Informationen zur Scheinselbstständigkeit

Sofern jemand nach der zu Grunde liegenden Vertragsgestaltung eigentlich selbständige Leistungen für ein anderes Unternehmen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages zu erbringen hat, tatsächlich aber nichtselbständige Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses leistet, spricht man regelmäßig von Scheinselbstständigkeit. Konsequenz der Scheinselbstständigkeit ist, dass letztendlich keine selbstständige Tätigkeit, sondern ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt. Eigentlich gibt es den Begriff Scheinselbstständigkeit als Rechtsbegriff weder im Arbeitsrecht noch im Steuer- oder Sozialversicherungsrecht; quasi rechtsgebietsübergreifendend steht Scheinselbstständigkeit als Oberbegriff für die fehlerhafte Zuordnung von vermeintlich Selbständigen. Im Arbeitsrecht ist der Scheinselbstständige entweder Arbeitnehmer oder kein Arbeitnehmer; im Sozialversicherungsrecht entweder abhängig Beschäftigter oder selbstständig Tätiger und im Lohnsteuerrecht Selbstständiger oder Arbeitnehmer. Die Beschäftigung von Scheinselbstständigen kann für den „Auftraggeber“ erhebliche finanzielle und rechtliche Auswirkungen haben; die Scheinselbstständigkeit stellt für „Auftraggeber“ ein hohes wirtschaftliches Risiko dar.

Wann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor?

Ob eine Scheinselbstständigkeit gegeben ist, lässt sich – eben weil Scheinselbstständigkeit kein eigenständiger Rechtsbegriff, sondern lediglich ein rechtsgebietsübergreifender Oberbegriff für eine fehlerhafte Zuordnung ist – nicht pauschal, sondern jeweils nur bezogen auf das einzelne Rechtsgebiet feststellen. Arbeitsrechtlich kommt es darauf an, ob der vermeintlich Selbstständige in Wirklichkeit Arbeitnehmer ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wird zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Nichtarbeitnehmer maßgeblich auf die Regelung des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB abgestellt, wonach derjenige selbstständig ist, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Im Umkehrschluss hierzu ist derjenige, der seine Tätigkeit im Wesentlichen nicht frei gestalten und auch seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen kann, regelmäßig Arbeitnehmer. Im Sozialversicherungsrecht ist für die Beurteilung einer Scheinselbstständigkeit bzw. des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wiederum die gesetzliche Bestimmung des § 7 Abs. 1 SGB IV maßgeblich, wonach Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ist und Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt nur eine “Scheinselbstständigkeit” vor. Der Beschäftigtenbegriff im Sozialversicherungsrecht und der Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsrecht sind nicht identisch, lediglich wegen der überwiegend gleichartigen Voraussetzungen werden die Arbeitnehmer- und die Beschäftigteneigenschaft im Ergebnis häufig zusammenfallen. Allerdings gibt es eine Reihe von Fallgruppen, in denen Arbeitsverhältnis und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deckungsgleich sind. Dieses betrifft zum Beispiel Fremdgeschäftsführer, welche in aller Regel nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, aber sozialversicherungsrechtlich regelmäßig als Beschäftigte eingeordnet werden.

Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit

Arbeitsrechtlich ist im Rahmen der Scheinselbstständigkeit entscheidend, ob es sich bei der beschäftigten Person tatsächlich um einen Arbeitnehmer handelt. Ist der Scheinselbstständige tatsächlich Arbeitnehmer, gelten die arbeitsrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen, welche überwiegend den Schutz des Arbeitnehmers zum Ziel haben, beginnend von Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung über Urlaubsansprüche bis hin zu Schutzvorschriften bei einer Kündigung. Während des laufenden Vertragsverhältnisses führt die Scheinselbstständigkeit arbeitsrechtlich in der Regel kaum zu Problemen, zumal die Vertragsparteien die Vertragsgestaltung und die tatsächliche Umsetzung selber gewählt haben. Anders ist die Interessenlage allerdings, wenn der Auftraggeber das Vertragsverhältnis beendet hat oder beenden will, dann kann es im Rahmen der Scheinselbstständigkeit durchaus dazu kommen, dass sich der vermeintlich Selbstständige auf seine Arbeitnehmereigenschaft und einen hieraus abgeleiteten Kündigungsschutz bezieht. Noch gravierender sind die sozialversicherungsrechtlichen bzw. steuerrechtlichen Auswirkungen einer Scheinselbstständigkeit. Bei einer Scheinselbstständigkeit, d.h. der fehlerhaften tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als abhängiges Beschäftigungsverhältnis bzw. Arbeitsverhältnis, unterliegt das Vertragsverhältnis der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerpflicht. Sofern im Rahmen von Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung bzw. das Finanzamt festgestellt wird, dass tatsächlich keine selbstständige Tätigkeit des Auftragnehmers vorliegt, können bis an die Grenze der Verjährung Steuernachforderungen und Beitragsforderungen gegen den Auftraggeber/Arbeitgeber geltend gemacht werden. Insbesondere bei den Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung ist zu beachten, dass diese regelmäßig erst in 4 Jahren und bei einem vorsätzlichen Vorenthalten sogar erst in 30 Jahren jeweils nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren.

Vorgehen bei Scheinselbstständigkeit

Aufgrund des erheblichen Risikos einer Scheinselbstständigkeit insbesondere durch Beitragsnachforderungen ist den Vertragsparteien dringend anzuraten, das Vertragsverhältnis derart zu gestalten und auch tatsächlich in der Form zu „leben“, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Bestehen Zweifel seitens des Auftraggebers bzw. des Auftragnehmers, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, kann zur Klärung ein Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7 a SGB IV eingeleitet werden. Praktisch bedeutsam ist in diesen Fällen auch, dass, wenn (1) ein entsprechender Antrag innerhalb eines Monats eingeht, (2) der Beschäftigte zustimmt und (3) dieser für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung eintritt. Über eine entsprechende Vertragsgestaltung sowie in Zweifelsfällen mit der Einleitung des Anfrageverfahrens gemäß § 7 a SGB IV kann letztendlich das erhebliche wirtschaftliche Risiko einer Scheinselbstständigkeit aufgrund der Inanspruchnahme nach einer entsprechenden Betriebsprüfung deutlich minimiert werden.

 

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