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Man liest sich einen Vertrag vor der Unterschrift durch
12. Januar 2025 / by Kanzlei Kerner

Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte bei Zielvereinbarungen

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2024 (Aktenzeichen 10 AZR 171/23)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 3. Juli 2024 Klarstellungen zur Aushandlung von Zielvereinbarungen in Arbeitsverhältnissen getroffen. Das Urteil stärkt die Position der Arbeitnehmer bei variablen Vergütungen je nach vertraglicher Festlegungen deutlich.

Hintergrund: Arbeitgeber legte Ziele einseitig fest

Ein Arbeitnehmer, tätig als Development Director, hatte neben einem festen Gehalt Anspruch auf eine erfolgsabhängige Tantieme. Diese war an jährlich zu vereinbarende Ziele geknüpft (Formulierung im Arbeitsvertrag: „…zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart“), im Arbeitsvertrag war jedoch ebenfalls geregelt, dass der Arbeitgeber bei Scheitern der Verhandlungen die Ziele einseitig festlegen durfte. Als keine Einigung über die Ziele erzielt wurde, setzte der Arbeitgeber Vorgaben fest, die der Arbeitnehmer als unangemessen kritisierte. Verhandlungen darüber blieben erfolglos und der Arbeitnehmer klagte auf Schadensersatz, da er keine Tantieme erhielt.

Das Urteil: Verhandlungen müssen ernsthaft geführt werden

Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Arbeitnehmers und sprach ihm Schadenersatz in Höhe von über 82.000 Euro zu. Das Gericht hob folgende Punkte hervor:

Zielvereinbarungen erfordern eine gleichberechtigte Verhandlung, während Zielvorgaben einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen können, Zielvorgaben sind allerdings jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig. In dem entschiedenen Fall benachteiligte die Regelung im Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer unangemessen, da sie dem Arbeitgeber ein praktisch unbeschränktes Bestimmungsrecht einräumte. Arbeitgeber müssen ihren Arbeitnehmern vielmehr die Möglichkeit geben, aktiv an der Zielsetzung mitzuwirken. Die Möglichkeit der Einflussnahme ist dabei nur gegeben, wenn der Arbeitgeber den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt, sich also deutlich und ernsthaft zur Änderung eines unterbreiteten Vorschlags bereit erklärt. Das war im vorliegenden Fall nicht ausreichend geschehen. Das Recht zur einseitigen Festlegung von Zielen war als unangemessen Benachteiligung unwirksam und die einseitige Festlegung der Ziele nach Abbruch der Verhandlungen daher eine Pflichtverletzung. Für die entgangene Vergütung bestand ein Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, 3 iVm. § 283 Satz 1, § 252 BGB.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt deutlich, dass Arbeitgeber die Formulierungen in ihren Arbeitsverträgen mit großer Sorgfalt gestalten (oder gestalten lassen) sollten. Besonders bei variablen Vergütungen mag der Eindruck entstehen, es handle sich um ein freiwilliges Entgegenkommen, doch die vertraglich vereinbarten Regelungen sind verbindlich. Wenn Verhandlungen vorgesehen sind, müssen diese auch tatsächlich geführt werden. Es empfiehlt sich daher, bestehende Klauseln zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Darüber hinaus sollten Verhandlungsprozesse transparent und dokumentierbar gestaltet werden. Für Arbeitnehmer stellt das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte dar: Sie können bei entsprechenden Formulierungen im Vertrag auf eine aktive Mitgestaltung bei der Zielvereinbarung bestehen und bei Pflichtverletzungen Schadenersatz fordern.

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