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Mann übergibt Umschlag an einen anderen
24. Februar 2023 / by Kanzlei Kerner

„Was in dem Brief stand, weiß ich nicht mehr“ reicht nicht – Empfänger muss konkret Stellung zum Inhalt nehmen

Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 07.12.2022 (Az. 4 Sa 123/21)

Es gibt Schriftstücke, die „in echt“ – also ohne E-Mail oder Messenger – ihren Empfänger erreichen müssen. Kündigungen zum Beispiel, denn für diese gilt die Schriftform und selbstverständlich auch das Erfordernis, dass sie dem zu Kündigenden zugehen. Und dies möglichst rechtzeitig vor dem Ende der Probezeit oder am letzten Tag des Monats, damit nicht noch einen Monat länger Gehalt gezahlt bzw. gearbeitet werden muss. Für andere Schriftstücke wie Abmahnungen oder Geltendmachungen von Gehalt gilt zwar kein strenges Schriftformgebot, doch auch hier sollten Sie darauf achten, den Zugang nachweisen zu können.

Ist das Schreiben bei einem persönlichen Termin in die Hand des Empfängers übergeben worden, ist es zugegangen. Um dies in einem Streitfall beweisen zu können, benötigen Sie einen zuverlässigen Zeugen, der nicht nur bezeugen kann, dass dem Empfänger ein Schriftstück übergeben wurde, sondern auch, um welches Schriftstück es sich handelte; er sollte es also vorher gelesen haben.

Für den eigenen Briefkasten ist man verantwortlich

Ein womöglich unangenehmes persönliches Gespräch ist allerdings für einen rechtssicheren Zugang nicht unbedingt erforderlich. Ein Schreiben ist ebenso zugegangen, sobald der gewöhnliche Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Selbst wenn also der Empfänger das Schreiben nie gesehen hat – weil er seinen Briefkasten nicht geleert hat – kann es zugegangen sein. Um das Risiko angemessen zu verteilen, verlangt die Rechtsprechung von Privatpersonen, dass sie ihren Briefkasten einmal werktäglich zu einer normalen Zeit leeren. Eine spätabends eingeworfene Kündigung gilt also als am nächsten Tag zugegangen. Diesen Zeitpunkt muss sich der Empfänger allerdings auch entgegenhalten lassen, wenn er erst Tage später in seinen Briefkasten schaut.

Noch sicherer mit Einschreiben?

Vielen gilt das Einschreiben als sicherste Form der Zustellung, besonders in der Variante „Einschreiben mit Rückschein“. Von dieser raten wir jedoch bei fristgebundenen Schriftstücken unbedingt ab. Denn der Empfänger erhält in diesem Fall lediglich die Mitteilung, dass ein Einschreiben für ihn bei der Post zur Abholung bereitliegt. Ob er dies auch tut oder nicht und vor allem wann, entzieht sich Ihrer Kontrolle.

Also lieber mit Einwurf-Einschreiben? Idealerweise erhalten Sie über die Sendungsverfolgung die Mitteilung über den Zugang beim Empfänger, letztlich aber nur den Nachweis, dass Ihr Briefumschlag in einen bestimmten Postkasten geworfen wurde. Was sich in diesem Umschlag befunden hat, darüber besagt der Zustellnachweis naturgemäß nichts. Wir empfehlen daher statt eines Einschreibens, die Zustellung selbst unter Hinzuziehung eines Zeugen vorzunehmen bzw. eine vertrauenswürdige Person hiermit zu beauftragen. Achtung: In beiden Fällen kann der Zeuge oder die Zeugin nur dann bezeugen, worum es sich bei dem eingeworfenen Schriftstück handelte, wenn er oder sie es zuvor lesen konnte.

Sollten Sie es anders gehandhabt haben: So ganz aussichtslos ist die Beweisführung im Fall von Einschreiben oder gar einfachem Brief nicht (mehr). So mehren sich im Fall von Einschreiben Urteile, die lediglich anhand des Post-Zustellnachweises die Zustellung eines Schreibens angenommen haben, z.B. das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019, Az. 2 Sa 139/18, zu einem Kündigungsschreiben. Hier hatte das Gericht argumentiert, der erste Anschein spreche dafür, dass es sich bei dem Inhalt des Einschreibens um die streitgegenständliche Kündigung gehandelt habe und der Arbeitnehmer habe diesen Anschein nicht widerlegt.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam kürzlich im Fall einer Geltendmachung auf Gehaltsnachzahlung das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 07.12.2022, Az. 4 Sa 123/21). Die spätere Klägerin hatte ihrer langjährigen Arbeitgeberin nachweislich per Einschreiben ein Schreiben zukommen lassen, dass diese einen Tag später entgegennahm. Die Arbeitnehmerin behauptete, hierbei habe es sich um die Geltendmachung einer Jahressonderzahlung gehandelt. Die Arbeitgeberin bestritt dies und behauptete, der Anspruch auf Auszahlung der Jahressonderzahlung sei zwischenzeitlich verfallen.

Das Urteil: Nachgewiesene Zustellung = einfaches Bestreiten reicht nicht

Das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung. Das Gericht sah es als bewiesen an, dass es sich bei der nachweislich zugegangenen Postsendung um das Geltendmachungsschreiben handelte. Die Klägerin hatte dem Gericht eine Kopie des Geltendmachungsschreibens vorgelegt. Das einfache Bestreiten, dass dieses Schreiben der Inhalt der nachweislich eingegangenen Briefsendung war, reichte dem Gericht nicht aus. Vielmehr habe die Arbeitgeberin die zumutbare Möglichkeit, zu ermitteln, welchen Inhalt die besagte Briefsendung gehabt habe. Sie hätte konkret dazu vortragen müssen, wenn nicht das von der Klägerin behauptete Schreiben Inhalt des Briefumschlages gewesen sei, was denn sonst konkret Inhalt des Briefumschlages gewesen sei. Da sie sich hierzu auch auf Hinweis des Gerichts nicht geäußert habe, hatte dieses keinen Zweifel, dass es sich trotz des Bestreitens der Arbeitgeberin um das Geltendmachungsschreiben gehandelt habe. Das Gericht ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zu. Höchstrichterlich ist diese Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts für das Arbeitsrecht also noch nicht.

Fazit

Das Thema Zugang von Schriftstücken begegnet uns in vielen Fällen. Die Beweislast für den Zugang eines Schreibens liegt immer bei demjenigen, der sich auf den Zugang berufen möchte. Am besten beugen Sie also einem langwierigen Rechtsstreit vor, indem Sie direkt rechtssicher zustellen und sich bei Zweifelsfällen professionelle Unterstützung holen.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Zustellung und Zugang von Schriftstücken? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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