Arbeitsschutz am Arbeitsplatz in Zeiten von Corona
Zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört es, alle unter den jeweiligen Umständen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (vgl. § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)).
Ziel des Arbeitsschutzes
Ziel des Arbeitsschutzes ist nicht nur Unfallschutz, die Vermeidung von Berufskrankheiten oder arbeitsbedingter Erkrankungen sondern auch präventiver Gesundheitsschutz. Hierzu zählt auch die Vermeidung einer Ansteckung mit gesundheitsgefährdenden Erregern. Während in der Vergangenheit häufiger gesundheitsgefährdende Bakterien wie Listerien und Salmonellen z.B. in Krankenhäusern und auf Pflegeheimen festgestellt werden mussten und bekämpft werden konnten, ist dies bei dem neuartigen Coronavirus und auftretenden Mutationen (SARS-CoV-2) weiterhin nicht oder nur schwer möglich. Zwar sind inzwischen mehrere Impfstoffe zugelassen. Jedoch verlaufen die Impfungen schleppend. Zudem gibt es bislang kein Medikament, welches zur wirksamen Behandlung gegen das Coronavirus eingesetzt werden kann. Die Einhaltung von Hygienemaßnahmen ist daher weiterhin von großer Bedeutung. Allerdings bieten auch großflächige Desinfektionsmaßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz vor der Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch.
SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) vom 21.01.2021
Am 21.01.2021 wurde die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verkündet. Die Verordnung gilt vorerst bis zum 15.03.2021. Die Verordnung verfolgt das Ziel, das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz zu minimieren. Zunächst werden Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern dort, wo betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, die Möglichkeit von Homeoffice anzubieten. Die Einzelheiten können dem Beitrag „Corona und Homeoffice“ entnommen werden. Kommen Arbeitnehmer weiterhin in den Betrieb, sind vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Zunächst gilt es, Kontakte zu vermeiden oder, sofern nicht anders möglich, jedenfalls auf ein Minimum zu beschränken. In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten sollen diese möglichst in kleine Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Auch zeitversetztes Arbeiten soll ermöglicht werden.
Vorgesehen ist zudem, dass, sofern Räume von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig zu nutzen sind, je Mitarbeiter eine Mindestfläche von 10m² vorhanden sein muss. Können diese Anforderungen nicht eingehalten werden, sind andere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere Lüftungsmaßnahmen und das Aufstellen geeigneter Abtrennungen. Außerdem hat der Arbeitgeber medizinische Masken oder FFP2-Maksen oder vergleichbare Atemschutzmasken zur Verfügung zu stellen. Schutzmasken sind außerdem in den folgenden Fällen vorzuhalten:
- Mindestabstand von 1,5m kann nicht eingehalten werden
- Ausgeführte Tätigkeit lässt erhöhten Aerosolausstoß befürchten (z.B. lautes Sprechen)
Da regelmäßig ein Wechsel der Masken vorzunehmen ist, sind vom Arbeitgeber ausreichend Masken zur Verfügung zu stellen. Die anfallenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen, da es sich insoweit um Arbeitsschutzmaßnahmen handelt. Zudem ist es Aufgabe des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer in die ordnungsgemäße Verwendung der Masken einzuweisen. Alternativ zur Bereitstellung von Masken können Arbeitgeber andere geeignete Maßnahmen treffen. Was hierunter verstanden werden kann, bleibt jedoch offen.
Welche Maßnahmen hat ein Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer vor dem Coronavirus zu treffen?
In § 4 ArbSchG sind allgemeine Vorgaben geregelt. Danach ist Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Gefahren sind in ihrer Quelle zu bekämpfen. Bei den Maßnahmen ist u. a. Hygiene zu berücksichtigen.
Welche weiteren Maßnahmen sind erforderlich?
Welche weiteren Maßnahmen zu treffen sind, ist vom Betrieb bzw. Unternehmen, der Branche, Größe usw. abhängig. Weiterhin dürfte für alle Betriebe das gelten, was sowohl die Bundesregierung in ihrem Beschluss vom 22.03.2020 als Leitlinien vorgegeben hat, als auch die Empfehlungen des Robert-Koch-Institut als Infektionsschutzmaßnahmen. Das bedeutet vor allem, keine Hände mehr zu schütteln, die entsprechende Handhygiene und das Abstand halten.
Die Verhaltensregeln und Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für das berufliche Umfeld können weitere wertvolle Orientierungen sein (z. B. Mahlzeiten möglichst alleine und nicht in der Kantine einnehmen). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen gesonderten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard verfasst und am 16.04.2020 veröffentlicht. Darin sind weitergehende Maßnahmen aufgeführt wie z. B.:
- Arbeitsmittel wie z. B. Werkzeuge, Kugelschreiber, Tastaturen sollten nach Möglichkeit nur personenbezogen verwendet werden.
- Arbeitsschutzkleidung sollte nicht gemeinsam von Arbeitnehmern genutzt und getrennt von der Alltagskleidung (z. B. in gesonderten Spinden) aufbewahrt werden.
- Arbeits- und Pausenzeiten sollten flexibel gestaltet werden, so dass die Zahl der gleichzeitig eintreffenden Arbeitnehmer im Betrieb verringert werden kann.
- Schichteinteilung: Bei der Aufstellung von Schichtplänen sollte darauf geachtet werden, möglichst stets dieselben Arbeitnehmer zu Schichten einzuteilen.
- Schutzabstände: Enges Zusammentreffen von Beschäftigten soll z. B. durch Klebebandbegrenzungen der Stehflächen (z. B. vor Stempeluhren, bei Ein- und Ausgängen oder vor Kaffeeautomaten) vermieden werden und wie es bereits aus Supermärkten bekannt ist.
- Zutritt zum Betrieb: Betriebsfremde Personen sollten – sofern möglich – der Zutritt nur in Ausnahmefällen gestattet werden. Die Zutritte sollten auf ein Minimum beschränkt werden.
Die Hinweise/Verhaltensregeln wie z.B. die Handhygiene, dass Abstand halten, das Verzichten auf Berührungen wie Umarmungen oder auch das Grüßen durch Händeschütteln sollten derzeit in jedem Betrieb ausnahmslos beachtet werden. Arbeitgeber (ggf. in Abstimmung mit dem Betriebsrat, § 89 Abs. 1 BetrVG) sollten dies ihren Arbeitnehmern jeweils konkret z.B. durch Aushänge oder Mitteilungen (ob persönlich oder per Mail) vorgeben. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 12 ArbSchG. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitgeber ihre Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Nach § 12 Abs. 1 S. 4 ArbSchG muss die Unterweisung an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.
Kann das Tragen von einem Mundschutz bei der Arbeit angeordnet werden?
Sofern kein Betriebsrat vorhanden ist, kann ein Arbeitgeber dies grundsätzlich aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes derzeit (Stand April 2020) eigenverantwortlich tun (z. B. bei Kassierern im Supermarkt, in Läden usw.). Die Anordnung des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes kann ein Arbeitgeber aufgrund eines Weisungsrechts gem. § 106 S. 2 GewO treffen. Dies ist auch unabhängig davon, ob in der Öffentlichkeit das Tragen in einigen Städten oder Bundesländern angeordnet ist oder nicht, denn ein Betrieb ist grundsätzlich kein öffentlicher Raum.
Wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, ist eine entsprechende Anordnung mit ihm in einer Betriebsvereinbarung i. S. d. § 88 Ziff. 1 BetrVG zu regeln.
Ob die Anordnung allerdings z. B. auch für einen Büroangestellten gelten soll, der die meiste Zeit der Tages ggf. alleine in seinem Büro sitzt, dürfte sehr fraglich sein. Sobald er hingegen sein Büro verlässt und z.B. auf Fluren oder Treppen unterwegs ist, könnte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wieder angezeigt sein. Das BMAS hat in seinem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard hierzu unter anderem Folgendes aufgeführt
„Unabhängig vom Betrieblichen Maßnahmenkonzept sollen in Zweifelsfällen, bei denen der Mindestabstand nicht sicher eingehalten werden kann, Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung gestellt und getragen werden.“
Wenn ein Arbeitgeber das Tragen eines Mundschutzes den Arbeitnehmern aufgibt, muss er auch dafür Sorge tragen, dass er ausreichend Mundschutz für seine Arbeitnehmer bereitstellt. Die Kosten hierfür muss grundsätzlich der Arbeitgeber tragen.
Kann ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber Schutzmaßnahme gegen Corona vorschlagen?
In § 17 Abs. 1 S. 1 ArbSchG ist geregelt, dass Beschäftigte berechtigt sind, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Dieses Recht können Arbeitnehmer auch aktiv ausüben, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Arbeitgeber das Coronavirus und die damit einhergehenden Gefahren nicht ernst nimmt. Wenn dann auch trotz Beschwerden keine Verhaltensmaßregeln aufgestellt und eingehalten werden, kann der Arbeitnehmer auch die zuständige Behörde (in Niedersachsen das Gewerbeaufsichtsamt) informieren. Wenn eine entsprechende Information erfolgt, dürfen den Beschäftigten dadurch keine Nachteile entstehen, § 17 Abs. 2 S. 2 ArbSchG.
Pflichten der Arbeitnehmer durch das Arbeitsschutzgesetz
Das Arbeitsschutzgesetz gibt jedoch nicht nur den Arbeitgebern sondern auch den Beschäftigten Pflichten auf. In § 15 Abs. 1 ArbSchG ist geregelt, dass die Beschäftigten dazu verpflichtet sind, nach ihren Möglichkeiten sowie nach gegebenenfalls erfolgter Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit selbst Sorge zu tragen.
Die Verpflichtungen der Beschäftigten gehen jedoch noch weiter. In § 15 Abs. 1 S. 2 ArbSchG ist geregelt, dass Sie auch für die Sicherheit und Gesundheit von Personen zu sorgen haben, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. Es versteht sich von selbst, dass daher ein an Corona erkrankter Mitarbeiter, der nur selbst sehr milde Symptome hat, nicht zu Arbeit geht und sich in häuslicher Quarantäne begibt.
Fazit
Jeder ist in diesen Zeiten dazu aufgerufen, aktiv die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern bzw. einzudämmen. Arbeitgeber sind verpflichtet, in ihrem Betrieb Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des SARS-CoV-2 zu treffen. Arbeitnehmer trifft die Pflicht, die Maßnahmen einzuhalten und umzusetzen.
Themenübersicht:
- Corona und Kündigung
- Corona und Kurzarbeit
- Änderungen des Arbeitszeitgesetzes
- Arbeitsschutz am Arbeitsplatz in Zeiten von Corona
- Entschädigungen wegen Betriebsschließungsmaßnahmen aufgrund Corona
- Entschädigung wegen Schließung von Kindertagesstätten und Schulen aufgrund von Corona
KERNER Rechtsanwälte
Fachanwälte für Arbeitsrecht
Leisewitzstraße 28
30175 Hannover
T: 0511 279008-0
F: 0511 279008-20
info@kanzlei-kerner.de
www.kanzlei-kerner.de