Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.03.2017
Nichtigkeit eines Wettbewerbsverbotes bei fehlender Entschädigung
In kaum einem arbeitsrechtlichen Thema bestehen so viele Missverständnisse wie bei den Wettbewerbsverboten. Wir schlüsseln das einmal auf:
Was ist ein Wettberwerbsverbot?
Wettbewerbsverbot bedeutet, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer untersagt, zu ihm in Konkurrenz zu treten.
Beispiel: Der Tierarzt Dr. Hase beschäftigt die angestellte Tierärztin Dr. Fuchs. Er möchte nicht, dass Frau Dr. Fuchs während oder nach der Anstellung im gleichen Ort eine Tierarztpraxis eröffnet, da er um seine Stammkunden fürchtet.
Etwas anderes ist das so genannten geschäftsschädigenden Verhalten: Wenn Frau Dr. Fuchs ihren Kunden mitteilt, dass nicht die Tierarztpraxis von Dr. Hase, sondern die ihres Bruders einen Ort weiter viel besser wäre, ist das kein Wettbewerb – allerdings trotzdem ein Grund für eine Abmahnung.
Wettbewerbsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis
Wettbewerb durch den Arbeitnehmer ist auf zwei Arten denkbar: Im laufenden Arbeitsverhältnis als Nebenbeschäftigung oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Beispiel für Wettbewerb im laufenden Arbeitsverhältnis: Der Angestellte eines Weinhandels fühlt sich nach einem Jahr so gut über Weine informiert, dass er seine Expertise auch anderweitig umsetzen möchte und gründet in seiner Freizeit einen privaten Online-Handel für Wein.
Wettbewerb im laufenden Arbeitsverhältnis ist dem Arbeitnehmer Arbeitnehmer so lange untersagt, wie es der Arbeitgeber nicht ausdrücklich gestattet. Hierfür sind auch keinerlei vertraglichen Regelungen erforderlich, es handelt sich um einen Ausdruck des allgemeinen Loyalitätsgebotes und ist in § 60 HGB gesetzlich verankert. Verstöße gegen diese Unterlassenspflicht können zu Schadensersatzansprüchen und gegebenenfalls einer Kündigung führen.
Wettbewerbsverbot bei beendetem Arbeitsverhältnis
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (= nach dem Ende der Kündigungsfrist) sieht es ganz anders aus: Der Arbeitnehmer ist nicht mehr an das Unternehmen gebunden und kann grundsätzlich tun und lassen, was er möchten.
Ist es Ihrem dann ehemaligen Arbeitgeber allerdings sehr wichtig, dass Sie nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zu ihm in Konkurrenz treten, kann er dies vertraglich regeln (nachvertragliches Wettbewerbsverbot). Er kann dann für bis zu 2 Jahre und in einem örtlich angemessenen Rahmen verlangen, dass Wettbewerb unterbleibt. Das funktioniert aber niemals ohne Gegenleistung! Der gesetzliche Grundsatz lautet:
74 Abs. 2 HGB:
„Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal [ Anm.: Der Arbeitgeber ] verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.“
Vereinfacht gesagt: Nur wenn der Arbeitgeber sich schon im Vertrag verpflichtet, mindestens die Hälfte des Gehaltes für die Zeit des Wettbewerbsverbotes fortzuzahlen, ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer bindend (so genannte Karenzentschädigung). Da die Karenzentschädigung nicht der Sozialversicherung unterliegt, ergibt sich für den Arbeitnehmer sogar ein höherer Betrag als die Hälfte des ehemaligen Gehaltes.
Wirksam, nichtig oder unverbindlich
Hier kann allerhand schiefgehen. Ist im Vertrag überhaupt keine Karenzentschädigung vor, ist das Wettbewerbsverbot nichtig, also im Rechtssinne überhaupt nicht vorhanden. Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass es eingehalten wird, muss aber im Gegenzug auch nichts zahlen.
Ist eine Karenzentschädigung zwar zugesagt, entspricht aber in der Höhe nicht mindestens der Hälfte des vormaligen Gehaltes – zum Beispiel auch, weil nur ein Grundgehalt, aber keine Prämien berücksichtigt wurden -, hat der Arbeitnehmer die Wahl. Er muss sich nicht an das Wettbewerbsverbot halten, sondern kann in Konkurrenz zu seinem ehemaligen Arbeitgeber treten. Dann kann er natürlich die Karenzentschädigung auch nicht fordern. Oder er akzeptiert das Verbot zu den Bedingungen, wie sie im Vertrag festgelegt sind, unterlässt also Wettbewerb und nimmt die festgelegte Zahlung an.
Diese Entscheidung muss zeitnah nach Beendigung des Vertrags getroffen werden und gilt einmalig – ein Wechsel zwischen Zeiten, in denen die Entschädigung angenommen wird und dann in Wettbewerb eingetreten wird, ist nicht gestattet. Einzige Ausnahme: Der Arbeitnehmer lässt unmittelbar nach Beendigung des Vertrags gerichtlich klären, ob das Wettbewerbsverbot für ihn bindend ist. In der Zeit dieses Verfahrens darf er abwarten und die Entschädigung annehmen und – wenn das Gericht die Unverbindlichkeit feststellt – sich nach dem Urteil abschließend entscheiden.
Zwischenfazit
An wirksam vereinbarte Wettbewerbsverbote muss man sich gegen Zahlung der Karenzentschädigung halten. Sie sind nicht ganz, aber fast so selten wie Einhörner.
Ein unverbindliches Wettbewerbsverbot ist für einen Arbeitnehmer eine tolle Sache: Plant er Wettbewerb, kann er diesen ungehindert ausführen. Wollte er ohnehin etwas anderes machen, kann er sich seinen Neustart noch mit der vertraglich festgelegten Summe vergolden lassen.
Ein nichtiges Wettbewerbsverbot ist eine traurige Sache: Niemand kann hieraus Rechte herleiten. Aus diesem Grunde versuchen Arbeitnehmer – und Ihre Beratungspersonen – gerne, aus einem nichtigen Wettbewerbsverbot ein unverbindliches (oder sogar ein wirksames) Wettbewerbsverbot zu gestalten.
Das ist aber nicht so einfach, wie in aktuell vor dem Bundesarbeitsgericht entschiedener Fall zeigt.
Was war passiert? Fehlende Karenzentschädigung und salvatorische Klausel
Geklagt hatte eine Industriekauffrau, deren Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorsah. Nach dieser vertraglichen Vereinbarung war ihr der Wettbewerb für die Dauer von zwei Jahren vollständig untersagt – ohne dass eine Karenzentschädigung zu zahlen gewesen wäre.
Wie beinahe jeder Vertrag enthielt der Arbeitsvertrag zudem eine so genannte salvatorische Klausel, also eine Klausel, wonach anstelle einer nichtigen oder unwirksamen Bestimmung eine andere Regelung gelten soll, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrags gewollt hätten.
Die Klägerin verlangte nun für die Dauer von zwei Jahren eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 {3826537d91c38f8d42de122e87e9e526ad05f6837335344f5142eee66b93d0e3} ihres Gehaltes für diesen Zeitraum. Sie argumentierte, dass die salvatorische Klausel dazu führe, dass die – eigentlich nichtige – vertragliche Wettbewerbsabrede wirksam geworden war.
Urteile erster und zweiter Instanz: Wettbewerbsverbot wirksam, Karenzentschädigung zu zahlen
In den ersten beiden Instanzen hatte die Klägerin mit diesem simplen Argument Erfolg: Sowohl das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht Hamm beurteilten das Wettbewerbsverbot mit diesem Argument als wirksam und sprachen die gesetzlich vorgesehene Entschädigung zu (Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.06.2015, Az. 10 Sa 67/15).
Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Wettbewerbsverbot nichtig, keine Karenzentschädigung
Diese kleine Sensation machte das Bundesarbeitsgericht aktuell rückgängig. Das Bundesarbeitsgericht hielt dem Argument der Klägerin entgegen, dass die Entscheidung über die Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden muss. Das ginge aber nicht, wenn zunächst zu entscheiden sei, welche Vereinbarung die Parteien wohl gewollt hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Verbotes bedacht hätten. Daher könne die salvatorische Klausel nicht zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes einschließlich einer Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe führen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15).
Fazit: “Richtig” nichtig bleibt nichtig
Es bleibt also dabei: Ist gar keine Entschädigung vereinbart, kann der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot schlicht ignorieren. Geld gibt es allerdings so oder so nicht. Bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot besteht die Wahl, bei einem wirksamen der Anspruch auf Zahlung der Entschädigung.
Noch Fragen?
Haben Sie Fragen zu dem Thema Wettbewerbsverbot? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
Verwandte Themen:
Hier können Sie uns auf facebook folgen: KERNER Rechtsanwälte auf facebook