Schmuck für 20.000,00 € im Betrieb gestohlen – Haftet der Arbeitgeber?
Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21.01.2016
Zur Haftung des Arbeitgebers für gestohlene Gegenstände
Sie stellen auf dem Nachhauseweg fest, dass Ihr Mobiltelefon verschwunden ist. Nach kurzem Überlegen ist klar: Jemand muss es Ihnen im Büro gestohlen haben. Oder nehmen wir eine andere Situation: Sie stellen fest, dass Ihr Spind aufgebrochen wurde; Ihre Geldbörse fehlt. Können Sie Ihren Arbeitgeber hier in Anspruch nehmen? Andersherum gefragt: Haften Sie als Arbeitgeber in solchen Situationen?
Fürsorgepflicht auch für Gegenstände des Arbeitnehmers
Die Antwort auf diese Frage steht nicht ausdrücklich im Gesetz. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Haftung nicht besteht. Eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers für gestohlene Gegenstände des Arbeitnehmers kann sich aus einem Grundsatz ergeben, der eigentlich in einem anderen Zusammenhang eine Rolle spielt: Dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatz seiner Aufwendungen. Macht ein Arbeitnehmer zum Zweck der Arbeit Aufwendungen oder sind sie notwendige Folge hiervon, kann ein Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen bestehen.
Hieraus wird abgeleitet, dass der Arbeitnehmer auch dann einen Erstattungsanspruch haben kann, wenn er anlässlich der Arbeitsleistung einen Schaden an seinem Eigentum erleidet. Das wiederum ist eine Ausprägung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss also die von dem Arbeitnehmer berechtigt auf das Betriebsgelände gebrachten Sachen vor Beschädigungen schützen, soweit es ihm zumutbar ist.
Voraussetzung: Pflichtverletzung und „arbeitsnaher“ Gegenstand
Das entwendete Mobiltelefon oder die entwendete Brieftasche sind Schäden am Vermögen des Arbeitnehmers. Ist dieser Schaden dem Bereich, also der “Sphäre” des Arbeitgebers zuzuordnen, verletzt dieser seine Fürsorgepflicht schuldhaft und trifft den Arbeitnehmer kein (Mit)-Verschulden durch leichtsinniges Handeln, haftet der Arbeitgeber.
Eine solche Pflichtverletzung des Arbeitgebers kann etwa vorliegen, wenn der Arbeitnehmer Dienstkleidung zu tragen hat, ihm aber für seine Privatkleidung und seine persönlichen Gegenstände kein angemessen sicherer Schrank zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt richtet sich die Schutzpflicht nach den Gegebenheiten im Betrieb.
Können nun Arbeitnehmer beliebige Wertsachen im Betrieb aufbewahren und im Fall des Diebstahls den Arbeitgeber haftbar machen. Die Antwort ist ein klares Nein. Das Bundesarbeitsgericht gestaltet die Arbeitgeberhaftung aus und stellt nur diejenigen Vermögensgegenstände unter diesen Schutz, die der Arbeitnehmer zwecks oder „gelegentlich seiner Arbeitsleistung“ in den Betriebsbereich einbringt. Dazu zählen die Gegenstände zur Ausführung der Arbeit, die Gegenstände, die zum Erreichen der Arbeitsstelle notwendig sind und alltägliche Gegenstände, die man üblicherweise mit sich führt; etwa Geldbörsen.
Keine Haftung trifft den Arbeitgeber üblicherweise für gestohlene oder zerstörte Gegenstände, die keinen Bezug zu der Arbeitsleistung haben oder in unangemessenem Umfang dorthin mitgebracht wurden. Das betrifft wertvolle Elektronikgeräte wie Notebooks oder wertvollen Schmuck.
Der Fall: Wertsachen im Wert von 20.000,00 € mit zur Arbeit genommen
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat aktuell diese Grundsätze noch einmal konkretisiert, wobei der Fall eine auffällig hohe Schadenssumme hat.
Geklagt hatte ein Mitarbeiter eines Krankenhauses. Er plante, Schmuck und Uhren im Wert von rund 20.000,00 € nach der Arbeit in sein privates Bankschließfach zu legen und nahm diese Gegenstände daher mit zu seiner Arbeitsstelle. Hier schloss er die Wertgegenstände in dem Rollcontainer seines Büros ein. Es folgte ein starker Arbeitsanfall, aufgrund dessen der Mitarbeiter vergaß, die Wertsachen wie geplant zur Bank zu bringen. Einige Tage später stellte er fest, dass der Rollcontainer aufgebrochen und die Sachen entwendet wurden. Der Zutritt zu dem Büro war mittels eines Generalschlüssels möglich gewesen, welcher wiederum aus der Kitteltasche einer Mitarbeiterin entwendet wurde, nachdem deren Spind aufgebrochen worden war.
Der Kläger verlangte von dem Krankenhaus Ersatz des Schadens. Seinen Anspruch stützte er darauf, dass das Krankenhaus es unterlassen hatte, durch klare Vorgaben oder sonstige Vorkehrungen die sichere Aufbewahrung des Generalschlüssels sicherzustellen. Hierdurch sei der Diebstahl erst möglich geworden.
Das Urteil: Keine Haftung für „arbeitsfremde“ Gegenstände
In erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Herne wurde die Klage abgewiesen und auch in der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht Hamm blieb der Mitarbeiter erfolglos.
Wie sich aus der Pressemitteilung des Justizministeriums Nordrhein-Westfalens vom 21.01.2016 ergibt, betonte das Landesarbeitsgericht Hamm vor allem, dass Arbeitgeber nur für solche Gegenstände Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, die der Arbeitnehmer zwingend mit sich führt oder zumindest üblicherweise mit in den Betrieb bringt. Obhuts- oder Schutzpflichten für Gegenstände, die ohne jeden Bezug zur Arbeitsleistung in den Betrieb gebracht werden, bestehen grundsätzlich nicht. Das gilt besonders, wenn der Arbeitgeber von diesen Gegenständen keine Kenntnis hat. Hier verwies das Gericht auf unkalkulierbare Haftungsrisiken, denen Arbeitgeber anderenfalls ausgesetzt wären.
Fazit
Das Urteil folgt den bisherigen Grundsätzen: Für Wertsachen ohne Bezug zur Arbeitsleistung hat der Arbeitgeber grundsätzlich keine Schutzpflichten. Aufgrund des hohen Schadens und der aus dem Leben gegriffenen Situation bietet der Sachverhalt aber für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Anlass, sich einmal mit der Frage zu befassen, für welche Gegenstände des Arbeitnehmers der Arbeitgeber Schutzpflichten hat und welche Schutzpflichten darüber hinaus bestehen.
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