Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 13.10.2015
Zum Zugang einer in den Briefkasten eingelegten Kündigung
Der Ausspruch einer Kündigung ist fehleranfällig. Das beginnt damit, dass diese häufig gebrauchte Formulierung einen falschen Eindruck vermittelt – eine bloß “ausgesprochene” Kündigung ist nicht wirksam. Auch dann nicht, wenn sie von dem Arbeitnehmer zur Kenntnis genommen wurde. Erforderlich ist eine schriftliche Kündigung; und erst deren Zugang hat Einfluss auf die Kündigungsfrist.
Wichtig: Der rechtzeitige Zugang
Daher kann es einen erheblichen Unterschied machen, ob eine Kündigung beispielsweise noch am letzten Tag des Monats oder bereits am ersten Tag den Folgemonats zugegangen ist. Zugang ist dabei erst einmal der tatsächliche Erhalt der schriftlichen Kündigung, wenn sie etwa im persönlichen Gespräch übergeben wird. Das Wort Zugang ist aber ein rechtlicher Fachbegriff, denn eine Kündigung kann im juristischen Sinn auch dann zugegangen sein, wenn der Arbeitnehmer sie überhaupt nicht in den Händen gehalten hat. Wird das Schriftstück nämlich per Post, durch Boten oder von dem Kündigenden persönlich in den Briefkasten eingelegt, ist der Zugang erfolgt, sobald der Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Ob und wann er dann auch tatsächlich Kenntnis nimmt, darauf kommt es nicht mehr an.
Wenn man diesen Grundsatz streng durchhalten wollte, müsste jeder Arbeitnehmer permanent seinen Briefkasten überwachen, da er jederzeit potenziell die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von Kündigungen hätte. Um eine ausgewogene Risikoverteilung zu erreichen, wird daher bei Privatpersonen davon ausgegangen, dass diese unter normalen Umständen einmal am Tag ihren Briefkasten leeren und das auch nur, wenn mit Postsendungen zu rechnen ist. Nicht mit Postsendungen zu rechnen ist am späten Abend, eine um 22.00 Uhr eingelegte Kündigung geht deshalb erst am Folgetag zu. Nicht mit Postsendungen zu rechnen ist ferner am Sonntag, der Zugang erfolgt dann am Montag.
Der Fall: Einwurf am Sonntag
Über diesen Umstand stolperte ein Rechtsanwalt, der plante, einer Mitarbeiterin am letzten Tag der Probezeit zu kündigen. Der letzte Tag der Probezeit fiel auf einen Sonntag. An diesem Tag wurde der späteren Klägerin die schriftliche Kündigung in den Hausbriefkasten eingelegt. Die Mitarbeiterin fand das Schriftstück dort erst am Folgetag vor und berief sich darauf, ihr sei nicht innerhalb der Probezeit gekündigt worden, weshalb die längere Kündigungsfrist von vier Wochen statt wie in der Probezeit von zwei Wochen gelte.
Der Arbeitgeber sah das anders und meinte, die Kündigung sei rechtzeitig innerhalb der Probezeit zugegangen. Er berief sich darauf, dass es sich um den letzten Tag der Probezeit und daher um einen besonderen Tag gehandelt habe und der Klägerin bekannt war, dass er auch sonntags arbeitet.
Das Urteil
Wie schon in erster Instanz bekam die Klägerin auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Recht (Urteil LAG Schleswig-Holstein vom 13.10.2015, Az. 2 Sa 149/15). Die Kündigung gilt erst am Montag als zugegangen, also nach Ablauf der Probezeit und zwar unabhängig davon, um wieviel Uhr am Sonntag der Arbeitgeber die Kündigung in den Briefkasten eingelegt hatte. Sonntags müssen Arbeitnehmer laut dem Urteil ihren Briefkasten nicht überprüfen, auch dann nicht, wenn es sich um den letzten Tag der Probezeit handelt und bekannt ist, dass der Arbeitgeber sonntags arbeitet. Entsprechend verlängerte sich die Kündigungsfrist.
Fazit
Das Thema “Zugang der Kündigung” begleitet uns in der Praxis ständig. Dabei kann es entweder – wie in dem besprochenen Fall – um die rechtliche Bewertung des Zugangszeitpunkts gehen oder aber um dessen Beweisbarkeit. Denn beweisen, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Kündigung zugegangen ist, muss der kündigende Arbeitgeber. Tipps für das richtige Vorgehen und die Vermeidung weiterer Stolpersteine finden Arbeitgeber hier: Checkliste Kündigung. Mit dieser Checkliste können auch Arbeitnehmer überprüfen, ob eine Kündigung den rechtlichen Anforderungen standhält.
Haben Sie Fragen zu dem Thema „Kündigung“? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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