Kündigung wegen Auftragsmangel durch Corona – wie sind die Regeln?
KERNER Rechtsanwälte – Rufen Sie uns an: 0511 27 900 80
Mo - Do von 9 - 16 Uhr & Fr 9 - 14 Uhr
Leisewitzstraße 28, 30175 Hannover
Kündigung wegen Auftragsmangel durch Corona – wie sind die Regeln?
In einem unserer Blogbeiträge haben wir uns mit den allgemeinen arbeitsrechtlichen Fragen im Angesicht der Corona-Krise beschäftigt, vor allem mit den jeweiligen Arbeitspflichten trotz Kinderbetreuung oder Angst vor Ansteckung. Seitdem hat sich immer deutlicher gezeigt, wie hart die Wirtschaft von der Krise getroffen wird.
Es ist daher davon auszugehen, dass neben den durch die Corona-Pandemie ausgelösten Fragen zum laufenden Arbeitsverhältnis auch zunehmend Kündigungen im Zusammenhang mit Auftragsmangel ausgesprochen werden.
Dieser Beitrag behandelt das Thema Kündigung vor dem Hintergrund der Corona-Krise. Wie Sie merken werden, gibt es bei einer Kündigung viele verschiedene Aspekte – manche formal, manche in der Sache – zu prüfen und bedenken. Sie werden diesen Blogbeitrag leichter folgen können und sich für den Fall, dass Sie von einer Kündigung betroffen sind, einen strukturierten Überblick über die Rechtslage machen können, wenn Sie sich vorab mit unserer Checkliste Kündigung vertraut gemacht haben.
Es ergeben sich arbeitsrechtlich wenig Besonderheiten im Fall einer „Corona-Kündigung“. Das Arbeitsrecht kennt drei Kündigungsgründe, von denen sich nur einer – die betriebsbedingte Kündigung – nicht auf Umstände des Arbeitnehmers, sondern des Betriebes bezieht. Eine Pandemie wie die derzeitige ist nicht als Kündigungsgrund etabliert und kann daher für sich genommen auch keinen Kündigungsgrund darstellen, sondern lediglich die daraus folgenden Konsequenzen für den Betrieb.
Insbesondere hat der Kündigungsgrund auf die Formvorschriften einer Kündigung keine Auswirkungen. Die hier erklärten Formvorschriften müssen also auf jeden Fall eingehalten werden. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, muss auch die Kündigungsfrist eingehalten werden. Diese verlängert sich normalerweise mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Fristen können Sie hier nachsehen.
Wir betrachten im Folgenden den Fall einer betriebsbedingten Kündigung „wegen Corona“. Sofern eine Erkrankung des Arbeitnehmers „an Corona“ den Kündigungsgrund darstellen soll, wären die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden. Diese werden im Regelfall nicht vorliegen, insbesondere nicht die erforderlich Negativ-Prognose.
Ob der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung überhaupt einen Grund braucht, hängt von der Betriebsgröße ab. Wenn im Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, greift bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten der allgemeine Kündigungsschutz.
Zur Ermittlung, wie viele Arbeitnehmer im Betrieb regelmäßig beschäftigt sind, werden nicht einfach „Köpfe“ gezählt, Basis ist zunächst die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit:
Außerdem ist regelmäßige Anzahl an Mitarbeitern entscheidend. Auch kürzlich gekündigte Arbeitnehmer können unter Umständen mitzählen. Mitgezählt werden grundsätzlich befristet Beschäftigte und Aushilfskräfte sowie ruhende Arbeitsverhältnisse (Mutterschutz, Elternzeit). In der Regel ausgenommen sind Auszubildende, Praktikanten, Freelancer u.ä..
Als zweite Voraussetzung muss das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate Bestand haben. Ist eine der beiden Voraussetzungen nicht gegeben, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Der Arbeitgeber kann dann das Arbeitsverhältnis grundsätzlich kündigen, ohne einen besonderen Grund vorweisen zu müssen. Auch eine Sozialauswahl muss er nicht vornehmen; wobei krasse Fälle von sozialer Rücksichtslosigkeit eine Ausnahme darstellen können.
Falls Zweifel an der Einhaltung der Formvorschriften der Kündigung, der Kündigungsfrist, der Länge des Arbeitsverhältnisses oder der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer bestehen, ist es sinnvoll, die Kündigung überprüfen zu lassen.
Für alle Arbeitsverhältnisse, die unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, gilt hingegen: Es müssen nicht nur die Formalien der Kündigung stimmen und der rechtzeitige Zugang beweisbar vorliegen, es müssen auch die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen. Im Fall der Corona-Pandemie ergibt sich im Wesentlichen Folgendes, wobei die Vorgaben der Rechtsprechung hier nur vereinfacht dargestellt werden können.
Grundsätzlich besteht für den Arbeitgeber keine Pflicht, seine unternehmerische Betätigung (im bisherigen Umfang) weiterzuführen. Will der Arbeitgeber seine unternehmerische Tätigkeit allerdings nicht gänzlich aufgeben, muss er zunächst feststellen, welche Arbeitnehmer er zur Erledigung der verbleibenden Arbeitsmenge einsetzen kann. Hierfür sind die Vorgaben des jeweiligen Arbeitsvertrags maßgeblich. Außerdem muss er konkret feststellen, in welchem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten auf Grund welchen Umstands entfallen sind. Hierfür muss er Inhalt und Umfang der Tätigkeiten vor und nach dem Ereignis darstellen, welches die Arbeitsmenge verringert hat.
Zu bedenken ist bei alldem, dass die Corona-Pandemie zwar derzeit massive Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit vieler Unternehmen hat. Hier ist allerdings im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu schauen, wie die Prognose für die Zukunft aussieht. So erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglich, dass sich etliche Geschäftsbereiche relativ zeitnah wieder erholen. In diesem Fall ist zweifelhaft, ob die jeweiligen Aufgaben tatsächlich entfallen sind und ob eine Kündigung auf dieser Basis verhältnismäßig ist.
Übersteigt das prognostizierte künftige Arbeitsvolumen die Anzahl der vorhandenen Arbeitsplätze, muss der Arbeitgeber ferner bestimmte, in § 1 Abs. 3 KSchG genannte, Umstände der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer berücksichtigen:
Es kommt also bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nicht maßgeblich darauf an, welche Arbeitnehmer der Arbeitgeber gerne behalten möchte, sondern welche Arbeitnehmer die Kündigung im Regelfall wirtschaftlich leichter verkraften können. Im berechtigten betrieblichen Interesse kann der Arbeitgeber allerding Arbeitnehmer aus der Betrachtung herausnehmen. Miteinander verglichen werden im Übrigen nur Arbeitnehmer, die in ihren Aufgaben austauschbar sind.
Die korrekte Sozialauswahl ist „eine Wissenschaft für sich“ und kann hier nur in Ansätzen dargestellt werden. Sie ist aus diesem Grunde auch fehleranfällig, so dass in Zweifelsfällen Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber sich fachanwaltlichen Rat einholen sollten.
Wie oben dargelegt ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, seine bisherige Tätigkeit am Markt fortzuführen. Eine Kündigung kann daher grundsätzlich darauf gestützt werden, dass der Betrieb stillgelegt wird. In diesem Fall stehen alle Arbeitnehmer zur Kündigung an und es muss keine Sozialauswahl getroffen werden.
Um eine solche Kündigung zu rechtfertigen, muss der Unternehmer allerdings den ernsthaften und endgültigen Beschluss getroffen haben, den Betrieb auf unbestimmte, jedenfalls aber nicht nur vorübergehende, Zeit stillzulegen. Hierfür müssen Maßnahmen ergriffen werden, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben müssen. Eine vorübergehende Stilllegung des Betriebes – wie es derzeit in Angesicht der Corona-Pandemie oft geschieht – kann eine Kündigung für sich genommen nicht rechtfertigen.
Nach aktueller Lage muss von einem Anstieg an Massenentlassungen ausgegangen werden. Dieser Begriff ist in § 17 des KSchG geregelt und flankiert das den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Kündigungsprozedere. Es handelt sich hierbei um die gleichzeitige Kündigung vieler Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber. Konkret liegt eine Massenentlassung vor, wenn gleichzeitig oder innerhalb von 30 Tagen die in § 17 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) definierte Anzahl an Arbeitnehmern entlassen wird. Das sind in Betrieben mit 20 bis 60 Arbeitnehmern 6 oder mehr Arbeitnehmer, in Betrieben unter 500 Arbeitnehmern 26 oder mehr Arbeitnehmer oder 10 % der Belegschaft und in Betrieben ab 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer. Handelt es sich um eine Entlassungswelle innerhalb eines Unternehmens, entspricht in der Regel jeder Standort einem Betrieb, so dass für diesen jeweils die Schwellenwerte gelten. Die Voraussetzungen einer Massenentlassung gelten zusätzlich zu den übrigen Voraussetzungen der Kündigungen.
Der Arbeitgeber ist bei einer geplanten Massenentlassung verpflichtet, diese mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 17 Abs. 2 KSchG). Diese Beratungspflicht ist erst erfüllt, wenn eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt oder Arbeitgeber und Betriebsrat sich auf einen Interessenausgleich verständigt haben. Ein Fehlen dieser Stellungnahme kann zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen.
Außerdem muss der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigungen die Agentur für Arbeit benachrichtigen. Hier müssen nach einem bestimmten Prozedere verschiedene Informationen über die zu kündigenden Arbeitnehmer übermittelt werden. Auch das Unterlassen oder die fehlerhafte Durchführung dieser sogenannten Massenentlassungsanzeige kann zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen.
Gerade weil betriebsbedingte Kündigungen für ein Unternehmen selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen komplex darzustellen und damit fehleranfällig sind, bevorzugen Arbeitgeber in Krisenzeiten oft Aufhebungsverträge. Dem Arbeitnehmer wird in der Regel eine Abfindung angeboten, um einen Anreiz für den Abschluss des Vertrags zu bieten. Dafür kann der Arbeitgeber sicher sein, das Arbeitsverhältnis ohne Unklarheiten oder einen Rechtsstreit erledigt zu haben.
Ob ein Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung für einen Arbeitnehmer in Frage kommt, kann letztlich nur dieser anhand seiner Lebensumstände und sinnvollerweise mit fachanwaltlicher Hilfe für sich klären. Arbeitnehmer müssen hierbei unter anderem bedenken, dass bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags durch die Agentur für Arbeit eine Sperrfrist verhängt wird. Wenn ein neuer Anschluss-Job, vielleicht auch krisenbedingt, nicht sicher ist, muss dieser Einkommensausfall einkalkuliert werden.