Kündigung per Einschreiben? Warum das nicht immer reicht und wie es besser geht.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.01.2025 (Az. 2 AZR 68/24)
Beinahe jede Kommunikation oder Vertragserklärung kann heute auch digital erfolgen, nur in wenigen Fällen verlangt der Gesetzgeber nach wie vor die Papierform. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist ein solcher Fall und da sie bei Abschaffung vieler Formvorgaben vor Kurzem absichtlich ausgelassen wurde, wird sich daran auch so bald nichts ändern. Es gilt also: Eine Kündigung ist erst dann wirksam, wenn sie dem Empfänger in Papierform und unterschrieben zugegangen ist. Da das in Zeiten elektronischer Kommunikation eher ungewohnt und zudem der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung entscheidend ist – vor dem Ende der Probezeit oder am letzten Tag des Monats -, lautet die Frage: Wie bekomme ich das Schreiben denn sicher und rechtzeitig zu dem, für den es bestimmt ist?
Wann ist der Zugang einer Kündigung (sicher) erfolgt?
Eine Kündigung ist zweifelsfrei zugegangen, wenn der Empfänger sie in Händen hält, weil sie ihm in einem persönlichen Termin übergeben wurde. Ob der Inhalt auch gelesen wurde, ist hingegen nicht mehr entscheidend, wichtiger ist da schon, ob der Zugang in einem Rechtsstreit auch bewiesen werden kann (Stichwort: Zeugen). Oft ist ein persönliches Gespräch aber ohnehin nicht möglich oder nicht wünschenswert, da Zeitdruck besteht und Sie nicht darauf angewiesen sein möchten, dass der Kündigungsempfänger einen Gesprächstermin wahrnimmt.
Besser mit Post und Einschreiben?
Da liegt es nahe, die Post mit der Zustellung zu beauftragen. Eine Kündigung „unter Abwesenden“, wie wir Juristen sagen, ist zugegangen, wenn ein idealtypischer Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Die Rechtsprechung geht von einer Briefkastenleerung einmal täglich aus. Wird eine Kündigung tagsüber eingeworfen, gilt sie noch an diesem Tag als zugegangen, bei einem Einwurf zur späteren Abendzeit am nächsten Tag. Auch wenn der Empfänger die Kündigung tatsächlich nicht oder erst Wochen später zur Kenntnis nimmt, weil er seinen Briefkasten selten leert, gilt sie also dennoch als nach diesem Idealverlauf zugegangen und die Kündigungsfrist richtet sich nach diesem Zustelldatum.
Für viele ein klarer Fall: Dann mit Einschreiben! Denn hier erhält man schließlich das genaue Zustelldatum gleich mitgeteilt, oder? So logisch das klingt, so tückisch ist es bei genauerem Hinsehen. Wenn Sie ein Einschreiben aufgeben, erhalten Sie bestenfalls nach ein paar Tagen einen Beleg eines Postmitarbeiters zurück, dass er einen Briefumschlag in einen bestimmten Postkasten geworfen hat. Allerdings beweist dieses Schriftstück nicht, was sich in dem Briefumschlag befunden hat. Und schlimmer: Bei einem Einschreiben mit Rückschein, vermeintlicher Goldstandard der Zustellung, erhält der Empfänger lediglich die Benachrichtigung der Post, dass er ein Schreiben dort abholen kann. Ob er das auch tut oder nicht und vor allem wann liegt jedoch in der Hand des Empfängers; ungünstig bei einer zeitgebundenen Zustellung. Und manchmal erhalten Sie auch überhaupt keinen Einlieferungsbeleg, wie es dem Absender in einem aktuell entschiedenen Fall erging.
Beweislast bei Einschreiben: Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts
In der Vergangenheit standen die Arbeitsgerichte den Arbeitgebern immerhin insofern bei, als sie mit dem Sendungsnachweis von einem Anscheinsbeweis für die Zustellung der Kündigung ausgegangen sind, den der Gekündigte zu widerlegen hatte (z.B. Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019 (Az. 2 Sa 139/18) und Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 07.12.2022 (Az. 4 Sa 123/21)). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Risikoverteilung nun konkretisiert und klargestellt, dass der Sendungsstatus alleine einen solchen Anscheinsbeweis nicht begründet (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.01.2025, Az. 2 AZR 68/24).
Der Arbeitgeber hatte per Einwurf-Einschreiben gekündigt und die Sendungsnummer durch eine Mitarbeiterin dem Kündigungsschreiben zugeordnet. Einen Einlieferungsbeleg erhielt der Arbeitgeber von der Post allerdings nicht, er sah jedoch den im Internet abrufbaren Sendungsstatus als Anscheinsbeweis für die Zustellung zu dem dort genannten Datum an. Die Arbeitnehmerin hatte den Zugang der Kündigung pauschal bestritten.
Das Bundesarbeitsgericht erkannte den Zugang der Kündigung nicht an. Es betonte, dass der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung beweisen muss. Ein Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens und ein Sendungsstatus reiche hierfür nicht aus, wenn der Auslieferungsbeleg fehlt. Es bedürfe konkreter Nachweise über die Zustellung, wie etwa den Auslieferungsbeleg mit Unterschrift des Zustellers. Die Vorlage eines solchen Einlieferungsbelegs würde hingegen gegenüber einfachen Briefen – bei denen kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung besteht – eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens und damit einen Anscheinsbeweis begründen. Ein einfaches Bestreiten des Empfängers würde dann nicht mehr genügen, dieser müsste sich konkret dazu äußern, was denn sonst konkret Inhalt des Briefumschlages gewesen sei, wenn nicht das behauptete Schreiben. Vorliegend hat dieser Anscheinsbeweis jedoch mangels Auslieferungsbeleg nicht bestanden.
Zustellung: Besser so
Der echte Goldstandard der Zustellung geht anders, hierzu müssen Sie allerdings die Wohnanschrift des Kündigungsempfängers aufsuchen oder aufsuchen lassen. Lassen Sie einen vertrauenswürdigen Zeugen (zwei, wenn Sie den Zeugen nicht selbst zur Wohnadresse begleiten) das Schriftstück lesen, stecken Sie es in Anwesenheit Ihres Zeugen in einen Briefumschlag und übergeben dem Empfänger in Anwesenheit des Zeugen den verschlossenen Umschlag oder werfen ihn in den Briefkasten. Ideal ist zusätzlich ein Foto oder Video von dem Einwurf mit gut sichtbarem Namensschild des Empfängers.
Lässt sich diese Möglichkeit nicht verwirklichen, dürfte eine Zustellung per Dokumenten-Kurier (hierfür gibt es kommerzielle Anbieter) noch immer größere Chancen auf eine zuverlässig nachweisbare Zustellung bieten als die aufgrund des Massengeschäfts fehleranfällige Zustellung per Post.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil stellt ein weiteres Mal klar, dass der Zugang einer Kündigung durch den Kündigenden bewiesen werden muss. Da Sie auf den Rücklauf des Einlieferungsbelegs durch die Post keinen Einfluss haben, sollten Sie möglichst den unter „besser so“ beschriebenen Zustellweg wählen. Ist das nicht möglich, ist die sorgfältige Dokumentation des Einlieferungsbelegs Pflicht, denn Beweisfragen rund um den Zugang von Kündigungen begleiten uns in vielen Fällen. Sichern Sie sich hier also ab und lassen Sie sich bei Zweifelsfällen unterstützen. Weitere Tipps rund um das Thema Kündigung finden Sie hier: https://kanzlei-kerner.de/checkliste-kuendigung/. Mit dieser Checkliste können Sie überprüfen, ob die rechtliche Basis der Kündigung stimmt.
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