Wir arbeiten, um zu leben. Oft wird dieser Ausspruch so verstanden, dass die Arbeit ein erforderliches Übel ist, um anschließend das „echte“ Leben zu genießen. Den meisten Arbeitnehmern bedeutet ihre Arbeit aber mehr als die Erwirtschaftung des Gehaltes. Ein geregelter Tages- und Wochenablauf, soziale Kontakte, das Gefühl, gebraucht zu werden und bestenfalls etwas Sinnvolles zu tun sind ebenfalls sehr gute Gründe, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Und gerade diese Arbeitnehmer schmerzt es, wenn sie – meistens im Rahmen eines Kündigungsstreits – von ihren Aufgaben entbunden werden, sei es auch bei weitergezahltem Gehalt.
Der Gesetzgeber steht hier hilfreich zur Seite: Die Ausübung der Arbeit ist Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, weshalb einem Arbeitnehmer seine Tätigkeit nicht so ohne Weiteres entzogen werden darf, selbst wenn das Gehalt fortgezahlt wird. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer „etwas zu tun“ zu geben und zwar innerhalb des arbeitsvertraglich geregelten Tätigkeitsfeldes. Tut er dies unberechtigt nicht, kann der Arbeitnehmer vor Gericht einklagen, beschäftigt zu werden.
Etwas Unmögliches verlangt das Gesetz allerdings von niemandem, da macht auch das Arbeitsrecht keine Ausnahme. Hat also ein Arbeitnehmer ein Urteil erwirkt, wonach er in einer bestimmten Weise zu beschäftigten ist und gibt es diese Tätigkeiten bei dem Arbeitgeber nicht mehr, ist das Urteil in dieser Form unmöglich zu erfüllen.
Bedeutet das, dass ein Arbeitgeber dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers die Grundlage entziehen kann, indem er die betreffende Stelle abschafft? So einfach ist es nicht, wie das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil klar gestellt hat.
Arbeitgeber in dem aktuellen Fall ist ein weltweit in der Software-Branche agierendes Unternehmen, welches einem entsprechenden Konzern angehört. Der spätere Kläger war innerhalb dieser Struktur als „Direktor“ auf Managerebene 3 angesiedelt und damit den Managern der Ebenen 1 und 2 übergeordnet. Seit dem Jahr 2005 war der Arbeitnehmer in einem Organisationsbereich tätig, welcher im Jahr 2012 im Zuge umfangreicher Umstrukturierungen einem anderen Geschäftsbereich zugeordnet wurde. Im Juni 2009 wurde der Arbeitnehmer von seiner Tätigkeit freigestellt. Hiergegen erhob er Klage und ließ feststellen, dass sein Arbeitgeber verpflichtet ist, ihn zu den bisherigen, im Urteil beschriebenen Bedingungen als Direktor auf Managerebene 3 zu beschäftigen.
Zwischenzeitlich sprach das Unternehmen im April 2010 eine Änderungskündigung aus. Hierbei handelt es sich um eine Kündigung, bei der dem Gekündigten angeboten wird, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Eine solche Kündigung muss für den Fall, dass das Kündigungsschutzgesetz für das Arbeitsverhältnis greift, genauso gerechtfertigt werden wie eine „normale“ Kündigung. Angeboten wurde dem Arbeitnehmer, ihn auf Managerebene 2 – also eine Managerebene tiefer als bisher – zu beschäftigen. Der Arbeitnehmer erhob gegen diese Änderungskündigung ebenfalls Klage auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis unverändert wie in der Vergangenheit weitergeführt zu werden hat. Die Angelegenheit verzögerte sich durch diverse weitere Maßnahmen des Arbeitgebers bis in das Jahr 2013.
Der Arbeitnehmer verlor nun die Geduld und wollte aus seinem ersten gewonnenen Rechtsstreit vollstrecken und seinen Arbeitgeber so zwingen, ihn als Direktor auf Managerebene 3 mit seinen bisherigen, im Urteil beschriebenen Aufgaben, zu beschäftigen. Gegen dieses Ansinnen legte der Arbeitgeber Vollstreckungsgegenklage bei Gericht ein. Hierbei handelt es sich um eine Klage auf Feststellung, dass einem Urteil unmöglich nachgekommen werden kann. Das Unternehmen argumentierte damit, dass durch Planung und Vorgaben auf Konzernebene, auf die man keinen Einfluss hatte nehmen können, im Jahr 2010 eine Veränderung eingetreten sei. Der Arbeitsplatz des Klägers sei in seiner bisherigen Form weggefallen und es sei stattdessen ein neuer, anderer Arbeitsplatz geschaffen worden. Diese neue Stelle in Form einer „Managerebene 2“- Position habe sie dem Kläger bereits angeboten; die Vergütung sollte identisch bleiben. Da er allerdings keinen Einfluss auf die Konzerngesellschaften und das zuständige europäische Management ausüben könne, sei der Arbeitgeber nicht in der Lage, den Beklagten eine Managerposition wie zuvor einzuräumen.
Der Kläger hielt dem entgegen, dass zwar Umstrukturierungsmaßnahmen stattgefunden hatten, allerdings die bisherigen Aufgaben noch anfallen, worauf es aus seiner Sicht alleine ankam.
Der Arbeitnehmer verlor zunächst vor dem Landesarbeitsgericht, welches die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärte (Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.06.2016, 10 Sa 614/15).
Das Landesarbeitsgericht begründete sein Urteil damit, dass die in dem Urteil festgehaltene Beschäftigung dem Unternehmen unmöglich sei. Es war im Rechtsstreit unstreitig, dass es im Konzern und auch in dem Unternehmen umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen gegeben hatte. Ein Arbeitsplatz mit dem Zuschnitt wie vor der Umstrukturierung war in der bisherigen und auch in einer ähnlichen Form nicht mehr vorhanden. Aus rechtlichen Gründen konnte die Maßnahme auch nicht durch den Arbeitgeber alleine wieder rückgängig gemacht werden.
Auch ein gleichwertiger Arbeitsplatz musste nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts für den Arbeitnehmer nicht geschaffen werden. Da der Wegfall der Stelle auf einer legitimen unternehmerischen Entscheidung beruhe, deren Überprüfung dem Gericht nicht zustehe, da sie offensichtlich nicht (nur) dazu gedacht war, den Anspruch des Klägers zu unterlaufen, stünde es in einem groben Missverhältnis zum Interesse des Klägers, eine Rückgängigmachung der Maßnahmen zu verlangen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die angebotene geänderte Position keine wirtschaftlichen Nachteile mit sich bringt.
Im Ergebnis erklärte das Landesarbeitsgericht damit das erstrittene Urteil auf eine Beschäftigung „so und nicht anders“ für wertlos und verwies den Arbeitnehmer auf die von dem Arbeitgeber angebotene neue Stelle der Managerebene 2 bei gleichem Gehalt.
Der Kläger zog gegen diese Entscheidung vor das Bundesarbeitsgericht – im Wesentlichen mit Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht ließ, anders als das Landesarbeitsgericht, den Einwand des Arbeitgebers nicht gelten, der Arbeitsplatz sei in seiner bisherigen Form weggefallen, weswegen eine Beschäftigung wie bisher auch nicht vollstreckt werden könne. Im Ergebnis konnte der Kläger durchsetzen, dass ihm eine andere, allerdings gleichwertige bzw. vertragsgemäße Beschäftigung zugewiesen werden muss. Die Umstrukturierungsmaßnahmen müssen also nicht rückgängig gemacht werden.
Das Bundesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass auch bei einem Wegfall der ursprünglichen Stelle der Arbeitgeber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet ist, eine andere Beschäftigung zuzuweisen, die dem Arbeitsvertrag entspricht. Dies gebietet der Beschäftigungsanspruch, der aus dem Arbeitsvertrag resultiert. Die Versetzung auf die angebotene Stelle der Managerebene 2 muss der Arbeitnehmer also nicht hinnehmen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.2018, Az. 10 AZR 560/16).
Gibt es den bisherigen Stellenzuschnitt des Arbeitnehmers nicht mehr, entfällt nicht zugleich der grundsätzliche Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Zwar steht es einem Arbeitgeber grundsätzlich frei, Umstrukturierungen vorzunehmen. Diese müssen auch grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden. Dann allerdings wird der Arbeitgeber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben dem Arbeitnehmer eine andere, gleichwohl dem Arbeitsvertrag entsprechende und daher gleichwertige Tätigkeit zuweisen müssen. Hierauf hat der Arbeitnehmer einen grundsätzlichen Anspruch, der über das rein finanzielle Interesse hinausgeht und in dieser Form auch durch das Gesetz und das Bundesarbeitsgericht geschützt wird. Einfach verweigern kann der Arbeitgeber die Beschäftigung also nicht, selbst wenn die in dem Urteil beschriebene Tätigkeit nicht mehr exakt so existiert.
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