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17. März 2023 / by Kanzlei Kerner

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – Bundesarbeitsgericht schärft Entgeltgleichheit

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 (Az. 8 AZR 450/21)

Der Equal Pay Day fällt in Deutschland stets in den März und trifft daher mal mehr, mal weniger mit dem Frühlingsanfang zusammen. Der „Tag der gleichen Bezahlung“ ist ein Aktionstag, um auf die geschlechtsspezifische Lohnlücke (Gender-Pay-Gap) aufmerksam zu machen. Diese wird derzeit mit 18 Prozent errechnet, was 66 Kalendertagen entspricht, die Frauen symbolisch betrachtet „umsonst“ gearbeitet haben.

Schon die vergangene Bundesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, den Gender Pay Gap bis zum Jahr 2030 auf 10 % zu senken und hat zu diesem Zweck im Juli 2017 das Entgelttransparenzgesetz in Kraft gesetzt. Aufgrund seines schwungvollen Namens hat das Gesetz für eine kurze Weile hohe Wellen geschlagen. Schnell wurde jedoch klar, dass das neue Gesetz nicht bedeutet, dass man im Personalbüro die Gehaltsmitteilungen von Kollege Müller einsehen kann und so wurde es recht schnell wieder ruhiger.

Das änderte sich im Jahr 2021, als das Bundesarbeitsgericht erstmalig Konsequenzen aus dem Gesetz zog und urteilte, dass eine aus der Auskunft hergeleitete Vermutung der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vom Arbeitgeber zu widerlegen ist (§ 22 AGG). Diese Erleichterung in der Beweislastverteilung hat das Bundesarbeitsgericht aktuell fortgeführt und den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit geschärft.

Wann gilt „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?

Die Vertragsfreiheit sieht vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber die so genannten Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses, also den Arbeitsinhalt und dessen Bezahlung, bis zur Grenze des Lohnwuchers frei aushandeln können. Aber: Dem Arbeitgeber ist es untersagt, Arbeitnehmern willkürlich einen Standard zu verwehren, den er allen übrigen Mitarbeitenden im Betrieb gewährt (Gleichbehandlungsgebot). Willkürlich bedeutet, dass es keinen sachlichen Grund für eine Schlechterstellung genau dieses Arbeitnehmers bzw. dieser Gruppe von Arbeitnehmern gibt. Ein sachlicher Grund kann insbesondere die Verschiedenheit der Arbeitsleistung sein, der reine Geschlechtsunterschied zwischen Männern und Frauen ist – selbstverständlich – kein sachlicher Grund für einen Entgeltunterschied bei gleicher Arbeit. Schon aus diesem allgemeinen Grundsatz ergibt sich also, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit zwar nicht unbedingt gleich bezahlt werden müssen, Frauen aber jedenfalls nicht strukturell aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt werden dürfen.

Weil doppelt bzw. dreifach in diesem Fall besser hält, verbieten auch § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), Art. 157 AEUV und § 3 Abs. 2 des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) die mittelbare oder unmittelbare Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung ist die oben beschriebene unterschiedliche Bezahlung wegen des Geschlechts, wohingegen eine mittelbare Ungleichbehandlung eine Regelung bezeichnet, die scheinbar an neutrale Kriterien anknüpft, allerdings im Ergebnis ein Geschlecht benachteiligen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer(inne)n, die in Teilzeit tätig sind. In Teilzeit sind weit überwiegend Frauen beschäftigt, während Männer überwiegend voller Erwerbstätigkeit nachgehen. Wird Teilzeitarbeit also nicht anteilig genauso behandelt und bezahlt wie volle Erwerbstätigkeit, handelt es sich um eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, beispielsweise Sonderzahlungen und Weihnachtsgelder anteilig auch den in Teilzeit tätigen Arbeitnehmern zu zahlen.

Der aktuelle Fall: Vertriebs-Mitarbeiterin verdient 1.000 € weniger als Kollege

Die spätere Klägerin war als Vertriebsmitarbeiterin eines Metallunternehmens tätig. Einer ihrer ebenfalls im Außendienst tätigen männlichen Kollegen war zwei Monate nach ihr angestellt worden und hatte ein um 1.000,00 € monatlich höheres Gehalt ausgehandelt. Nachdem die Arbeitnehmerin dies erfahren hatte, klagte sie auf Zahlung des Differenzbetrages und auf eine Entschädigung wegen der geschlechtsspezifischen Benachteiligung.

Der Arbeitgeber argumentierte hiergegen, der männliche Arbeitnehmer habe „eben besser verhandelt“. Die Arbeitnehmerin argumentierte hiergegen, dass ungleichen Gehältern objektive Kriterien wie Erfahrung, Qualifizierungen oder eine höhere Arbeitsleistung zugrunde liegen müssten, schlichtes Verhandlungsgeschick genüge hierfür nicht.

Das Urteil: Verhandlungsgeschick keine Begründung für unterschiedliche Gehälter

Die Arbeitnehmerin verlor die Klage zunächst sowohl vor dem Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 04.10.2019, Az. 5 CA 638/19) als auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 03.09.2021, Az. 1 SA 358/19). Die Gerichte begründeten ihre Urteile damit, das nachvollziehbare Interesse an der Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium.

Das Bundesarbeitsgericht entschied anders und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung der Gehaltsdifferenz und zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.000,00 € gemäß § 15 AGG. Das Gericht stellte fest, dass die Mitarbeiterin Anspruch auf das gleiche Grundentgelt hat wie ihr männlicher Kollege mit einer gleichwertigen Aufgabe. Die Abweichung begründe eine Vermutung dafür, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde (§ 22 AGG). Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, der Gehaltsunterschied beruhe auf unterschiedlich erfolgreichen Gehaltsverhandlungen. Der Arbeitgeber war nicht in der Lage – wie das bei Negativnachweisen häufig ist – die Vermutung dadurch zu entkräften, dass er nachwies, die Mitarbeiterin nicht aufgrund ihres Geschlechts schlechter vergütet zu haben und verlor daher den Rechtsstreit.

Bundesarbeitsgericht dreht Beweislast und stärkt Equal Pay

„Der hat eben besser verhandelt“ war ein Totschlagargument im Streit um die Entgeltgleichheit, denn die Vertragsfreiheit gestattet grundsätzlich die mehr oder minder freie Aushandlung des Entgelts. Das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts greift in diese Vertragsfreiheit ein und gestattet keine unterschiedlichen Gehälter zwischen den Geschlechtern mehr, soweit lediglich Verhandlungsgeschick hierzu geführt hat. Denn auch wenn das Bundesarbeitsgericht für solche Fälle „nur“ die Vermutung der geschlechtsspezifischen Benachteiligung nach § 22 AGG aufstellt, ist es eine kaum lösbare Aufgabe für den Arbeitgeber, eine solche Vermutung zu entkräften. Zu der etwaig nachzuzahlenden Gehaltsdifferenz kann so noch eine Schadenersatzzahlung hinzukommen.

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