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11. Januar 2016 / by kanzleiKerner

“65. Lebensjahr” bedeutet eigentlich “Erreichen der Rente”

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.10.2015

Zur Auslegung der Formulierung „mit Vollendung des 65. Lebensjahres“

Mit 65 Jahren ist lange noch nicht Schluss – Renteneintrittsalter

Für die meisten Arbeitsverhältnisse ist per Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Beendigung mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze geregelt. Wenn diese automatische Beendigung an das Erreichen der gesetzlichen Altersrente anknüpft, ist eine solche Vereinbarung nach der Rechtsprechung auch grundsätzlich wirksam.

Das Alter für das Erreichen der gesetzlichen Rente, die Regelaltersgrenze, war lange Zeit die Vollendung des 65. Lebensjahres. Seit 2012 wurde die Regelaltersgrenze angehoben. Für die nach dem 01.02.1947 geborenen Arbeitnehmer erhöhte sich das Renteneintrittsalter schrittweise bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres (§ 235 Absatz 2 SGB VI).

Häufig blieb aber in den Muster-Arbeitsverträgen und den kollektivrechtlichen Regelungen die Formulierung “Das Arbeitsverhältnis endet mit Auflauf des Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet hat.” unverändert. Das BAG hat aktuell geklärt, dass eine solche starre Formulierung, jedenfalls in Betriebsvereinbarungen, so zu verstehen sind, dass eine Beendigung mit Erreichen der tatsächlichen Regelaltersgrenze gewollt und vereinbart ist. Denn nur so steht die Klausel im Einklang mit dem Gesetz und ist damit wirksam.

Der Fall – Starre (und falsche) Altersgrenze wirksam?

Der spätere Kläger war seit dem Jahr 1984 bei der späteren Beklagten in der chemischen Industrie beschäftigt. Da er am 01.06.1947 geboren wurde, galt für ihn die Regelaltersgrenze von 65 Jahren und einem Monat. Sein Arbeitsvertrag enthielt die Regelung, dass die Arbeits- und Sozialordnung (ASO) und alle übrigen Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung Bestandteile des Arbeitsvertrags würden. In der bei seiner Arbeitgeberin als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen Arbeits- und Sozialordnung (ASO) war zu diesem Zeitpunkt bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf des Monats endet, in dem der Mitarbeiter 65 Jahre alt wird.

Im Juni 2012 vollendete der Kläger sein 65. Lebensjahr und äußerte gegenüber seiner Arbeitsgerin den Wunsch, seine Berufstätigkeit fortzusetzen. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer. Er hielt die Altersgrenzenregelung für unwirksam.

Der Kläger sah sich wegen seines Alters unzulässig benachteiligt. Er hielt in der Folge die Altersgrenze für unwirksam und war der Ansicht, es gäbe keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entsprechend forderte er die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz. Seit Juli 2012 erhält er eine gesetzliche Rente und Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten.

Das Urteil – Was soll “65. Lebensjahr” bedeuten?

Das BAG entschied mit Urteil vom 13.10.2015 (Az.: 1 AZR 853/13), dass die Altersgrenze der Beklagten wirksam ist, aber noch ausgelegt werden muss. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30.06.2012, da der Kläger seit dem 01.07.2012 gesetzliche Rente bezieht.

Dieses Ergebnis begründete das BAG mit folgenden Argumenten:

Das Erreichen der Regelaltersgrenze ist ein legitimier Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Da der Arbeitsvertrag des Klägers ausdrücklich auf die ASO verwies, war es auch unerheblich, das im Arbeitsvertrag selbst keine Befristung geregelt war. Die Altersgrenze ist dabei so auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Kalendermonats eintritt, in dem der Arbeitnehmer das Alter erreicht hat, das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderlich ist.

Der Grund dafür ist, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Parteien eine unwirksame Regelung treffen wollten. Die Vereinbarung eines fixen Beendigungzeitpunktes mit Erreichen des 65. Lebensjahres wäre aber bei nach 1947 geborenen Arbeitnehmern unwirksam, denn eine Befristung per Altersgrenze ist nur dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Regelaltersrente beantragen kann. Das wäre bei nach 1947 geborenen Arbeitnehmern mit Vollendung des 65. Lebensjahres (noch) nicht der Fall.

Fazit

Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres endet, sind regelmäßig so auszulegen, dass erst mit dem für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalter das Arbeitsverhältnis enden soll. Dieses dynamische Auslegungsverständnis des BAG fügt sich ohne Bruch in die bisherige Rechtsprechung zum Thema Altersgrenzenbefristungen ein.

Das Urteil betrifft eine Betriebsvereinbarung und damit eine kollektive Regelung. Ob das BAG die Rechtsprechung auf Arbeitsverträge überträgt, bleibt abzuwarten.

Noch Fragen?

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