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Mann hält Briefumschlag mit einer Kündigung in der Hand
28. Juli 2017 / by kanzleiKerner

Erzieherin isst fremde Schokolade – fristlose Kündigung

Wann darf fristlos gekündigt werden?

Sie suchen nach Ihrer Schokolade und können sie nicht finden? Ärgerlich. Umso ärgerlicher, wenn sich herausstellt, dass die Kollegin sie gegessen hat. Dieselbe, die auch die betriebliche Waschmaschine schon einmal privat benutzt hat und einen fremden Jute-Beutel zu Weihnachten verwichtelt hat.

Wie klärt man so etwas? Eine Möglichkeit wäre, dass die Kollegin sich entschuldigt, eine neue Tafel Schokolade kauft und die Angelegenheit vergessen wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Arbeitgeber die Kollegin fristlos entlässt.

Wie bitte? Ja, so hat der Arbeitgeber der besagten Erzieherin entschieden. Das veranlasst uns zu einem Beitrag über das Thema Bagatellkündigung.

Die 64-jährige Heilerziehungspflegerin arbeitete 32 Jahre in einem Internat, in welchem hauptsächlich körperlich behinderte Kinder leben. Im Laufe der Zeit kam es zu den genannten Vorfällen. Zwar habe die Arbeitnehmerin die Tafel Schokolade ersetzt. Der Arbeitgeber, eine Stiftung, empfand es aber dennoch als Vertrauensbruch, dass die Mitarbeiterin fremde Schokolade aß. Auch in Anbetracht ihrer Vorbildfunktion. Es folge also die fristlose Kündigung.

Das Arbeitsverhältnis war bis dato frei von Abmahnungen und auch der Betriebsrat soll der Kündigung nicht zugestimmt haben.

Die Arbeitnehmerin klagte gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Heidelberg. Dieses sah den Fall anders als der Arbeitgeber: Die Mitarbeiterin hätte für den Vorfall lediglich eine Abmahnung erhalten sollen. Im Klartext heißt das: Die Kündigung wurde als unverhältnismäßig eingeordnet.

Die Parteien einigten sich schließlich auf diese Weise: Die Mitarbeiterin erhielt eine Abmahnung und ihr wurde das Gehalt für die Zeit nachgezahlt, die sie wegen der Kündigung nicht gearbeitet hatte. Die Mitarbeiterin kehrt an ihren Arbeitsplatz zurück.

Für viele erstaunlich: Häufig sind so genannte Bagatellkündigungen tatsächlich rechtmäßig. Der Fall hätte also auch anders ausgehen können. Der Grund ist, dass solche Vorfälle in Wahrheit eigentlich keine Bagatelle sind, sondern ein Vertrauensbruch.

Eine Kündigung wird rechtlich nie ausschließlich als Sanktion für vergangenes Fehlverhaltens ausgesprochen, sondern als Prognose, ob für die Zukunft das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung überwiegt. Das geschädigte Vertrauen berechtigt also zur Kündigung und nur mittelbar die Abwägung, wie schwer das Fehlverhalten wiegt.

Ist das Vertrauen nachvollziehbar irreperabel zerstört, muss der Arbeitgeber mit diesem Mitarbeiter nicht mehr zusammenarbeiten. Wie stark das Vertrauensverhältnis durch welche Vorfälle gestört werden kann, wägt letztlich das Gericht ab, hierbei gilt aber erst einmal: Ein Diebstahl berechtigt zur fristlosen Kündigung.

Die Rechtsprechung der Gerichte durch alle Instanzen war in diesen Fällen der Vergangenheit konsequent auf Arbeitgeberseite und haben Kündigungen auch bei sehr geringem Eigentumsschaden für rechtmäßig erklärt, (Beispiele aus der Lebensmittelbranche: Biss in eine Frikadelle, Diebstahl einer Portion „Hirtenfladen“-Brotaufstrich, einer Portion Teewurst, einem Stück Bienenstich, sechs Maultaschen. Häufig handelte es sich um Ware, die kurz vor Feierabend von den Mitarbeitern verzehrt oder mitgenommen wurde, weil sie anderenfalls weggeschmissen worden wären).

In letzter Zeit sind hier aber auch andere Urteile ergangen. Auch die Gerichte können sich nicht den harten Folgen verschließen: Eine fristlose Kündigung führt zu einer Sperrzeit bei der Agentur für Arbeit, einem ungeraden Beendigungsdatum im Arbeitszeugnis (nachteilig, weil Hinweis auf die fristlose Kündigung) und einer nicht zu unterschätzenden psychischen Belastung. Sollte einem Arbeitgeber diese Maßnahme tatsächlich nach einem mitunter jahrzehntelangen beanstandungsfreien Arbeitsverhältnis wegen eines einmaligen Fehlverhaltens gestattet werden? Das Bundesarbeitsgericht als das höchste deutsche Arbeitsgericht beantwortete diese Frage hinsichtlich der Unterschlagung eines Pfandbons im Wert von 1,30 € im Jahr 2010 mit „nein“. Seitdem wird auch in diesem Bereich etwas differenzierter vorgegangen.

Entsprechend wurde zum Beispiel durch das Landesarbeitsgericht Hamburg im Jahr 2014 entschieden, dass ein Biss in ein „betriebliches“ Krabbenbrötchen nach 8-jähriger Betriebszugehörigkeit nicht die fristlose Kündigung rechtfertigt (mehr dazu hier).

So nun auch hier: Bei einem seit 32 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis hat der beanstandete Vorfall dem Gericht nicht zur fristlosen Kündigung ausgereicht. Das entspricht den neueren Tendenzen, hätte aber auch anders ausgehen können.

Mitarbeitern ist daher immer noch mit auf den Weg zu geben: Nichtfragen kann den Job kosten! Fragen Sie Ihren Vorgesetzten um Erlaubnis, auch wenn es sich scheinbar um eine Kleinigkeit handelt. Und natürlich sollte fremde Schokolade nicht ohne Erlaubnis gegessen werden.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Kündigung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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