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Richterhammer und Justitia im Hintergrund
15. Februar 2019 / by kanzleiKerner

Kennen wir uns? Rechtsprechungsänderung bei sachgrundloser Befristung.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2019

Sachgrundlose Befristungen sind in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr so „in“ wie noch vor einigen Jahren, aber gleichwohl noch immer ein beliebtes Gestaltungsmittel im Arbeitsrecht. Mit 9% sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse liegen die deutschen Arbeitgeber im europäischen Mittelfeld. Wie der Name sagt, endet das Arbeitsverhältnis mit Eintritt des Befristungsdatums, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen werden muss. Dazu muss man wissen, dass in Betrieben mit regelmäßig mehr als 10 Mitarbeitern diesen nicht ohne Weiteres gekündigt werden kann (wie wird gezählt? So wird gezählt.). Die Befristung bietet dem Arbeitgeber also die Chance, ein Arbeitsverhältnis ohne großen Aufwand auch dann noch zu beenden, wenn das nach der maximal sechsmonatigen Probezeit normalerweise nicht mehr möglich wäre. Und das sogar bei Arbeitsverhältnissen, bei denen Kündigungen generell nur schwer möglich sind, wie bei einer schwangeren Arbeitnehmerin oder bei schwerbehinderten Arbeitnehmern.

Wie lange?

Arbeitnehmer dürfen für maximal zwei Jahre ohne Sachgrund befristet beschäftigt werden. Innerhalb dieses Zeitfensters darf das Arbeitsverhältnis maximal drei Mal verlängert werden. Der Arbeitgeber kann also entweder sofort für zwei Jahre befristen, er kann diesen Zeitraum aber auch aufteilen. Zum Beispiel so:

Susanne Müller wird am 01.01.2019 eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist erst einmal für ein halbes Jahr befristet, also bis zum 30.06.2019. Das läuft ganz gut und der Arbeitgeber verlängert das Arbeitsverhältnis um ein halbes Jahr bis zum 31.12.2019. Frau Müller ist nun bereits ein Jahr beschäftigt. Nachdem auch das noch gut funktioniert, verlängert der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ein zweites Mal, wiederum um ein halbes Jahr bis zum 30.06.2020 und anschließend noch einmal bis zum 31.12.2020. Dann hat der Arbeitgeber die zwei Jahre ausgeschöpft und muss sich entscheiden: Entweder übernimmt er Frau Müller unbefristet oder das Arbeitsverhältnis läuft aus (es sei denn, es ergibt sich ein Grund für eine nachfolgende Befristung mit Sachgrund).

Die Verlängerungsfalle

In diesem Zusammenhang sei auf etwas hingewiesen, das man als Verlängerungsfalle bezeichnen kann. Eigentlich ist es ganz einfach: Sie setzen sich zusammen und schließen – schriftlich, also Ihre beiden Unterschriften auf demselben Dokument – einen kurzen Vertrag, z.B. „Die Parteien sind sich einig, dass das ursprünglich bis zum 30.06.2019 befristete Arbeitsverhältnis befristet bis zum 31.12.2019 fortgesetzt wird.“ Unterschriften drunter, fertig. Eine solche Situation scheint aber dazu zu verleiten, gleichzeitig noch dies und das am Vertrag anzupassen. Als Anerkennung für die bisherige Leistung wird etwa der Stundenlohn erhöht oder die Arbeitszeiten werden verändert. Gesetz und Rechtsprechung sind streng bei Befristungen, erinnern Sie sich? Das Gesetz sagt, mit jemandem, mit dem schon einmal ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, darf nicht noch einmal ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Und das Bundesarbeitsgericht bewertet einen Vertrag, in dem etwas anderes als die reine Verlängerung der Befristung geregelt wird, als neuen Abschluss eines Arbeitsvertrages. Und das bedeutet, dass bereits zuvor ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat und nun ein neues geschlossen wurde. Und das bedeutet, dass die Befristung des „neuen“ Arbeitsverhältnisses nicht wirksam sein kann. Statt die Befristung des Arbeitsverhältnisses zu verlängern besteht also ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (§ 16 TzBfG). Soll also bei einer Verlängerung der Befristung auch etwas am Inhalt des Arbeitsverhältnisses geändert werden, müssen Arbeitgeber unbedingt auf „Sicherheitsabstand“ achten!

Darf es ein bisschen mehr sein?

Es gibt im Gesetz Erweiterungen für die Möglichkeit sachgrundloser Befristungen, zum Beispiel für ältere Arbeitnehmer. Das Gesetz sieht für diese spezielle Befristungsmöglichkeit eine Höchstdauer von fünf Jahren statt nur zwei Jahren vor. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter bei der Einstellung 52 Jahre oder älter ist und mindestens 4 Monate ohne Arbeit war (§ 14 Abs. 3 TzBfG). Aber Achtung: Die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Europarecht ist noch nicht abschließend geklärt, insbesondere die Anzahl der möglichen Befristungen innerhalb des 5-Jahres-Zeitraumes. Bevor Sie als Arbeitgeber auf diese Weise eine Befristung vornehmen oder als Arbeitnehmer eine solche hinnehmen, besprechen Sie sich mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Eine zweite Möglichkeit, die sachgrundlose Befristung zu erweitern, sind neu gegründete Unternehmen. In diesem Fall kann, wenn kein Zuvorarbeitsverhältnis bestanden hat, in den ersten vier Jahren nach der Neugründung sachgrundlos für vier Jahre befristet werden. Die Befristung kann also maximal vier Jahre betragen, muss aber nicht zwingend innerhalb der ersten vier Jahre stattfinden (§ 14 Abs. 2a TzBfG). Auch hier besprechen Sie sich zu den Details gerne mit dem Fachanwalt Ihres Vertrauens.

Was alles schiefgehen kann bei der Befristung

Die sachgrundlose Befristung ist ein Instrument, dass ausschließlich dem Arbeitgeber nützt. Das Gesetz neigt jedoch normalerweise dazu, den – strukturell schwächeren – Arbeitnehmer zu schützen. Bei solchen arbeitgeberfreundlichen gesetzlichen Möglichkeiten werden daher die Voraussetzungen umso strenger gehandhabt. Ein Fehler bei der Befristung führt daher mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis (§ 16 TzBfG) bzw. einer sehr guten Verhandlungsposition des Arbeitnehmers.

Unterschreiben – und zwar beide!

Die erste wichtige Vorgabe steht in § 14 Abs. 4 TzBfG. Eine wirksame Befristung kann es nur geben, wenn die Befristungsabrede, in der Regel integriert in den Arbeitsvertrag, schriftlich abgeschlossen ist. Das soll beiden Vertragsparteien noch einmal die Konsequenzen vor Augen führen. Schriftlich bedeutet, dass beide Originalunterschriften – kein Scan, kein Fax, keine E-Mail und schon gar keine Handygeschichten – vor Arbeitsantritt auf derselben Urkunde unter dem Text stehen. Das gilt für jede Handlung, mit der die Befristung „angefasst“ wird; natürlich für den Vertragsschluss, aber auch für Verlängerungen und Verkürzungen.

Alte Bekannte: Das Zuvorarbeitsverhältnis.

Wie Sie unter dem Punkt „Verlängerungsfalle“ gesehen haben, ist eine sachgrundlose Befristung nur möglich, wenn derselbe Arbeitnehmer zuvor noch nicht beschäftigt wurde. Wenn man das wörtlich nimmt, bedeutet es, dass der Arbeitnehmer nie zuvor beschäftigt worden sein darf. Es dürfte also nicht einen kleinen Nebenjob im Studium oder etwas in der Art gegeben haben.

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahr 2011 entschieden, dass unter „keine Zuvorbeschäftigung“ ein Zeitraum von drei Jahren zu verstehen sei, der zwischen zwei Arbeitsverhältnissen gelegen haben muss (Urteil vom 06.04.2011, Az. 7 AZR 716/09). Diese Rechtsprechung konnte nicht aufrecht erhalten werden, da das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, dass das Bundesarbeitsgericht mit dieser an die Verjährung angelehnten Auslegung die Grenzen des gesetzlichen Wortlauts („bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis“) überschritten hatte (Beschluss des BVerfG vom 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14).

Die dem Bundesarbeitsgericht aufgegebene Rechtsprechungsänderung hat nun stattgefunden, das Bundearbeitsgericht betrachtet einen solchen Sachverhalt nunmehr strenger.

Was war passiert? Anderthalbjähriges Arbeitsverhältnis acht Jahre zuvor

Beklagt war ein Automobilhersteller, bei dem der Arbeitnehmer von März 2004 bis September 2005 als Facharbeiter beschäftigt war. Im August 2013 wurde der Arbeitnehmer erneut eingestellt, ebenfalls befristet. Mit dem Auslaufen der Befristung machte er ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Argument geltend, eine sachgrundlose Befristung scheitere am Zuvorarbeitsverhältnis.

Das Urteil: Unbefristetes Arbeitsverhältnis festgestellt

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Zuvorarbeitsverhältnis im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vorlag und eine weitere sachgrundlose Befristung daher nicht mehr möglich war. Das zweite Arbeitsverhältnis besteht daher mangels wirksamer Befristung unbefristet fort (Urteil des BAG vom 23.01.2019, Az. 7 AZR 733/16).

Zur Begründung führte das Gericht an, dass es sich bei dem Zuvorarbeitsverhältnis nicht um ein nur sehr kurzes Arbeitsverhältnis gehandelt habe, ferner läge dieses auch nicht sehr lange Zeit zurück und schließlich habe es vergleichbare Tätigkeiten beinhaltet.

In Niedersachsen: Nur einmal im Leben

Länge, zeitlicher Abstand und Inhalt des „Zuvorarbeitsverhältnisses“ sind nun die Maßstäbe, mit denen das Bundesarbeitsgericht arbeitet. So hatte es das Bundesverfassungsgericht vorgegeben. Ein kurzer Nebenjob mit einfachen Tätigkeiten dürfte also die befristete Einstellung als Fachkraft 15 Jahre später grundsätzlich nicht hindern, die Details wird aber die künftige Rechtsprechung anhand von Praxisfällen auszufüllen haben.

Die Frage des Zuvorarbeitsverhältnisses ist seit jeher umstritten und es gibt Landesarbeitsgerichte, die sich dem Bundesarbeitsgericht mit seinen Zeitgrenzen entgegenstellen. Dazu gehört auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, welches ein lebenslanges Verbot einer zweiten sachgrundlosen Befristung annimmt – wobei abzuwarten ist, wie sich dieses zu dem neuen Urteil positioniert.

Stand jetzt werden Arbeitgeber mit einem wie auch immer gearteten Zuvorarbeitsverhältnis in Niedersachsen zunächst zumindest in der zweiten Instanz verlieren und das ist ja schon für sich genommen eine teure und nervenaufreibende Angelegenheit. In Niedersachsen sind Arbeitgeber also gut beraten, sich bis auf Weiteres an das lebenslange Anschlussverbot zu halten.

Haben Sie Fragen zu dem Thema Befristung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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