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Paar läuft mit einem Kinderwagen
18. Mai 2016 / by kanzleiKerner

Elternzeitanmeldung – nur original ist legal

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.05.2016

Formvorschriften bei der Anmeldung von Elternzeit

Elternzeit ist eine unbezahlte Auszeit vom Job, sagt eine Broschüre des Familienministeriums. Entscheiden Sie selbst, wie sehr der Begriff Auszeit auf den Zustand junger Eltern zutrifft. Richtig ist aber, dass das Arbeitsverhältnis während der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, also weder Arbeitsleistung noch Gehalt geschuldet wird.

Wer nimmt Elternzeit in Anspruch?

Der Anteil an Elternzeit nehmender Väter ist gestiegen, genau gesagt hat er sich seit 2008 verdoppelt. Bei dieser Aussage lohnt es sich, die absoluten Werte anzusehen: Statt jedem 100. Vater nimmt nun jeder 50. Vater Elternzeit – 80% davon für nur wenige Monate. Kein Vergleich zu den Müttern, hier nimmt gut ein Drittel Elternzeit (Werte: Statistisches Bundesamt; externer Link).

Wie beantragt man richtig Elternzeit?

Eltern zu werden ist aufregend. Noch aufregender wird es dadurch, dass werdende Eltern sich mit einigen bürokratischen Hürden auseinander setzen müssen. Unter anderem mit der richtigen Inanspruchnahme der Elternzeit gegenüber dem Arbeitgeber.

Erstens: 7-Wochen-Frist einhalten

Spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit muss die Elternzeit schriftlich beim Arbeitgeber „verlangt“ werden (§ 16 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)). Bei einer Elternzeit zwischen dem 3. und dem 8. Geburtstag des Kindes verlängert sich die Ankündigungsfrist. Die Elternzeit muss dann spätestens 13 Wochen vor Beginn der Elternzeit verlangt werden.

Der Wortlaut des Gesetzes ist ein wenig missverständlich. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, besteht einen Anspruch auf Elternzeit, so dass das Wort „Anzeige“ oder „Mitteilung“ passender wäre. Andersherum kann der Arbeitgeber von sich aus keine Elternzeit gewähren und auch eine Elternzeit „von Gesetzes wegen“ gibt es nicht.

Zweitens: Gleichzeitig Zeitraum angeben

In dem Verlangen nach Elternzeit muss eine konkrete Erklärung enthalten sein, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll (§ 16 Absatz 1 Satz 1 BEEG). Gemeint ist der Zeitraum bis zum zweiten Geburtstag des Kindes, wenn sich die Elternzeit unmittelbar an den Mutterschutz anschließt. Über die ersten zwei Jahre der Elternzeit hinaus brauchen sich Arbeitnehmer nicht festlegen.

Die Erklärung muss so konkret formuliert sein, dass der Arbeitgeber problemlos Anfang und Ende der Elternzeit zumindest berechnen kann.

Hier sind die Gerichte relativ großzügig. Es genügt beispielsweise die Formulierung „Hiermit teile ich mit, für die Zeit von zwei Jahren nach Ende des Mutterschutzes Elternzeit zu nehmen.“. Aus Gründen der Klarheit ist es natürlich besser, ein konkretes Datum zu formulieren. Soll die Elternzeit auf mehrere Zeitabschnitte verteilt werden (das ist nach § 16 Absatz 1 Satz 5 BEEG unter bestimmten Voraussetzungen möglich), wird sich die Nennung konkreter Daten ohnehin nicht vermeiden lassen.

Drittens: Schreiben unterschreiben

Das Verlangen nach Elternzeit muss schriftlich erfolgen. Damit ist ein Schreiben gemeint, das dem Arbeitgeber im Original unterzeichnet zugeht! Das steht im Gesetz so nicht ausdrücklich, hier heißt es sinngemäß nur: „Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie schriftlich vom Arbeitgeber verlangen.“ Das Bundesarbeitsgericht versteht diese Formulierung nach einem aktuellen Urteil (dazu gleich) so, dass die strenge gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist und damit eine „eigenhändige Unterzeichnung“ vorgenommen werden muss.

Die schriftliche Geltendmachung mit Originalunterschrift ist deshalb Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit. Möglich ist auch, das Schreiben von einem Bevollmächtigten verfassen und unterzeichnen zu lassen.

Nur ganz ausnahmsweise verwehrt das Bundesarbeitsgericht einem Arbeitgeber, sich später auf die fehlerhafte Form – also ein Elternzeitverlangen per Fax oder E-Mail – zu berufen. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin zunächst vermittelt hat, die fehlerhaft geltend gemachte Elternzeit gleichwohl zu akzeptieren (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2008, Aktenzeichen 2 AZR 23/07).

Folge: Sonderkündigungsschutz

Ab den Augenblick, in dem Elternzeit wirksam verlangt wurde, darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht mehr kündigen, wenn keine 8 Wochen mehr zwischen Kündigung und Beginn der Elternzeit liegen würden (§ 18 Absatz 1 BEEG). Bei einer Elternzeit zwischen dem 3. und dem 8. Geburtstag des Kindes betragen sowohl Ankündigungsfrist als auch Beginn des Kündigungsschutzes 14 Wochen vor Beginn der Elternzeit.

Auch während der laufenden Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen und zwar auch dann nicht, wenn die Kündigung erst zum Ende der Elternzeit wirken soll. Im Normalfall ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber erst wieder nach Wiederaufnahme der Arbeit und dann mit den gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen möglich.

Andersherum, also von Seiten des Arbeitnehmers, ist eine Kündigung, die zum Ende der Elternzeit wirksam wird, unproblematisch ohne Gründe möglich. Wiederum nicht möglich ist allerdings eine Kündigung, die noch in der Elternzeit wirksam werden soll. Für eine solche Beendigung des Arbeitsverhältnisses braucht es das Einverständnis des Arbeitgebers, also einen Aufhebungsvertrag.

Der Fall: Elternzeitverlangen mit unterschriebenem Fax

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich aktuell mit der Frage zu beschäftigen, wie die Voraussetzung zu verstehen ist, dass die Elternzeit schriftlich verlangt werden muss.

Geklagt hatte eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die seit Ende 2011 bei einem Rechtsanwalt beschäftigt war. Im Juni 2013 im Laufe ihrer Schwangerschaft übersandte die Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber folgende – unterschriebene – Mitteilung als Fax:

“hiermit teile ich Ihnen meine Elternzeit wie folgt mit. Ich werde meine Elternzeit (Mutterschutz) 2 Jahre in Anspruch nehmen! Bitte veranlassen Sie alles Notwendige!”

Der Arbeitgeber reagierte nicht und signalisierte weder, das Verlangen nach Elternzeit zu akzeptieren noch es nicht zu akzeptieren.

Im November 2013 erhielt die Arbeitnehmerin eine Kündigung. Hiergegen wehrte sie sich und argumentierte damit, dass sie wegen der beantragten Elternzeit gemäß § 18 Absatz 1 BEEG Sonderkündigungsschutz genieße.

Der Arbeitgeber argumentierte dagegen, die Elternzeit sei nicht formwirksam beantragt worden,  daher greife auch der Sonderkündigungsschutz nach dem BEEG nicht.

Das Urteil: Ohne Originalunterschrift kein Kündigungsschutz

Die Vorinstanzen hatten der Arbeitnehmerin Recht gegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Das Hessische Landesarbeitsgericht legte die Formulierung „schriftliche Geltendmachung“ nach dem BEEG zugunsten der werdenden Eltern so aus, dass damit irgendeine Art der Schriftlichkeit wie beispielsweise das Fax gemeint ist. Dass dem Arbeitgeber ein Schreiben mit Originalunterschrift zugehen müsste, wäre nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichtes zu viel verlangt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied in letzter Instanz anders. Das Fax reichte nach Ansicht des höchsten deutschen Arbeitsgerichts nicht aus mit der Folge, dass die Arbeitnehmerin Elternzeit nicht wirksam verlangt hatte und deshalb auch keinen Sonderkündigungsschutz hatte. Statt dessen sei mit „schriftliche Geltendmachung“ nach § 16 BEEG die strenge gesetzliche Schriftformanordnung gemeint, so dass nur ein dem Arbeitgeber zugegangenes Schreiben mit der Originalunterschrift ausgereicht hätte.

Andere Umstände, nach denen der Arbeitgeber sich auf den Formmangel nicht hätte berufen dürfen nicht vorlagen, war die Erklärung der Arbeitnehmerin wirkungslos.

Fazit: Weder E-Mail noch Fax sind schriftlich

Das Gesetz sieht vor, dass Elternzeit schriftlich zu verlangen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass hierfür einzig und alleine ein handschriftlich unterzeichnetes Schreiben ausreicht.

Die Frage lautete, ob das Gesetz die (strenge) gesetzliche Schriftform anordnen wollte. Das ergibt sich nicht eindeutig aus dem Gesetzestext und auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift mag man darüber streiten können.

Für viele Menschen ist inzwischen wohl eine nachverfolgbare E-Mail bzw. ein Fax die sicherste Form der Zustellung eines Elternzeitverlangens an den Arbeitgeber. Eine solche Entscheidung kostet nach dem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts den gesetzlich vorgesehenen Sonderkündigungsschutz, wenn der Arbeitgeber nicht bestätigt, die Elternzeit dennoch gewähren zu wollen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist deshalb unbedingt zu raten, sowohl die vorgeschriebene Form als auch die Fristen einzuhalten und sich den Empfang des Elternzeitverlangens bestätigen zu lassen.

Noch Fragen?

Haben Sie Fragen zu dem Thema Elternzeit? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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