Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2017
Eine Probezeit dient der Erprobung des gemeinsamen Arbeitsverhältnisses für beide Seiten. In dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von (nur) zwei Wochen und ohne Angabe von Gründen beendet werden. Aber: Die maximal sechsmonatige Probezeit gibt es nicht automatisch, sondern nur, wenn sie auch vereinbart wurde (§ 622 Abs. 3 BGB).
Und hierbei kann manches schiefgehen, wie ein aktuell vor dem Bundesarbeitsgericht behandelter Fall zeigt.
Arbeitsverträge sind – in der Regel – AGB
Arbeitsverträge sind in aller Regel so genannte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das bedeutet, sie wurden von dem Arbeitgeber vorformuliert und dem Arbeitnehmer mehr oder weniger nur noch zum Unterschreiben vorgelegt. Das erscheint für den Arbeitgeber zunächst einmal verlockend, schließlich bestimmt er die genauen Regelungen des Vertrags. Das Gesetz schützt hier aber den „strukturell unterlegenen“ Arbeitnehmer und bestimmt, dass Klauseln, die entweder nicht klar verständlich sind oder den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, unwirksam sind (§§ 305 ff. BGB) (Näher zu dem Thema hier).
Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag bemühen muss, möglichst klar verständlich zu machen, was gemeint ist. Lässt sich das im Ergebnis nicht einigermaßen sicher feststellen, kann der Arbeitnehmer sich auf die Auslegung berufen, die für ihn günstiger ist.
Was war passiert?
So war es in dem Fall eines Flugbegleiters geschehen. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Probezeit von sechs Monaten beginnt („Die ersten sechs Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses werden als Probezeit vereinbart“). An anderer Stelle war geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem entsprechenden Manteltarifvertrag richtet. In diesem Manteltarifvertrag war für die Probezeit – anders als im Gesetz – eine Kündigungsfrist von einer Woche in den ersten drei Monaten vorgesehen. Und an wiederum anderer Stelle unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ war geregelt, dass „für das Arbeitsverhältnis“ eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende besteht.
Der Arbeitgeber kündigte sodann in der Probezeit. Der Arbeitnehmer beantragte vor dem Arbeitsgericht die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf von sechs Wochen zum Ende des Kalendermonats ende, da die Probezeitregelungen unklar und damit unwirksam seien.
Die Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz
Die erste Instanz wies die Klage noch ab, in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf bekam der Kläger Recht (Urteil vom 07.10.2015, Az. 7 -Sa 495/15). Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass zwar die jeweiligen Kündigungsfristen in sich klar und verständlich seien. So sei die Probezeit-Kündigungsfrist des in den Vertrag einbezogenen Tarifvertrags ebenso klar wie die angegebene Kündigungsfrist von sechs Wochen. Allerdings stünden die Regelungen zueinander in Widerspruch. Die Formulierung, dass „für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses … eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monatsende” gilt, mache nicht ausreichend deutlich, dass das erst nach Ablauf der Probezeit gelten soll. Hierdurch könne ein Arbeitnehmer die Kündigungsfrist nicht eindeutig berechnen. Das führte nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts dazu, die für die Probezeit vorgesehene Kündigungsfrist ersatzlos wegfiel und nur noch die sechswöchige Kündigungsfrist (für das gesamte Arbeitsverhältnis) übrig blieb. Mit einer kürzeren Frist konnte der Arbeitgeber also nicht kündigen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Auch vor dem Bundesarbeitsgericht wurde die Rechtsauffassung des Klägers bestätigt, die Kündigung wirkte erst mit Ablauf von sechs Wochen zum Monatsende (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2017, Az. 6 AZR 705/15). Auch das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass der Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag sehr deutlich machen muss, welche Fristen für welche Situation gelten. In diesem Fall war nicht unmissverständlich deutlich, dass die einzige in dem Arbeitsvertrag genannte Kündigungsfrist („sechs Wochen zum Monatsende“) sich nur auf die Zeit nach der Probezeit beziehen sollte.
Der Arbeitgeber hat sich hier darauf verlassen, dass die Bezeichnung Probezeit automatisch auch dazu führt, dass die in dem Tarifvertrag für die Probezeit vorgesehene Kündigungsfrist gilt. Hätte es keinen Tarifvertrag gegeben, hätte er sich wahrscheinlich darauf verlassen, dass die gesetzlich für diesen Fall geregelte Frist von zwei Wochen gilt. Die Gerichte haben das anders gesehen. Zu der Verwirrung hat vielleicht auch der Umstand beigetragen, dass der Tarifvertrag noch eine andere Kündigungsfrist für die Probezeit vorsah als das Gesetz – das war aber nicht das Kernthema. Das eigentliche Problem des Arbeitgebers war, dass er nicht klargestellt hat, dass in der Probezeit eine andere Kündigungsfrist gilt als danach.
Arbeitgebern ist daher ausdrücklich zu raten, nicht nur eine Probezeit in den Vertrag aufzunehmen, sondern auch ausdrücklich die Kündigungsfrist für diesen Zeitraum klarzustellen („In dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.“). Für die allgemeine Kündigungsfrist sollte dann noch einmal klargestellt werden: „Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist (…)“. An diesem Fall sieht man, dass das Gesetz mit der Verpflichtung zur Klarheit im Vertrag wirklich ernst macht.
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