarbeitern in einem Büro einer offenkundige Krankheitssymptome zeigt, ist der Arbeitgeber aus seiner Fürsorgepflicht heraus aufgerufen, den Erkrankten unverzüglich nach Hause zu schicken. Sollte das nicht der Fall sein und sollte der nicht erkrankte Arbeitnehmer zur Erbringung seiner Arbeitskraft räumlich nicht ausweichen können, würde für ihn die Erbringung der Arbeitskraft wegen einer Gefahr für die Gesundheit gem. § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar. In diesem Fall könnte der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen und verliert in diesem Zeitraum nicht seinen Anspruch auf Vergütung.

Sofern Arbeitnehmer die Arbeitsstelle nicht mehr erreichen können oder wollen, weil sie z.B. öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssten, besteht kein Anspruch auf Zahlung des Entgeltes. Das so genannte Wegerisiko liegt in der Risikosphäre des Arbeitnehmers und zwar auch dann, wenn dieser keinen Einfluss auf die Umstände hat.

Arbeitsverhinderung aufgrund von Kinderbetreuung

Die Schließung von Schulen und Kitas für fast fünf Wochen kam für die Eltern insofern unvorhergesehen, als sie sich bei der Jahresurlaubsplanung zu Beginn des Jahres nicht darauf einstellen konnten. Grundsätzlich berührt die Betreuungssituation nicht erkrankter Kinder des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis nicht, die Betreuungssituation liegt also in der Risikosphäre des Arbeitnehmers. Sofern jedoch in einer plötzlich auftretenden Situation keine andere Betreuungsmöglichkeit praktikabel ist, z.B. weil beide Elternteile berufstätig sind und andere Betreuungspersonen nicht zur Verfügung stehen, kann dem Arbeitnehmer ein Recht auf zeitweiliges Fernbleiben von der Arbeit bei Entgeltfortzahlung ohne Verlust von Urlaub zustehen. § 616 BGB begründet dieses Recht für solche moralischen Notlagen – die Eltern können ein betreuungsbedürftiges Kind schließlich nicht sich selbst überlassen – für einen Zeitraum von einigen Tagen. Nach bisheriger Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Anspruch aus § 616 BGB im Arbeits- oder Tarifvertrag eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden kann. Von dieser Möglichkeit wird häufig Gebrauch gemacht. In der neuartigen Situation, dass trotz Gesundheit von Eltern und Kind die Kinderbetreuung unvorhergesehen in großem Umfang entfällt, werden unter Umständen künftig durch die Gerichte neue Standards formuliert. Bleibt es allerdings bei der aktuellen rechtlichen Bewertung, dass die Rechte aus § 616 BGB in Arbeits- und Tarifverträgen zu Lasten des Arbeitnehmers geregelt werden können und ist dies im konkreten Arbeitsverhältnis der Fall, können Arbeitnehmer den Arbeitgeber lediglich um die Gewährung von Urlaub, unbezahlten Sonderurlaub, Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten oder das Mitbringen des Kindes an den Arbeitsplatz bitten. Ein Anspruch kann hierbei allenfalls auf den normalen Urlaub bestehen und das auch nur, wenn die betriebliche Situation nicht bereits – wie leider häufig – einen Personalengpass aufweist. Hier sind Arbeitnehmer auf Verhandlungen angewiesen. Eine Kündigung wegen Nichterscheinen am Arbeitsplatz für einen oder wenige Tage oder beim einmaligen Mitbringen des Nachwuchses zum Arbeitsplatz ohne Genehmigung dürfte aber unter den aktuellen Umständen unverhältnismäßig sein.

Wichtig:

Mit Wirkung zum 30.3.2020 wurde befristet bis zum 31.12.2020 ein  neuer Absatz (1a) in § 56 Infektionsschutzgesetz eingefügt. Dieser lautet wie folgt:

“Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu.

Wenn Arbeitnehmer wegen einer Schließung der Schule oder der Kita aufgrund der Kinderbetreuung nicht arbeiten können erhalten Sie über den Arbeitgeber bis zu sechs Wochen einen Entschädigungsanspruch i.H.v. 67 {3826537d91c38f8d42de122e87e9e526ad05f6837335344f5142eee66b93d0e3} des monatlichen Nettoeinkommens, jedoch höchstens 2016 € im Monat. Der Arbeitgeber erhält dann auf Antrag beim Gesundheitsamt eine entsprechende Erstattung. Für den Arbeitgeber ist  wichtig, dass der Antrag innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der Tätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu stellen ist.

Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist, dass das zu betreuende Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeiten nicht bestehen. Ferner sind Gleitzeit- bzw.  Überstundenguthaben vorrangig abzubauen. Zu berücksichtigen soll auch sein, ob zumutbare Arbeit im Home Office geleistet werden kann.

Entgeltfortzahlung bei Betriebsschließung

Kündigt der Arbeitgeber an, die Arbeitsleistung eines oder mehrerer Mitarbeiter künftig für einen bestimmten Zeitraum nicht in Anspruch nehmen zu wollen, während der oder die Mitarbeiter arbeitsfähig und zur Arbeit bereit ist bzw. sind, fällt dies grundsätzlich in die sog. Risikosphäre des Unternehmers. Schließt also der Unternehmer einen Teil seines Betriebs oder den gesamten Betrieb, verlieren die freigestellten Mitarbeiter grundsätzlich nicht ihren Anspruch auf Vergütung (§ 615 S. 3 BGB). In Tarifverträgen kann für den Fall, dass der Arbeitsausfall wie bei der aktuellen Erkrankungswelle von keiner Seite zu vertreten ist, etwas anderes geregelt sein.

Außerdem kann fraglich werden, ob diese Grundsätze für behördliche Betriebsschließungen aufgrund der aktuellen Pandemie aufrechterhalten werden. Das Risiko einer Pandemie war bzw. ist für den Arbeitgeber nicht beherrschbar. Ob sich ein in der Eigenart des Betriebs liegendes Risiko verwirklicht hat, kommt auf den jeweiligen Betrieb an. In einer KiTa beispielsweise besteht enger physischer Kontakt zwischen den spielenden Kindern, so dass sich hier bei einer Schließung aufgrund der Pandemie eher ein in der Eigenart des Betriebs liegendes Risiko verwirklicht hat als dies bei einem Unternehmen mit mehreren Einzelbüros der Fall wäre. Es wird sich zeigen müssen, ob bei Betriebsschließungen aufgrund der aktuellen Pandemie durch den Arbeitgeber der Lohn fortzuzahlen ist. Sofern es sich um eine behördliche Anordnung auf Basis des § 28 Abs. 1 S. 1, 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) handelt, kann und sollte der Arbeitgeber den Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG geltend machen.

Für Fälle, in denen Betriebe aufgrund des Corona-Virus ihre Produktion einschränken oder zeitweilig einstellen müssen, kann der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen allerdings auch Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Im Fall einer vorübergehenden Betriebsschließung wegen staatlicher Schutzmaßnahmen ist Kurzarbeit nach aktuellem Stand grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass sich in einem anwendbaren Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung eine entsprechende Regelung findet oder mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit geschlossen wurde. Ordnet der Arbeitgeber berechtigt Kurzarbeit an, haben die betroffenen Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, welches die Höhe des gesetzlichen Arbeitslosengeldes hat.

Entgeltfortzahlung bei Quarantäne

Wurde bei einem Arbeitnehmer durch die zuständige Behörde eine Quarantäne bzw. ein Tätigkeitsverbot angeordnet, darf dieser sein Heim nicht verlassen bzw. nicht zur Arbeit erscheinen. Anderenfalls würde er sich bußgeldpflichtig machen. Sofern der Arbeitnehmer allerdings nicht arbeitsunfähig erkrankt ist, sind Homeoffice oder mobiles Arbeiten möglich. Wird dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit von dem Arbeitgeber eingeräumt, besteht die Arbeitspflicht im bisherigen Umfang – bei verändertem Arbeitsort – fort. Anderenfalls ist der Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert. Aus § 616 ergibt sich sodann für die Dauer der Quarantäne – sofern diese nicht mehr als ein paar Wochen in Anspruch nimmt – Anspruch auf Zahlung des Entgelts, wenn dieser Anspruch nicht im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag wirksam eingeschränkt bzw. ausgeschlossen wurde (siehe oben). Greift der Anspruch aus § 616 BGB nicht ein, kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gezahltes Entgelt durch die zuständige Gesundheitsbehörde ersetzt werden (§ 56 IfSG). Den Antrag können sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber, die bereits Entgelt geleistet haben, stellen.

Entgeltfortzahlung bei Erkrankung mit dem Corona-Virus

Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer mit Symptomen ist in der Regel arbeitsunfähig erkrankt und hat Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts für die Dauer von bis zu sechs Wochen (§ 3 EFZG). In dem Arbeits- oder Tarifvertrag kann auch ein längerer Zeitraum bzw. eine Aufstockung des danach einsetzenden Krankengeldes geregelt sein. Aus seiner Fürsorgepflicht heraus hat der Arbeitgeber auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer arbeitsfähig fühlt, dafür Sorge zu tragen, dass der Erkrankte nicht in Kontakt mit anderen Mitarbeitern kommt, solange er ansteckend ist. Im Regelfall muss er den Arbeitnehmer also anweisen, bis zu einer vollständigen Genesung zu Hause zu bleiben. Auch in diesem Fall besteht, wenn nicht bereits aus der objektiven Arbeitsunfähigkeit heraus, aus einem Annahmeverzug des Arbeitgebers ein Anspruch auf Zahlung des Entgelts.

Häufig wird der an Corona Erkrankte allerdings ohnehin zeitgleich einem behördlichen Beschäftigungsverbot nach § 31 S. 1 IfSG unterliegen. In diesem Fall wird der Erkrankte gem. § 31 S. 2 IfSG vom Staat in Höhe des Verdienstausfalls für die Dauer von maximal sechs Wochen entschädigt. Der Arbeitgeber zahlt hierbei zunächst das Entgelt fort und kann diese Summe sodann auf Antrag erstattet erhalten (§ 56 Abs. 5 IfSG). Hierbei ist auch ein Vorschuss möglich (§ 56 Abs. 12 IfSG). Ob dieser Erstattungsanspruch der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorgeht – ob also der Arbeitgeber für die gesamten sechs Wochen vom Staat die Entschädigung verlangen kann, obwohl der Arbeitnehmer erkrankt war – werden gegebenenfalls die Gerichte klären müssen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das staatliche Tätigkeitsverbot der Entgeltfortzahlung vorgeht, der Arbeitgeber also Entschädigung verlangen kann.

Kein Eingriff in Reiseplanung

Der Arbeitgeber hat den Arbeitsinhalt und teilweise auch den Arbeitsort betreffend ein Weisungsrecht. Hiervon ausgeschlossen ist die private Lebensgestaltung einschließlich des Reiseverhaltens. Arbeitgeber können Arbeitnehmern also nicht untersagen, in Corona-Risikogebiete zu reisen. Eine solche „Weisung“ können Arbeitnehmer ignorieren, ohne wirksame arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Die ministerielle Empfehlung, bei Rückkehr aus Risikogebieten zwei Wochen „freiwillige Quarantäne“ durchzuführen (Stand: 15.03.2020), hat keinen Einfluss auf die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hingegen aus Sorge um seinen Betrieb nach Rückkehr aus einem Risikogebiet frei, besteht ein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers. Hier ist das Entgelt für die Dauer des Annahmeverzuges zu zahlen.

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